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Pkw-Maut
"Es ist nicht das, was alle erwartet haben"

Das Verkehrsministerium rechnet mit 500 Millionen Euro Einnahmen aus der Pkw-Maut - das helfe nicht, um die Infrastruktur in Deutschland voranzubringen, sagte der stellvertretende Fraktionschef der SPD im Bundestag, Sören Bartol, im DLF. Die SPD werde die Maut auf ihre Wirtschaftlichkeit prüfen. Die Gebühr sei nur sinnvoll, wenn die erwarteten Einnahmen die Bürokratiekosten deutlich überstiegen.

Sören Bartol im Gespräch mit Jasper Barenberg | 30.10.2014
    Die Pkw-Maut soll nach dem Willen der CSU kommen.
    Die Pkw-Maut soll nach dem Willen der CSU kommen. (dpa / picture-alliance)
    Jasper Barenberg: So ziemlich auf den letzten Drücker hat Alexander Dobrindt gestern die Kritiker in den eigenen Reihen mit seinen Mautplänen versöhnt. Aus Sorge vor wirtschaftlichen Einbußen vor allem in den Grenzregionen war der Widerstand zum Beispiel aus Nordrhein-Westfalen, aber auch aus Rheinland-Pfalz so groß, dass der Verkehrsminister sein Konzept jetzt noch einmal in wichtigen Punkten umschmeißen musste. Die PKW-Maut auf allen Stadt-, Kreis-, Landes- und Bundesstraßen ist vom Tisch, erklärte nach einem Gespräch mit Alexander Dobrindt die CDU-Vorsitzende Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz. Dabei hat der CSU-Verkehrsminister seine Pläne noch gar nicht öffentlich vorgestellt.
    Mitgehört hat Sören Bartol, SPD-Fraktionsvize und stellvertretendes Mitglied auch im Verkehrsausschuss. Guten Tag!
    Sören Bartol: Guten Tag, Herr Barenberg.
    Barenberg: Nicht nur in der SPD galt ja dieses Mautvorhaben als so etwas wie die Quadratur des Kreises. Ist die gelungen?
    Bartol: Das kann ich Ihnen erst beantworten, wenn ich den Gesetzentwurf wirklich auf dem Tisch habe. Der geht ja heute Nachmittag in die Ressortabstimmung. Es ist klar: Es ist das Projekt der CSU im Koalitionsvertrag. Wir haben das miteinander vereinbart. Es gibt klare Punkte, die erfüllt sein müssen, und dann wird am Ende das Parlament entscheiden, ob das so ist oder ob das nicht so ist.
    Barenberg: Greifen wir mal einen heraus von diesen drei Punkten, drei Bedingungen, die es gibt. Da lautet ja eine, dass es substanzielle Einnahmen sein sollen. Nun hat der Verkehrsminister zu Beginn von 900 Millionen gesprochen, dann war von 600 Millionen die Rede, jetzt heißt es 500 Millionen und in anderen Medien ist ja auch von 300 Millionen die Rede. Sind Sie damit zufrieden? Rechtfertigt das den Aufwand?
    Es ist im Koalitionsvertrag vereinbart
    Bartol: Ob das den Aufwand rechtfertigt, ist jetzt nicht die Frage. Es steht im Koalitionsvertrag. Aber man muss schon hinterfragen, ob das, was alle gedacht haben, wirklich dabei herauskommt. Wenn ich höre, zwischen 300 und 500 Millionen, dann ist das nicht das, was uns hilft, die Infrastruktur in Deutschland voranzubringen. Vor allen Dingen ist ja auch noch die Frage, wie hoch sind am Ende die Systemkosten wirklich, die Überwachungskosten, die Bürokratiekosten. Im Konzept steht was drin von fast 200 Millionen. Das muss man natürlich dann auch wieder sehen, ob das so eintritt. Aber auch das kann man erst genau sehen, wenn man den Gesetzentwurf kennt. Es ist auf jeden Fall nicht das, was alle erwartet haben.
    Barenberg: Und heißt das für Sie, was der ADAC beispielsweise jetzt sagt, dass das wichtigste Ziel, nämlich Einnahmen für den Erhalt und den Ausbau unserer maroden Straßen zu generieren, dass man das schon mal sich abschminken kann, dass das nicht erreicht ist?
    Bartol: Es ist von Anfang an das Projekt der CSU gewesen und es gibt wesentlich wichtigere Dinge, die man tun müsste, um mehr Einnahmen für deutsche Infrastruktur zu generieren - Stichwort Ausweitung der LKW-Maut und andere Themen. Aber es ist eben im Koalitionsvertrag miteinander vereinbart, und wenn die Bedingungen erfüllt sind, dann wird diese Koalition natürlich auch die Vignette umsetzen. Aber es wird nicht unsere Probleme im Bereich der Infrastruktur lösen.
