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Pilzerkrankungen der inneren Organe bleiben häufig unentdeckt

Pilze existieren normalerweise auf der Haut und den Schleimhäuten. Das Abwehrsystem sorgt bei gesunden Menschen dafür, dass die natürliche Besiedlung unseres Körpers mit Pilzen wie mit Bakterien im Gleichgewicht bleibt. Wenn aber aus irgendeinem Grund das Abwehrsystem beeinträchtigt ist, können Pilze die so genannte Schleimhautbarriere durchbrechen und sich in den inneren Organen festsetzen. Dann werden sie gefährlich.

Von Doris Regina Gothe | 06.07.2004
    Pilze sind genau so gefährlich wie Bakterien. Pilzinfektionen sind sicher seltener als bakterielle Infektionen, aber wenn sie auftreten, sind sie lebensbedrohlich.

    Das musste Wilfried Fehling erfahren, der an einer chronischen, aber sehr langsam verlaufenden Form von Leukämie leidet. Der Krebs hat ihn viel weniger beeinträchtigt, als eine unerwartet aufgetretene Pilzerkrankung:

    Ich hatte die Diagnose die "chronische lymphatische Leukämie" zu haben, das wurde diagnostiziert, und ich hab aber keine Beschwerden gehabt, und hab eine Punktierung des Knochenmarks bekommen und musste drei Wochen drauf warten. Und in der Zwischenzeit ist mir nachts dann schlecht geworden, Kopfschmerzen, Fieber, Übelkeit, ich hab’ also Schwächeanfälle gehabt.
    Wilfried Fehling hatte Glück. Die Ärzte in seinem Stadtteilkrankenhaus waren stutzig geworden, weil die Beschwerden nicht zum bisherigen Verlauf der Krebserkrankung passten. Sie überwiesen ihn in die Uni-Klinik. Dort wurde eine durch Pilze verursachte Lungenentzündung festgestellt, die inzwischen erfolgreich behandelt werden konnte.

    Also ich bin jetzt fast zwei Wochen hier, und ich habe dann Medikamente bekommen, also dieses Pilzmittel, das läuft also gesamt 14 Tage und siehe da, ich bin jetzt seit zwei Tagen fieberfrei, ich hatte also die ganze Zeit Fieber, hab dann nachts auch sehr viel Husten gehabt. Und das ist jetzt alles weg.

    Dass die Krankheit diagnostiziert wurde, ist keine Selbstverständlichkeit, denn die Diagnose ist schwierig. Pilzinfektionen der inneren Organe führen - sofern sie nicht behandelt werden - bei abwehrgeschwächten Patienten in bis zu 90 Prozent der Fälle zum Tod.

    Pilze existieren normalerweise auf der Haut und den Schleimhäuten. Das Abwehrsystem sorgt bei gesunden Menschen dafür, dass die natürliche Besiedlung unseres Körpers mit Pilzen wie mit Bakterien im Gleichgewicht bleibt. Wenn aber aus irgendeinem Grund das Abwehrsystem beeinträchtigt ist, können Pilze die so genannte Schleimhautbarriere durchbrechen und sich in den inneren Organen festsetzen. Dann werden sie gefährlich.

    Dr. Oliver Cornely erklärt, welche Pilzarten besonders verbreitet sind.

    Die häufigsten Pilzerkrankungen sind Schimmelpilzerkrankungen und etwas seltener sind Hefepilzerkrankungen. Schimmelpilze werden in erster Linie in der Lunge gefunden. Das lässt sich auch nicht vermeiden. Auf der ganzen Welt sind überall in der Luft Schimmepilze, die werden eingeatmet. Hefepilze werden zumeist über den Darm aufgenommen und breiten sich dann mit dem Blut zusammen aus.
    Das Tückische an diesen Pilzinfektionen der inneren Organe - medizinisch invasive oder systemische Mykosen genannt - ist die Tatsache, dass sie schwer nachzuweisen sind.

    Die Diagnosestellung ist deswegen so schwierig, weil man keinen Test hat, der wirklich beweisend ist, es gibt keine Art von Röntgenbild oder Laboruntersuchung, die beweisend wäre für eine Pilzinfektion.

    Die Ärzte verlassen sich daher in der Regel auf mehrere Hinweise, die sich ergänzen und gegenseitig bestätigen. Nicht selten wird aber auch aufgrund einer Verdachtsdiagnose behandelt.

    Niemand kann heute sagen, wie viele Patienten in der Vergangenheit an Pilzinfektionen gestorben sind. Manchmal wurde eine invasive Mykose erst bei der Obduktion des verstorbenen Patienten festgestellt.

    Durch Pilze verursachte Entzündungen können leicht mit bakteriellen Infektionen verwechselt werden. Deshalb betont Oliver Cornely, dass bei Fieber, das trotz Antibiotikabehandlung nicht nach drei oder vier Tagen abklingt, unbedingt eine Behandlung mit systemisch wirkenden Antimykotika durchgeführt werden sollte.

    Er und sein Team arbeiten zur Zeit an einer Strategie zur prophylaktischen Therapie, das heißt zur vorbeugenden Behandlung, von Pilzinfektionen bei Patienten mit Organtransplantationen und Chemotherapie, deren Immunsystem vorübergehend unterdrückt werden muss, um das fremde Gewebe nicht abzustoßen. Bei solchen Patienten ist die vorbeugende Gabe von Antibiotika längst Routine. Nicht so bei der Gefahr durch Pilze. Doch Cornely stellt fest:

    Bei der Transplantation da haben wir mittlerweile gelernt, dass wir auch da Pilzmittel als Prophylaxe geben müssen.

    Eine international angelegte Studie der Uni Köln soll außerdem die Verbreitung systemischer Mykosen dokumentieren und die Behandlung verbessern. Per Internet werden Fachkollegen aus aller Welt gebeten, die ihnen bekannten Fälle zu melden und zu erläutern, wie und womit sie die Patienten behandeln. In den letzten Jahren sind eine Anzahl von neuen Pilzmitteln entwickelt worden, die teilweise noch erprobt werden. Der Erfahrungsaustausch soll auch dazu beitragen, dass wirksame Mittel schneller bekannt werden und den Patienten zugute kommen.

    Trotz aller Schwierigkeiten beurteilt Dr. Oliver Cornely die Zukunftsaussichten für Patienten mit Pilzinfektionen der inneren Organe optimistisch:

    Man kann Patienten mit invasiven Mykosen heilen, das gilt für Schimmelpilze genau so wie für Hefepilze, aber die Therapie ist sehr langwierig und die Diagnose ist sehr schwierig. Man muss dran denken.