Das Büchlein hat also eher einen christlichen oder ethischen Anspruch, weniger einen analytischen, oder gar psychoanalytischen, der vielleicht dem sexuellen Begehren im Essen wie im Denken nachginge. Es predigt lieber Hausmannskost, die man seinen Kindern wohl überlegt und pädagogisch wertvoll bereiten sollte, als Spaziergänge ins Spezialitätenrestaurant. Rigotti fühlt denn auch lieber mit Hannah Arendt mit, die eine gute Köchin war und sich darüber ärgerte, wenn ihre Gäste anstatt über ihr Essen lieber über ihre Bücher redeten. Sartre dagegen muss ein Kostverächter gewesen sein, der als Bohemiens täglich im Restaurant essen musste, weil Simone de Beauvoir nicht kochen konnte. Offenbar gibt es für Rigotti ziemlich klare Regeln des Denkens wie des Essens, schließt sie an die christliche Lehre des Zusammenhangs der Laster und Sünden an, die Gregor der Große konzipierte. Die Lebens- und Schreibweise des Bohemiens Sartre fallt offenbar unter die Laster, während sich eine diätetische Philosophie genauso wie die Kochkunst nicht nur auf das rechte Maß besinnen muß. Sie muss es allen auch ein wenig recht machen, wie in der Küche, die Karotten, die das Kind nicht mag, eben dann kochen, wenn es nicht da ist: Die selbstlose christliche Liebe bedarf angeblich keiner Erwiderung, aber sie präsentiert sich - so Rigotti- in Formulierungen wie: Ich habe dich zum Fressen gem. Da darf man doch fragen, ob sich die Mutterliebe darin nicht eher verrät.
Dass sich in der Sprache immer etwas anderes als das unmittelbar Gesagte ausdrückt, dem schenkt Rigotti keine Beachtung. Sie bedauert vielmehr, dass die Sprache keine festen Regeln besitzt und vergleicht sie mit einer schlampigen Hausfrau. Wittgenstein hat sie offenbar nicht verstanden, nicht zuletzt dann, wenn sie ihr Eingangsmotto - Wittgenstein über Rosinen, die das beste am Kuchen sind, aber alleine noch keinen Kuchen ergeben - dahingehend interpretiert, dass Wittgenstein damit der Philosophie sagen wolle, sie dürfe sowenig wie die Kochkunst aphoristisch sein. Schade; denn Kochen im Sinne Wittgensteins als Sprachspiel zu interpretieren, könnte ich mir spannender vorstellen, als eine gregorianische Gedankendiät zu propagieren.