    Barenberg: Und das heißt auch, an dieser Bedingung halten Sie dann nicht fest, was substanzielle Einnahmen angeht?
    EU-Kommission muss zustimmen
    Bartol: Doch! Natürlich halten wir an der Bedingung fest. Deswegen muss man sich das natürlich genau angucken. Es ist schon ein Unterschied, ob man über 300 Millionen redet, über 500 Millionen redet, wie jetzt in dem für die Presse veröffentlichten Text drinsteht. Aber all diese Fragen kann man natürlich auch erst beantworten, wenn die Ressortabstimmung erfolgt ist, wenn der Bundesfinanzminister natürlich auch die Gegenrechnung macht, wenn man genau guckt, wie sind die Bedingungen, und dann gibt es noch ein paar andere Punkte, die man sauber abarbeiten muss.
    Für mich auch wichtig die Frage der EU-Kommission. Mir reicht es nicht, wenn ein ehemaliger Kommissar sagt, es ist der richtige Weg, sondern ich erwarte natürlich auch, dass die neue EU-Kommissarin und damit auch die neue EU-Kommission ihren Haken an dieses Konzept macht, weil es ist klar: Die Entlastung für deutsche Autofahrer darf auf keinen Fall gefährdet werden.
    Barenberg: Sehen Sie da denn überhaupt einen Weg, diesen Widerspruch zu lösen, auf der einen Seite die deutschen Autofahrer über die Kfz-Steuer wieder zu entlasten, auf der anderen Seite nur die ausländischen KFZ-Fahrer zu belasten?
    Bartol: Gut. Bundesverkehrsminister Dobrindt hat jetzt einen Entwurf vorgelegt. Aus seiner Sicht erfüllt dieser Entwurf die Bedingungen des Koalitionsvertrages. Wir werden das genau prüfen, wir werden uns das genau angucken, und wenn ihm das gelungen ist, wird diese Vignette so kommen. Wenn nicht, denke ich, wird es im Parlament noch die eine oder andere Debatte geben, aber das kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt natürlich noch nicht beantworten.
    Barenberg: Können Sie denn nachvollziehen, Herr Bartol, was offenbar auch Teil des Konzepts ist, nämlich dass es für die inländischen Autofahrer grundsätzlich eine Mautpflicht auf Bundesstraßen gibt, oder wie heißt genau der Fachausdruck? Jedenfalls am Ende kommt heraus, sie wird für Autobahnen erhoben, aber nicht für Bundesstraßen. Können Sie das nachvollziehen, finden Sie das eine gute Idee?
    Bartol: Ich kann das theoretisch nachvollziehen, aber auch dort kommt es wirklich auf die Details an. Natürlich muss man versuchen, das Ganze systematisch zu trennen. Deswegen ja auch nur die Autobahnbenutzungsgebühr für diejenigen, die aus dem Ausland hier reinfahren. Das ist natürlich auch die Sache der Frage der EU-Konformität. Es gibt da ein Gutachten im Auftrage des Ministeriums. Nur ich sage Ihnen auch, ein 70 Seiten Gutachten von einem Gutachter reicht natürlich auch nicht aus. Da muss dann wirklich ein Haken dran und das sind natürlich die Fragen, ob das wirklich zulässig ist oder ob das nicht zulässig ist. Und vor allen Dingen ist natürlich auch immer die Frage, wie wird das eigentlich bürokratisch umgesetzt.
    Barenberg: Und können wir als Autofahrer denn davon ausgehen, wenn die Mautpflicht einmal im Gesetz steht, dass dann auch irgendwann diese Karte gezogen wird?
    Bartol: Welche Karte?
    Barenberg: ..., dass wir am Ende wirklich eine Zahlungspflicht haben, beispielsweise für die Benutzung von Bundesstraßen.
    Man kann die Kompensation irgendwann auch abbauen
    Bartol: Na ja. Wenn die Bedingungen des Koalitionsvertrages erfüllt sind, dann wird diese E-Vignette kommen, und damit bekommen die deutschen Autofahrer eine Jahresvignette zugestellt, und damit haben wir in Deutschland eine Nutzerfinanzierung für Autofahrer.
    Barenberg: Dann kann man natürlich irgendwann mal die Kompensation über die Kfz-Steuer jederzeit auch wieder revidieren?
    Bartol: Diese Koalition hat sich da klar vereinbart. Aber natürlich: Wenn Sie so ein System erst mal eingeführt haben, dann sind Sie natürlich in jeder Variabel in der Lage, Dinge zu ändern. Sie können erhöhen, Sie können Kompensationen abbauen, natürlich. Es ist ein neues Finanzierungsinstrument.
    Barenberg: ..., sagt Sören Bartol, der SPD-Fraktionsvize und stellvertretendes Mitglied im Verkehrsausschuss, heute hier live in den „Informationen am Mittag". Danke für das Gespräch, Herr Bartol.
    Bartol: Ja! Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.