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Pharmazie
Den täglichen Pillen-Mix regelmäßig überprüfen lassen

Die Kombination verschiedener Medikamente kann vor allem im Alter gefährlich werden. In Nordrhein-Westfalen haben sich die AOK und der Apothekerverband deshalb für ein Modellprojekt zusammen getan: Apotheker checken in Altenheimen die Medikation der Bewohner. Dafür erhalten sie von der AOK eine Pauschale.

VonThomas Liesen | 16.09.2014
    Tabletten liegen in einem Glas
    Bei ihren Kontrollen in Seniorenheimen wollen Apotheker unter anderem unerwünschte Nebenwirkungen von Medikamenten erkennen und beseitigen. (dpa)
    Städtisches Seniorenheim Krefeld-Linn. Apotheker Manfred Krüger ist auf dem Weg zu einem Treff mit dem Pflegedienst.
    "Hallo zusammen"
    Etwa alle drei bis vier Wochen besucht Manfred Krüger das Heim. Zusammen mit den Pflegerinnen kontrolliert er die Medikation einzelner Bewohner, fragt nach, ob es bei ihnen irgendwelche Auffälligkeiten gibt, die vielleicht ein Hinweis auf unerwünschte Nebenwirkungen sein können.
    "Wir wollten ja noch mal über die Frau Friedrich sprechen, Sie hatten mir die Medikamente zugeschickt, die Medikamentenliste. Ich habe mir die angeschaut. Aber vielleicht können sie noch mal kurz sagen, wie die Situation von der Frau Friedrich denn aussah. Sie hatten ja auch gesagt, dass einige Probleme aufgetreten sind."
    "Sie hatte starke Angstzustände, starke innere Unruhe und für mich war halt das größte Problem, dass sie gar nicht geschlafen hat."
    "Die Analyse hat ergeben – des Medikationsplanes – dass die Patientin schon sehr viele Psychopharmaka, Schlafmittel, Mittel gegen Demenz bekommt und dass sie offensichtlich die Wirkung, die man sich erwünscht hat, nicht erreicht haben. Ich habe jetzt analysiert, inwieweit die Medikamente sich gegenseitig stören oder Probleme darstellen und herausgefunden, dass ein deutlich erhöhtes Risiko für Tachykardien besteht, also einem zu hohen Puls, der natürlich zusätzlich Unruhe erzeugt."
    Manfred Krüger empfiehlt, ein spezielles Antidepressivum erst einmal abzusetzen, weil es bekanntermaßen mit Mitteln gegen Demenz, wie sie Frau Friedrich ebenfalls bekommt, zu dem erhöhten Puls führen kann. Außerdem empfiehlt er zusätzlich Melatonin, also ein Hormon zur Stabilisierung des Tag-Nacht-Rhythmus. Eine solche Umstellung der Medikationen oder auch das völlige Absetzen von Mitteln bewirkt manchmal wahre Wunder, sagt Altenpflegerin Nadja Zacharow.
    "Wir hatten mal eine Bewohnerin, die war total hyperaktiv, ist immer rumgerannt, war sehr hochgradig sturzgefährdet. Dann haben wir irgendwann mal mit dem Neurologen gesprochen und dann wurden wirklich alle Medikamente abgesetzt. Und die Frau ist total aufgeblüht. Die war total anders, gar nicht so abgeschossen, es war einfach schön, zuzusehen."
    Alte Menschen haben fast immer mehrere Krankheiten parallel. Für jede einzelne gibt es medizinische Leitlinien und entsprechende Medikamentenempfehlungen. Würde man sie alle beachten, käme es häufig zu unerwünschten Wechselwirkungen. Für Apotheker Krüger besteht die Kunst darin, einen patientengerechten Mittelweg zu finden. So, wie er es bei Frau Friedrich jetzt versucht. Ob es fruchtet, wird sich beim nächsten Treffen zeigen.
    "Ja ich würde sagen, in drei bis vier Wochen, vor allen Dingen, weil dieses Medikament, was den Tag-Nacht-Rhythmus stabilisieren sollte, wahrscheinlich abgesetzt wird. Sie wissen, dass das nur begrenzt einsetzbar ist – und dass wir dann sehen, wie sich das stabilisiert hat."
    "Okay"
    "Vielen Dank!"
    "Danke auch."

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