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Pioniergeist in Addis Abeba

Viele Äthiopier träumen von einem besseren Leben im Westen und nehmen dafür selbst größte Strapazen auf sich. Denn der Großteil der Bevölkerung ist arm. Regisseur Theodros Thesome kritisiert in seinem Film "Triangle" sowohl diese Realität als auch die Flüchtlinge, die sich auf den Weg machen.

Von Benno Müchler | 14.05.2013
    "Can I see your documents please?"

    Mahamer flieht aus seiner Heimat Äthiopien zu Fuß durch die Wüste Libyens. Auf dem Weg verliebt er sich in Winta aus dem Nachbarland Eritrea. Sie hat das gleiche Ziel wie er: Amerika. Die Liebe der beiden wird auf harte Proben gestellt: Krankheit, Gewalt, schwere Schicksalsschläge.

    "Triangle", auf Amharisch "Sost Maezen", ist der aufwendigste äthiopische Film aller Zeiten. Teshome ließ mehrere Special Effects, wie einen Sandsturm, in Hollywood produzieren. Das gab es noch nie in Äthiopien, in dem im Wochentakt einfach produzierte amharische Filme auf den Markt geworfen werden. "Triangle" greift ein Thema auf, das zum Alltag vieler Äthiopier gehört. Auch wenn sich das Land derzeit schnell entwickelt, ist die große Mehrzahl der Bevölkerung nach wie vor arm. Viele träumen von einem besseren Leben im Westen und nehmen dafür selbst größte Strapazen auf. Regisseur Theodros Thesome kritisiert sowohl diese Realität als auch die Flüchtlinge, die sich auf den Weg machen:

    "Ich mache meine Filme nicht, um die Leute glücklich zu machen. Ich mache meine Filme, um die Leute zu unterhalten, um sie zu belehren, aber nicht um sie glücklich zu machen und ihnen das zu sagen, was sie hören wollen."

    Teshome ist der erfolgreichste Regisseur Äthiopiens. Dessen Filmindustrie entstand erst vor 20 Jahren nach dem Sturz einer blutigen Militärdiktatur. Doch kritischen Film im nach wie vor autokratischen Äthiopien zu machen, ist nicht einfach. Denn das Land steht auf einem der letzten Plätze der Pressefreiheit. Teshome steigt aber nicht nur der Regierung auf den Schlips. In seinem letzten Film, "Abay vs. Vegas", ging es um ein junges, hübsches äthiopisches Mädchen, das sich einem Äthiopier mit amerikanischem Pass an den Hals wirft. Den spielte Regisseur Teshome selbst:

    "Sie war bereit, sich jemanden hinzugeben, den sie nicht kennt, einem hässlichen, glatzköpfigen Verlierer aus Amerika, der 20 Jahre älter ist als sie. Das war nicht richtig. Doch genau das geschieht heute in Äthiopien. Du bist Ausländer, und Du weißt ja nun, wie das ist, nachdem Du ein bisschen hier gelebt hast. Viele Mädchen baggern Dich an, aber nicht weil sie Dich lieben, sondern weil sie glauben, Du nimmst sie mit in Dein Heimatland."

    "Abay vs. Vegas" wurde der erfolgreichste äthiopische Film aller Zeiten. Das war anders bei "Red Mistake" - "Roter Fehler", in dem Teshome 2006 die 17 Jahre lange, kommunistische Militärdiktatur in Äthiopien thematisierte. Die traumatischen Erinnerungen an diese Zeit waren vielen Äthiopiern noch zu nah. Ein Film, den niemand sehen wollte. Auch der neuen Regierung missfiel er. Sie hatte erst ein Jahr vorher die Parlamentswahlen blutig niedergeschlagen – was Teshome am Ende von "Red Mistake" kritisiert.

    Der Durchbruch war Teshome bereits vorher gelungen. Mit "Kezkaza Welafen" – "Kalte Flamme" führte er den Äthiopiern auf der Kinoleinwand ein anderes unangenehmes Thema vor Augen. Der Film handelt von der Liebe zweier junger Studenten, die durch Aids zerstört wird. Teshome hatte durch Aids selbst einen Freund verloren.

    "Wenn Du positiv über HIV sprichst, und Liebe dazugibst, ist es unmöglich, dass die Leute nicht Deinen Film sehen wollen."

    Der 43-jährige Teshome stammt aus einer einfachen Familie in Westäthiopien. Er begann früh, Gedichte zu schreiben. Als 8-Jähriger sah er einen indischen Bollywood-Film und entwickelte eine große Leidenschaft fürs Kino. Nach der Schule schlug er sich eine Zeit lang als Fotograf durch. Ein Theaterstück seines jüngeren Bruders bewegte ihn, selbst Drehbücher zu schreiben. Sein filmisches Handwerk lernte er als Kameramann für Hochzeiten. Von dort bis nach Hollywood war es jedoch noch ein langer Weg. Weiter als die Produktion von Special Effects in Los Angeles für den Film "Triangle", geht seine Adaptierung von Hollywood jedoch nicht. Er will amharische Filme für äthiopisches Publikum machen.

    "Abgesehen von Nollywood in Nigeria, sind wir das einzige Land Afrikas, das ein Publikum besitzt, das Geld bezahlt, um ins Kino zu gehen. Das hilft uns enorm und ich bin wirklich sehr stolz darauf, dass unser Publikum ins Kino geht, um Filme auf seiner Sprache zu sehen, und nicht Filme aus Hollywood oder Bollywood."

    Teshome macht authentisches Kino in Äthiopien. Das Land war niemals kolonialisiert und besitzt seine eigene Sprache und Kultur. Teshome will landesweit moderne Kinos bauen, in denen er amharische Filme zeigt. Ein Kino besitzt er bereits. Auch will er künftig zwei Filme pro Jahr produzieren. Der erste Teil seiner Trilogie "Triangle" kommt im kommenden Juni heraus.