Freitag, 29. März 2024

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Comedy von Philip Simon
"Das Grundgesetz ist hot shit"

Warum kennen wir die 10 Gebote so genau, die Grundgesetz-Artikel aber nicht? Der Kabarettist Philip Simon nimmt in seinem Bühnenprogramm das Publikum mit auf einen Trip durch die Grundrechtslandschaft und fragt: Ist das Menschenrecht - oder kann das weg?

Von Rainer Link | 16.03.2018
    Philip Simon
    Mit "Meisenhorst" legt Philip Simon sein drittes Programm vor (Valery Kloubert)
    Philip Simon betritt die Bühne in einem olivgrünen Kampfanzug und geht sogleich in die Offensive.
    "Darum trag ich auch diese formschöne Uniform. Das ist eine kleine Sicherheitsmaßnahme für Sie, damit, für den Fall, dass Sie geistig nicht mehr folgen können, Sie optisch jederzeit erkennen: Der Mann hat recht."
    Die "emotionalen Wellen juristischer Sprache"
    Denn er bezieht sich aufs Grundgesetz. So explizit nicht gerade ein gängiges Kabarett-Thema.
    "Ich habe irgendwann festgestellt, dass ich selber mehr über die 10 Gebote weiß als über das Grundgesetz. Und ich bin Atheist. Ich fand das eigentlich ganz spannend, dass wir so wenig über dieses Buch wissen, das ja eigentlich unser Zusammenleben regeln und gestalten soll. Und dann bin ich einfach mal eingetaucht in das Grundgesetz und habe mir die schönsten Artikel rausgesucht."
    Philip Simon befragt sein Publikum: Welche und wie viele Grundgesetz Artikel habt ihr im Kopf? Doch das Auditorium senkt verlegen den Blick: Nur vereinzelte Vertreter der Gattung Jurastudent wollen mit ihrem Fachwissen triumphieren, die werden aber nicht zum Vortrag vorgelassen.
    "Und noch spannender finde ich, dass wir, ausgerechnet wir, zum Beispiel Muslimen vorwerfen, dass sie sich hier auf den Koran berufen und nicht auf das Grundgesetz. Genau das Grundgesetz, was wir auch nicht wirklich kennen. Es fühlt sich immer scheiße an, wenn einem die moralische Überlegenheit durch die Finger fließt. Ich möchte Sie heute Abend trotzdem mal wieder für diesen alten Schmöker begeistern und gemeinsam mit Ihnen auf den emotionalen Wellen juristischer Sprache surfen und Ihnen beweisen: Das Grundgesetz ist hot shit."
    "Beatrix versteht die Welt nicht mehr"
    Rund 150 Artikel umfasst unsere Verfassung. Darunter im vorderen Teil die sogenannten Grundrechte. Zum Beispiel die Garantie der Meinungsfreiheit.
    "Wann ist eine Meinung eigentlich noch eine Meinung? Diskutieren wir viel drüber. Zu Silvester hat ja die Polizei in NRW unter anderem auf Arabisch auf Twitter ein gutes neues Jahr gewünscht. Und ist es da jetzt noch eine Meinungsäußerung, wenn Beatrix von Storch daraufhin twittert: 'Was zur Hölle ist los in diesem Land? Wieso twittert eine offizielle Polizeiseite aus NRW auf arabisch? Meinen sie die barbarischen, muslimischen, gruppenvergewaltigenden Männerhorden so zu besänftigen?' Ja, Beatrix fragt: 'Was zur Hölle ist los in diesem Land?' Beatrix versteht die Welt nicht mehr. Und jetzt begeht sie einen Fehler, der typisch ist für Menschen, deren Rechenleistung für die eigene Festplatte schon länger nicht mehr ausreicht, weil Beatrix glaubt, weil sie die Welt nicht mehr versteht, ist etwas mit dieser Welt nicht mehr in Ordnung. Aber das genaue Gegenteil ist der Fall."
    Meinungsfreiheit gilt auch und vor allem für die Meinung von Leuten, von denen wir glauben, dass sie einen an der Meise haben, verlangt der Chef des von ihm sogenannten "Meisenhorsts". Er liebt die Attacke vom Bühnenrand. Viel Feind, viel Spaß.
    Aha-Erlebnisse mit Nietzsche und Kant
    "Der Philip Simon auf der Bühne ist sicherlich eine sehr konzentrierte Version des realen Philip Simon. Wenn ich jetzt tagsüber auch so durch die Gegend laufen würde, dann würde ich das sicher nicht lange in Freiheit machen."
    Sagt der Mann, der in seinem ersten Programm in Zwangsjacke auftrat.
    "Ich würde auf jeden Fall sagen, dass das neue Programm sehr philosophisch ist."
    Ja, und warum dann nicht auch mal so zwischendrin einen Nietzsche rauskloppen?
    "Nietzsche war ja nicht nur Philosoph, sondern auch dement. Nietzsches Leben endete da, wo unseres sich immer noch befindet - in völliger geistiger Umnachtung. Und von ihm stammt der wunderbare Ausdruck: Auch die hohlste Nuss will noch geknackt sein. Und das, finde ich, ist eine wunderbare Überschrift für politisches Kabarett."
    "Ich hab ja mal versucht, Philosophie zu studieren - natürlich nicht zu Ende. Deshalb kommen Leute wie Kant, Nietzsche und so im Programm vor."
    "Meisenhorst" ist Philip Simons drittes Bühnenprogramm, und: Es ist ihm gelungen. Die frohe Botschaft der unteilbaren Menschenrechte kommt rüber; seine juristischen Exkursionen erzeugen jede Menge freudvolle Aha-Erlebnisse. Man fühlt sich schon regelrecht zum Verfassungspatrioten bekehrt. Da darf noch jede Menge nachkommen.