Mittwoch, 24. April 2024


Philipp Hoch aus Leipzig, geboren am 29.6.1990

Für mich, als im Juni 1990 geborenen, gestaltet sich der Umgang mit der DDR-Vergangenheit in verschiedenen Punkten besonders. Mich befremdet die Vorstellung über das Leben vor der Wende überhaupt nicht, obwohl ich es selbst niemals gelebt habe. Als erste Nachwendegeneration in Ostdeutschland war ich seit meiner Kindheit natürlich immer mit einer Reflexion und Auseinandersetzung durch die eigenen Eltern, Verwandten, Lehrer und Bekannten konfrontiert.

06.09.2010
    Einerseits hat dies dazu geführt, dass ich glaube, einen umfassenden Einblick in gesellschaftliche Verhältnisse und Lebensbedingungen der Menschen gewonnen zu haben (den der Schulunterricht nicht alleine hätte vermitteln können) - andererseits ist es manchmal ein eigenartiger Schwebezustand. Die Spuren und Hinterlassenschaften der DDR waren in Leipzig, der Stadt in der ich aufgewachsen bin und noch heute lebe, sehr lange noch sehr präsent und sind es zum Teil noch heute.

    Manchmal finde ich meine eigene Situation eher schwierig, genauso wie frühere Generationen immer noch nicht frei von einer ständigen Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte und Deutscher Einheit - gleichzeitig aber ohne eigene Erinnerungen, beziehungsweise mit dem Wissen nie Teil dieses Staates gewesen zu sein. Wenn Menschen aus meiner Generation sagen, für sie ist das alles weit weg, beziehungsweise interessiert sie nicht sonderlich, kann ich das nicht nachvollziehen. Vor allem im Gespräch mit Menschen die die sogenannte Friedliche Revolution miterlebt und -gestaltet haben, war für mich immer besonders interessant zu erfahren, dass der Ausgangspunkt der meisten Demonstranten und Demonstrantinnen eine Veränderung der Lebensbedingungen und Gesellschaftsordnung war und nicht eine möglichst schnelle Abwicklung der DDR und Wiedervereinigung.

    Aus diesem Wissen heraus bin ich von der heutzutage stattfindenden öffentlichen Debatte enttäuscht. Notwendige und absolut legitime Kritik an der DDR und den mit ihr verbundenen Problemen für die Menschen, die in diesem Staat gelebt haben, ist zum Selbstläufer geworden. An der Verurteilung eines repressiven Staates wird die deutsche Einheit, der gemeinsame Volkswille und eine beispiellose Ignoranz gegenüber Problemen der früheren und auch heutigen BRD zelebriert. Als Teil einer sogenannten Generation Einheit wünsche ich mir manchmal eine reflektiertere Debatte, die sich auch 20 Jahre später noch kritisch dem Akt der Wiedervereinigung auch vor dem Hintergrund der historisch-logischen Teilung Deutschlands widmet, anstatt allzu oft entweder in revisionistische Loblieder auf die DDR oder den Taumel über die "Vereinigung des deutschen Volkes" abzurutschen.