Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

PISA-Studie
Mittelgut, setzen!

Wie funktioniert ein elektrisches Gerät, für das es keine Gebrauchsanweisung gibt? Wie kommt man an einem Fahrautomaten ans günstigste Ticket? Wie ist die beste Sitzordnung für meine Geburtstagsgäste? Der praxisbezogene letzte Teil der PISA-Studie von 2012 lässt deutsche Schüler mittelprächtig aussehen.

Von Christiane Habermalz | 01.04.2014
    Abgefragt wurde in diesem fünften und letzten Teil der Pisa-Studie von 2012 die Fähigkeit 15-Jähriger zur Lösung von Alltagsproblemen, für die gerade mehr benötigt wird als nur die direkte Anwendung von Schulwissen. 15-Jährige aus 44 Ländern mussten eine Problemsituation verstehen und eigenständig nach Lösungen suchen. Das Ergebnis: Deutsche Schülerinnen und Schüler liegen mit ihren Leistungen zwar im oberen Mittelfeld, aber nur leicht über dem OECD-Durchschnitt. Und: In Deutschland haben vor allem die leistungsschwachen Schüler, die im unteren Drittel der Leistungsskala liegen, die größten Probleme mit komplexen Aufgaben, erläuterte OECD-Bildungsexperte Francesco Avvisati, einer der Hauptautoren der Studie.
    "Wie groß ist der Anteil der Schüler mit schwachen Leistungen im Problemlösen? Allgemein im OECD-Schnitt sind es einer von fünf, 21 Prozent der Schüler. Das heißt, solche Schüler können nicht vorausplanen und können sich nur mit Aufgaben befassen, die in vertrauten Kontexten stehen. In Deutschland und Österreich sind es knapp unter dem OECD-Schnitt. Daran zeigt sich schon eigentlich, dass Deutschland eine größere Gruppe von Schülern hat, die das Basisniveau im Problemlösen nicht erreichen."
    Für die obere Leistungsgruppe gilt: In Deutschland gehören 13 Prozent aller Schülerinnen und Schüler zu den sehr guten Problemlösern. Zum Vergleich: In Finnland und Kanada sind es über 15 Prozent, in Japan und Korea über 20 Prozent aller Schüler.
    Asien hängt alle ab
    Bemerkenswert ist, dass auch bei dieser Aufgabenstellung die asiatischen Länder wie Singapur, Japan, Korea und auch China deutlich vorne liegen. Das mag manchen hiesigen Bildungspolitiker überraschen, denn gerade das deutsche Schulsystem hielt sich bislang zugute, besonderen Wert auf das selbständige Erarbeiten von Themen und Inhalten zu legen – im Vergleich zu den eher als repetitiv gescholtenen Unterrichtsmethoden in Asien oder auch europäischen Ländern wie Frankreich, das übrigens auch besser abschnitt als Deutschland. Aber auch brasilianische, italienische und australische Jugendliche sind deutlich besser im kreativen Problemlösen. Die OECD sieht hier einen klaren Zusammenhang zur Qualität des Unterrichts.
    "Also bei Singapur ist es der Fall, dass problembasiertes Lernen ins Schulprogramm aufgenommen wird und das Problemlösen generell zum übergeordneten Ziel des Lernprogramms wird. Man hat dabei auch aufgepasst, dass Schlussprüfungen in Singapur auf die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts angepasst werden, das heißt, dass sie nicht nur die Wiederholung von gelerntem Wissen messen, sondern auch selbständiges Denken bei weniger strukturierten Aufgaben."
    Wie aber wird "kreatives Problemlösen" definiert? Laut OECD bedeutet es die Fähigkeit, komplexe Prozesse kognitiv zu verarbeiten und Problemsituationen zu verstehen und zu lösen, in denen die Lösungsmethode nicht unmittelbar auf der Hand liegt. So sollten die Jungen und Mädchen im Test etwa das Funktionieren eines elektrischen Gerätes verstehen, für das es keine Gebrauchsanweisung gibt. Oder an einem unbekannten Fahrkartenaustomaten das günstigste Ticket für eine bestimmte Strecke ziehen. Und auch Problemstellungen aus dem sozialen Kontext wurden abgefragt: Eine der Aufgaben lautete, eine Sitzordnung für eine Geburtstagsgesellschaft zu erstellen, bei der zahlreiche Sitz-Sonderwünsche erfüllt werden mussten. Also: Lernen fürs Leben, und nicht für die Schule – das wird in deutschen Schulen offenbar nicht ganz so gut vermittelt wie in manch anderen Ländern. Und noch etwas ist bemerkenswert: Fast überall – bis auf die skandinavischen Länder - sind in der Problemlöser-Spitzengruppe deutlich mehr Jungen als Mädchen vertreten. Nicht nur das ist ein Ergebnis, mit dem sich die deutsche Bildungslandschaft noch wird auseinandersetzen müssen.