Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Pilotprojekt in Brandenburg und Hessen
Für alle Fälle Schwester Annegret

Kleine Wunden versorgen, Ernährungs- und Hygiene-Tipps geben, einfach mal trösten: Die angehende Schulkrankenschwester Annegret Altmann hat an ihrer Schule alle Hände voll zu tun. Sie ist eine von zehn Auszubildenden im Rahmen eines brandenburger Pilotprojektes. Das Ziel: die gesundheitliche Prävention schon im Grundschulalter fördern.

Von Sandra Voß | 23.03.2017
    Ein Mädchen mit Zahnspange hält ein selbst belegtes Butterbrot in den Händen.
    Schulkrankenschwestern in Brandenburg und Hessen sollen Kindern unter anderem gesunde Ernährung vermitteln. (picture-alliance / dpa-ZB / Arno Burgi)
    Pause in der Lenné Schule in Frankfurt Oder. Die Kinder stürzen die Treppen runter bis zum Schulhof. Kaum unten, hat sich die kleine Jessica verletzt.
    "Was ist den passiert?" - "Ich bin hingefallen." - "Wollen wir zur Schulkrankenschwester gehen? Wollen wir schauen, ob die heute da ist?" - "Ja, die ist da. Heute ist Dienstag."
    Die Mädchen haben Glück. Annegret Altmann, die Schulkrankenschwester, ist in ihrem Behandlungszimmer am Ende des langen Flures.
    "Was ist den los? Ich bin hingeknallt, weil Mihra hat mich geschubst. Dann zeig mal, kannst Du die Hose hochziehen?"
    Jessica zeigt ihr Knie. Auf der Haut ist eine klitzekleine rote Schramme zu sehen.
    "Wollen wir es kurz kühlen, ziehste die Hose hoch und ich gebe dir einen Eisakku und dann gehst Du wieder in die Pause? Wollen wir es so machen?"
    "Ich versorg, wie jetzt auch gerade, die kleinen und großen Wehwehchen und schaue, was ich für die Kinder tun kann, oder ob sie sie einfach nur ein wenig Aufmunterung brauchen, damit es dann weiter geht für die restlichen Stunden. "
    Brandenburg und Hessen als Vorreiter
    Die Schulkrankenschwester Annegret Altmann.
    Die Schulkrankenschwester Annegret Altmann. (Deutschlandradio / S. Voß)
    Annegret Altmann ist eine von zehn Pflegefachkräften, die in Brandenburg in einem Pilotprojekt zur Schulkrankenschwester ausgebildet werden. Neben der praktischen Arbeit an den Schulen bilden sie sich auch pädagogisch weiter. Dabei geht es um den Aufbau des Schulsystems in Brandenburg, um Stressbewältigung und um didaktische Fähigkeiten. Denn neben der reinen Versorgung von Wunden sollen die Schulkrankenschwestern vor allem präventiv arbeiten.
    "Dann habe ich auch so immer in meiner ersten Klasse Montag und Dienstag in der sechsten Stunde individuelle Lernzeit, wo wir auch so Gesundheitstraining machen, so ein bisschen sensibilisieren, wie man richtig Hände wäscht, gesunde Ernährung. Dass die Kinder da so spielerisch geschult werden."
    Die Idee für das Modelprojekt, das neben Brandenburg noch in Hessen läuft, hatte die AWO, Bezirksverband Potsdam. Bei dem ebenfalls von der AWO finanzierten Projekt "Spirellibande" wird kostenloses Frühstück an Schulen angeboten. Dabei wurde deutlich: Es fehlt vielen Kindern neben der gesunden Nahrung auch an der medizinischen Grundversorgung, erzählt die Pressereferentin der AWO Potsdam, Nicola Klusemann.
    "Wenn man überlegt, dass jedes fünfte Kind von Armut betroffen ist, dann geht da ganz viel mit einher und damit sicherlich auch das Gesundheitsbefinden bzw. auch seelische Belastungen, die sich dann wiederum in Kopfschmerzen, Bauchschmerzen niederschlagen. Und wenn das hier über diesen Weg erkannt werden kann ist da sicherlich schon eine Menge gewonnen."
    Für Annegret Altmann geht es darum, abzuwägen, wer was braucht. Ist es wirklich etwas Ernstes oder reichen ein paar tröstende Worte, ein wenig Zeit, zum Zuhören.
    Bei Sina hat die Schulkrankenschwester entschieden, das Mädchen nach Hause zu schicken. Sie hatte Bauschmerzen. Nun sitzt sie auf der Behandlungsliege und wartet geduldig.
    Endlich kommt ihre Mutter zur Tür rein.
    "Bauchschmerzen?" - "Ich warte schon seit der zweiten Stunde." - "Aber manchmal geht es ja nicht schneller." - " Ja." - "Sina, wenn Mamas den ganzen Tag arbeiten müssen, dann können die gar nicht so schnell kommen. "
    Positives Elternfeedback
    Auch wenn es etwas gedauert hat, ihre Mutter kann sich als Selbstständige die Zeit nehmen, um Ihre Tochter abzuholen. Doch sie ist auch froh, zu wissen, das ihr Kind ist bei Frau Altmann in guten Händen ist.
    "Ich finde es eine gute Sache. Die individuelle Versorgung der Kinder, wenn sie Wehwehchen haben und ich denke, die Mädels kommen ja auch in irgendwann in die Pubertät, da gibt es dann gewissen Sachen wo es wehtut oder zwickt und wenn dann eine Frau oder Schwester da ist, wo sie hingehen können, also, ich finde das gut."
    Nicht immer können die Eltern das Kind abholen oder zu Hause betreuen. Denn obwohl jedem Elternteil zehn freie Tage pro Jahr für die Betreuung ihres kranken Kinds zustehen, sind nicht alle Arbeitgeber von dieser Regelung begeistert. Darum schicken viele Eltern ihr Kind lieber krank in die Schule, als es zu Hause zu versorgen.
    Fehlende morgendliche Betreuung
    Ein solches Verhalten hat Annegret Altmann in ihren zwei Monaten praktische Arbeit nicht bewusst erlebt. Allerdings weiß die freundliche Schulkrankenschwester schon, manchmal ist morgens einfach niemand zu Hause, der merken kann, ob das Kind krank ist. Und da tut es gut, wenn die Schulkrankenschwester ein aufmunterndes Wort für die Kinder hat und ihnen dabei liebvoll übers Haar streicht.
    "Komm, dann zieh die Schuhe aus, dann kannst dich hier hinlegen."