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Pläne für Anti-Terror-Gruppe
"Wir brauchen keine Extra-Einheit"

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, ist gegen den Aufbau einer neuen Anti-Terror-Einheit. Es gebe mit der GSG 9 und den Spezialeinsatzkommandos bereits Kräfte für besondere Einsätze, sagte er im DLF. Bei einer zentralen Extra-Einheit sieht er besonders eine Gefahr.

Oliver Malchow im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 21.03.2015
    Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow.
    Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow. (Imago / Horst Galuschka)
    Das föderale System der Länderpolizeien sei zwar hinderlich bei der Aufgabenbewältigung über Ländergrenzen hinweg, so Malchow. "Aber das kennen wir, das funktioniert." Deshalb bedürfe es keiner Überlegungen zu einer zentralen Einheit, denn die würde laut dem GdP-Vorsitzenden "immer zu spät zum Einsatz kommen". Stattdessen müsse es mehr Geld und eine bessere Ausstattung geben.

    Das Interview in voller Länge:
    Jürgen Zurheide: Bundesinnenminister Thomas de Maizière will aufrüsten. Er will die Polizei aufrüsten, oder genau genommen: Er sagt, ich muss eine Lücke schließen. Auf der einen Seite gibt es die GSG 9, also diese super Eingreiftruppe, und auf der anderen Seite gibt es die normalen Polizeieinheiten.
    Er möchte etwas dazwischensetzen, weil er davon ausgeht, dass die terroristischen Bedrohungen so stark geworden sind, dass da eine Lücke entstanden sei.
    Über dieses Thema wollen wir reden mit Oliver Malchow, dem Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei. Zunächst einmal guten Morgen, Herr Malchow!
    Oliver Malchow: Schönen guten Morgen!
    "Wir haben Spezialkräfte"
    Zurheide: Herr Malchow, Sie sind einigermaßen skeptisch. Warum sind Sie skeptisch und warum glauben Sie, dass wir so eine neue Truppe nicht brauchen?
    Malchow: Zunächst ist es richtig, was die Bewertung anbelangt, wir brauchen mehr Geld und Ausstattung. Das ist ja das, worum es eigentlich geht, nämlich 2016 und 17 im Bundeshaushalt mehr Geld für die Polizei oder die Sicherheitsbehörde auf Bundesebene einzuplanen.
    Ob wir für den Kampf des Terrors eine neue Einheit benötigen, das sehe ich allerdings skeptisch. Wir haben Spezialeinsatzkräfte, nämlich die GSG 9 bei der Bundespolizei, wir haben Bereitschaftspolizeien beim Bund, also bei der Bundespolizei, die könnten mit diesen Aufgaben betraut werden. Teilweise haben sie ja auch, die GSG 9 bekämpft ja auch Terroristen. Die Frage ist nur, ob sie im Moment die richtigen Einsatzmittel haben oder da eine Ergänzung notwendig ist beziehungsweise ob sie auch ausreichend geschützt sind.
    Insofern ist die Überlegung, mehr Geld einzustellen, genau die richtige, aber wir brauchen nicht dafür eine Extra-Einheit, die haben wir.
    Zurheide: Fangen wir mal mit der Bedrohungslage ... Die Argumentation lautet ja, es gibt da eine neue Bedrohung, Terroristen gehen möglicherweise mit anderen Waffen vor, als das in der Vergangenheit bei anderer Kriminalität der Fall gewesen ist. Ist die Bedrohungsdiskussion und das Bedrohungsszenario erst mal richtig erkannt und richtig beschrieben?
    Malchow: Das ist auf jeden Fall richtig beschrieben, allerdings nicht erst seit Paris oder Kopenhagen, diesen schlimmen Anschlägen, sondern diese Vorgehensweise befürchtet man schon seit Längerem.
    Das trainieren übrigens die Spezialeinheiten in Deutschland auch, und da geht es nicht nur um die GSG 9, sondern insbesondere um die Spezialeinheiten, SEKs, die bei den Länderpolizeien sind, denn die sind es, die in erster Linie die Terrorbekämpfung zu erledigen haben.
    Zurheide: Schildern Sie uns vor allen Dingen die Zusammenarbeit! Die Bundeseinheiten wie die GSG 9 werden – auf Befehl natürlich der Bundespolizei – eingesetzt, dazwischen ist aber eigentlich die Länderaufgabe, die die Polizei machen müsste. Was muss da besser koordiniert werden?
    Malchow: Von den Aufgaben her ist es so, dass zunächst die Länderpolizeien verantwortlich sind, auch bei Terrorakten. Da wird es Ermittlungsarbeiten geben, wo dann die Zuständigkeit beim Bundeskriminalamt ist, aber die Bundespolizei hat da noch keine originäre, also in erster Instanz Zuständigkeit, sondern das ist Aufgabe der Länderpolizei.
    Deswegen sind die Überlegungen, die der Bundesminister getroffen hat, auch Überlegung, die sich die Landesinnenminister machen müssen. Denn sie sind in erster Linie verantwortlich, um bei Terrorakten auch die richtigen Maßnahmen durchführen zu können und Kolleginnen und Kollegen geschützt in diese Einsätze zu bringen.
