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Pikanter Deal

Sie gehörte zu den ersten 20 Mitarbeitern bei Google und ist verantwortlich für die spartanische weiße Startseite der Suchmaschine. Jetzt wird Marissa Mayer neue Chefin von Yahoo, dem schwächelnden Konkurrenten des Softwaregiganten aus Mountain View.

Von Brigitte Scholtes | 17.07.2012
    Dass der Internetkonzern Yahoo einen neuen dauerhaften Chef suchte, war bekannt. Man hatte jedoch eher auf den Interimschef Ros Levinsohn gesetzt. Mit Marissa Mayer aber hatte wohl kaum jemand gerechnet. Die 37-Jährige gilt als eine der bekanntesten Frauen der Branche, sie war bis gestern Managerin des großen Yahoo-Konkurrenten Google und soll Yahoo nun in eine bessere Zukunft führen.

    Es ist eine Herkulesaufgabe: Denn Google dominiert mit seiner Suchmaschine 80 Prozent des Marktes. Yahoo hingegen schafft es zusammen mit seinem Kooperationspartner Microsoft und dessen Suchmaschine Bing gerade einmal auf zehn Prozent. Das Unternehmen verliert seit Jahren im Geschäft mit Onlinewerbung gegenüber Google und Facebook. Analysten zeigen sich skeptisch, ob die neue Frau an der Spitze das Ruder wird herumreißen können. So meint Jürgen Meyer, Fondsmanager von SEB Asset Management:

    "Es wird sicherlich sehr schwer sein, Google in seinem angestammten Geschäft noch einmal zu überholen. Denn wir Menschen sind alle Gewohnheitstiere. Und solange Google funktioniert und niemand anderes ein deutlich besseres Produkt anbieten kann, wird sich daran nichts mehr ändern lassen."

    Marissa Meyer ist die dritte Chefin Yahoos innerhalb eines Jahres. Sie gilt als Technikexpertin. Als 24-Jährige kam sie zu Google und gehörte zu den ersten 20 Mitarbeitern des Konzerns. Sie hat dessen Suchmaschine mitentwickelt und ist verantwortlich für die spartanische weiße Startseite. Zuletzt leitete sie das Landkartengeschäft Google Maps. Die Entscheidung für sie könnte bedeuten, dass Yahoo künftig wieder mehr auf Technik setzen will statt auf Medieninhalte. Beobachter sind gespannt, wie Marissa Mayer das Unternehmen voranbringen will:

    "Interessant wird in der Tat sein, welche Ideen sie da mitbringt oder auch welche alten Mitarbeiter. Das kann vielleicht ein Kalkül sein. Ansonsten hat es ja bei Yahoo – vielleicht auch bedingt durch die schwierige Situation - mehrere Chefwechsel in den letzten Jahren gegeben. Aber das ist natürlich jetzt ein Signal, jemand sehr Markantes von außen zu holen."

    Dieses Signal könnte auch andere qualifizierte Kräfte zu Yahoo hinziehen. Die neue Yahoo-Chefin benötigt in den nächsten Monaten jedenfalls einen guten Stab um sich, denn die 37-Jährige erwartet im Oktober ein Kind. Sie wolle aber nur wenige Wochen aussetzen, hatte sie dem amerikanischen Wirtschaftsmagazin Forbes mitgeteilt.

    Welche Beweggründe die neue Yahoo-Chefin hatte, sich für ein kleineres Unternehmen zu entscheiden, das sich gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber Google durchsetzen muss, ist nicht bekannt. Analyst Jürgen Meyer hat da Vermutungen:

    "Unabhängig davon, wie dieses Experiment ausgehen wird, muss sich Frau Mayer um ihre Zukunft finanziell zumindest sicherlich keine Sorgen mehr machen. Cäsar hatte schon vor 2000 Jahren erkannt, dass es besser sein kann, der Erste im Dorf als der Zweite in Rom zu sein. Und das ist ja gerade ein Fluch vieler Großkonzerne, dass es, sobald es zu viele Leute gibt, sie sich eher gegenseitig im Weg stehen und sich gegenseitig behindern und dann viele Talente abspringen und ihre Zukunft woanders suchen."

    Denn bei Google gehörte sie nicht zu dem kleinen Kreis der Topmanager, die direkt der Unternehmensspitze unterstellt sind.