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Plagiate
Ärzte müssen um "Dr." bangen

Der Plagiats-Blog VroniPlag hat mehrere medizinische Doktorarbeiten unter die Lupe genommen. Besonders an der Universität Münster wurden die Plagiatsjäger fündig. Schon länger gibt es den Verdacht, dass viele angehende Ärzte ihre Dissertationen nicht besonders sorgfältig anfertigen.

Von Dirk Biernoth | 09.05.2014
    Eine Ärztin läuf allein einen Flur einer Krankenstation in einem Berliner Krankenhaus entlang.
    Mediziner schreiben ihrer Doktorarbeit meist schon während des Studiums. Einige sind dabei nachlässig und lassen sich zu sehr von andren inspirieren. (dpa / picture alliance / Hans Wiedl)
    Die medizinische Fakultät in Münster ist geschockt. Mit diesem Ausmaß an mutmaßlichen Plagiaten hätte hier niemand gerechnet. Der Dekan der Fakultät, Professor Wilhelm Schmitz, ist deshalb auch ein wenig ratlos.
    "Ich kann es mir nicht erklären. Ich habe keine logische Begründung dafür. Am Dienstag den 13. tagt der Fachbereichsrat der Fakultät. Und der wird eine Untersuchungskommission einrichten mit unbefangenen Leuten und zusätzlichen Externen."
    Damit kommt auf das Dekanat eine Menge zusätzlicher Arbeit zu. Alle von VroniPlag beanstandeten Doktorarbeiten müssen überprüft werden. Sollten die Vorwürfe zutreffen, werde man den betroffenen Ärzten ihre Doktortitel aberkennen, sagt Dekan Schmitz. Damit könnte der Universität Münster auch eine Klagewelle drohen. Denn bisher haben die wenigsten ehemaligen Doktoren so eine Aberkennung widerstandslos hingenommen. Die Untersuchungskommission soll aber auch klären, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass die Doktorväter die Plagiate nicht erkannt haben.
    "Wir werden uns dann in diesem Falle die Betreuer anschauen in einer Kommissionsuntersuchung wissenschaftlichen Fehlverhaltens in der Gesamtuni. Und schauen, ob es da irgendwelche Pflichtverletzungen gibt."
    Bei VroniPlag sieht man es bisher noch als Zufall an, dass nun gerade die Universität Münster im Blickpunkt der eigenen Arbeit steht. Auch an medizinischen Lehrstühlen anderer Unis habe man bis zu vier Plagiate gefunden, sagt Professor Gerhard Dannemann, der als einziger namentlich für VroniPlag spricht. Und noch habe man längst nicht alle Doktorarbeiten untersucht. So sieht es auch der Dekan der medizinischen Fakultät in Essen, Professor Jan Buer. Er will nicht ausschließen, dass die Plagiatsjäger auch an seiner Fakultät fündig werden.
    "In der Medizin haben wir besonders viele Promotionen. Also, in Essen haben wir so um die 170 Promotionen jedes Jahr. Da ist natürlich immer die Gefahr gegeben, dass hier auch Fehler entstehen."
    Teilweise seien die Betreuer der Doktoranden überlastet, erzählt Buer, deshalb müssten sich die Rahmenbedingungen verbessern.
    Forderung nach mehr Geld vom Staat für Betreuung der Promovierenden
    "Die Betreuung der medizinischen Doktorarbeit ist häufig etwas, was in der Freizeit in der Medizin gemacht wird. Und die Belastungen an unseren Universitätskliniken werden immer größer. Die Finanzsituation ist extrem angespannt. Und in diesen Rahmenbedingungen müssen die Medizinstudenten promovieren, müssen gut betreut werden. Und diese Betreuer müssen auch dieser Verpflichtung nachkommen können."
    Professor Buer sieht hier auch die Politik in der Pflicht, finanzielle Mittel bereit zu stellen, damit die Doktorväter mehr Zeit haben, um sich um ihre Doktoranden zu kümmern.
    Die Universität Münster weist daraufhin, das von VroniPlag bisher nur Doktorarbeiten aus der Zeit vor dem Jahr 2011 beanstandet wurden. Nach dem Fall "zu Guttenberg" hatte die Uni damals ihre Promotionsordnung geändert. Seitdem müssen alle Doktoranden ihre Promotion auch in elektronischer Form abgeben, sodass eine Software mögliche Plagiate finden kann.
    Um Plagiaten von vornherein vorzubeugen, gebe es an der Universität Essen schon seit längerem ein Stipendienprogramm der Else-Körner-Fresenius-Stiftung, erzählt Professor Buer. Damit sollen die Medizinstudenten noch besser vorbereitet werden. Denn anders als bei den Geistes- oder Naturwissenschaften müssen angehende Ärzte die Doktorarbeit meist noch während ihres Studiums und nicht erst danach anfertigen.
    "Wir versuchen die Studenten und auch die Betreuer von Doktorarbeiten zu schulen, auf diese Problematik hinzuweisen, gute wissenschaftliche Praxis denen beizubringen - aktiv. Das ist in der Vergangenheit in der Medizin sicherlich nicht üblich geworden. Und auch andere Standorte werden natürlich solche Wege gehen."
    Tatsächlich hat vor wenigen Tagen auch die medizinische Fakultät in Münster ein strukturiertes Promotionsprogramm eingerichtet, in dem angehenden Ärzten wissenschaftliches Arbeiten beigebracht werden soll. Dieses Mediziner-Kolleg sei schon länger in Planung gewesen und unabhängig von den gerade auf VroniPlag erhobenen Vorwürfen eingerichtet worden, sagt Dekan Schmitz. Für die Ärzte, deren Doktortitel jetzt möglicherweise auf dem Spiel stehen, kommt dies allerdings zu spät.