    Erst wenn die Länderpolizeien nicht ausreichend Personal haben oder aber die Lage sich so lange hinzieht, dass man durch Personalwechsel frische Kräfte in den Einsatz bringen muss, dann kann man die Bundespolizei anfordern, zum Beispiel die GSG 9, die dann auch unterstützend mit eingreift. Aber die Bundespolizei hat nur eine originäre Zuständigkeit bei Terrorakten auf deutsche Einrichtungen im Ausland.
    "Zuständigkeit muss in den Länderpolizeien bleiben"
    Zurheide: Damit sind wir jetzt bei der spannenden Frage, die Sie gerade angesprochen haben: Tun die Länder genug und ist der Föderalismus in dem Fall die richtige Form, mit einer Bedrohungslage umzugehen, die möglicherweise national ausgerüstet ist? Oder landen wir dann am Ende bei einer Art FBI, was wir vielleicht alle nicht wollen?
    Malchow: Der Föderalismus, was die Polizei anbelangt, ist richtig, weil Polizei ein Machtapparat ist, und ein Machtapparat muss kontrolliert werden und das geht gut, indem es eine Länderzuständigkeit gibt. Das hindert natürlich teilweise oder erschwert natürlich die Aufgabenerledigung, wenn Sie grenzübergreifend, also über die Landesgrenzen gehende Einsätze haben. Weil so eine Terrorlage ja auch mobil sein kann. Das bedeutet große Koordination untereinander, aber das kennen wir. Das ist ja nichts Neues, das wird auch trainiert und dann gibt es Zuständigkeiten und das funktioniert auch.
    Insofern bedarf es nicht der Überlegung, ob es einer zentralen Einheit bedarf, weil, das muss man ja auch sagen, wenn man nur eine Einheit in Deutschland zentral stationiert haben würde, würde sie eigentlich fast immer zu spät in den Einsatz gebracht werden können, um eine akute Terrorlage bekämpfen zu können. Das muss in den Länderpolizeien bleiben, das ist richtig. Und unsere Gesetzesregelungen sind auch so, dass das Aufgabe der Länder ist.
    "Wir brauchen mehr Geld für eine bessere Schutzausstattung"
    Zurheide: Nur, die Länder, wissen wir auch alle, kämpfen mit der Schuldenbremse. Darüber hinaus, jeder Innenminister muss permanent mit dem Finanzminister ringen. Gibt es da genügend Mittel? Sie klagen ja häufig genug darüber, dass es die eben nicht gibt. Jetzt ist natürlich die Frage, ob man die Lücke dadurch schließt, dass der Bund da irgendetwas tut. Was verlangen Sie und was muss da passieren?
    Malchow: Es ist richtig, dass der Bund etwas tut, weil er ja auch unterstützend eingreifen muss. Insofern ist die Maßnahme des Bundesinnenministers, nämlich Geld in den Haushalt für 2016, 2017 zusätzlich einzufordern, genau richtig, weil auch er Personalprobleme hat, um diese Aufgabe lösen zu können.
    Aber es bleibt in erster Linie Aufgabe auch der Länder, diesen Schritt zu gehen. Und die Schuldenbremse, die Diskussion kennen wir, darüber sind auch all die Sparmaßnahmen der letzten Jahre und der zukünftigen Jahre diskutiert worden, ist aus meiner Sicht eine Diskussion, wo ich sage: Die innere Sicherheit ist Kernaufgabe des Staates.
    Das heißt, der Staat hat mit den Steuermitteln, die zur Verfügung stehen, zunächst einmal diese Kernaufgabe zu bedienen, nämlich für innere Sicherheit zu sorgen. Und das ist eine Frage von Schwerpunktsetzung. Und die erfolgt nicht, das ist leider das Hauptproblem. Geld wäre genügend da, es muss nur der richtige politische Schwerpunkt gesetzt werden.
    Zurheide: Wenn ich mir jetzt die Reaktionen anschaue, die vor allen Dingen aus der Bundespolitik zu dem Vorschlag von de Maizière kommen, dann hat er zumindest in Reihen der Großen Koalition erhebliche Zustimmung. Haben die da alle irgendwas nicht verstanden? Wenn ich Ihnen zuhöre, habe ich den Eindruck, da gibt es noch viel Gesprächsbedarf!
    Malchow: Es gibt natürlich Gesprächsbedarf. Aber ich möchte das noch mal wiederholen: Sein Vorschlag, Geld einzufordern für eine bessere Schutzausstattung seiner Polizeidienststellen, also der Bundespolizei, des BKAs und auch des Bundesamtes für Verfassungsschutz, ist richtig. Weil auch die Aufgaben, die er zu erledigen hat, defizitär sind. Insofern ist das genau der richtige Weg. Insofern unterstützen wir ihn auch. Nur sagen wir, wir brauchen keine neue Einheit. Weil Einheiten auch auf Bundesebene bestehen.
    Den Weg, den er geht, den müssen nur auch all die anderen Länderinnenminister gehen, also mehr Geld einfordern, damit auch dort eine bessere Schutzausstattung und Einsatzfähigkeit und natürlich auch ausreichend Personal zur Terrorbekämpfung besteht.
    Zurheide: Das war Oliver Malchow, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, mit einem klaren Plädoyer, Nein zu einer neuen Truppe, aber Ja zu mehr Geld. Herr Malchow, ich bedanke mich heute Morgen für das Gespräch, danke schön!
    Malchow: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.