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Plagiatejagd im Internet

Immer häufiger geben Studenten Arbeiten ab, die sie nicht selbst geschrieben haben. Auch Martin Gutbrod stolperte an der Technischen Universität (TU) Braunschweig bei der Korrektur von Hausarbeiten über Textstellen, die offensichtlich aus dem Internet kopiert worden waren. Das brachte ihn auf die Idee, die Suche nach den entsprechenden Textpassagen im Netz von einer Software erledigen zu lassen. Nach gut zwei Jahren Entwicklungsarbeit ist das Programm inzwischen einsatzreif.

Von Ulrich Kurzer | 25.07.2006
    Zaubern kann auch Docoloc nicht, dämpft Martin Gutbrod übertriebene Hoffnungen. Er hat diese Software an der TU Braunschweig entwickelt. Sie macht es den Lehrenden künftig etwas einfacher, denjenigen Studierenden auf die Schliche zu kommen, die in ihren Seminararbeiten fremde Texte aus dem Internet ohne Quellenangabe zusammenkopiert haben. Denn im Gegensatz zu anderen Plagiat-Suchprogrammen, muss Docoloc nicht auf dem Rechner installiert werden, sagt Martin Gutbrod:

    "Das Besondere an Docoloc ist, dass es über das Internet nutzbar ist, eine ganz einfache Web-Schnittstelle besitzt. Dann hat es einen großen Vorteil gegenüber den andern, eine andere Software, die in den USA und im angelsächsischen Bereich sehr beliebt ist, nämlich, dass Docoloc auch mit europäischen Zeichensätzen umgehen kann, was diese anderen Softwaretools nicht können. Und es ist von der Bedienung her sehr, sehr einfach im Vergleich zu anderen Werkzeugen, also wir haben so gut wie keine Anfragen über die Bedienung, wie es funktioniert. Es ist einfach sehr selbsterklärend."

    Wenn Lehrende also künftig wissen wollen, ob sich in einem eingereichten Referat Textstellen befinden, die aus dem Internet kopiert sein könnten, dann müssen sie sich nur an den PC setzen, und die entsprechende Datei mit Docoloc prüfen lassen. Umsonst ist das natürlich nicht, eine Lizenz für fünf Benutzer kostet 17 Euro im Monat.

    "Ja also, ich gebe oben www.docoloc.de ein, geh auf die Webseite, bekomm dann gleich die Webseite, wo ich die Prüfaufträge starten kann, wähle ein Dokument aus, klicke hier an, sage Plagiatprüfung starten, und das war es!"

    Über das Ergebnis kommt ein Protokoll per E-Mail.

    "Die Stellen, die vermeintlich abgeschrieben sind, sind wie mit einem Leuchtstift gelb markiert, man kann mit der Maus draufklicken und bekommt die vermeintlichen Internetadressen, von denen abgeschrieben wurde."

    Um sicher zu gehen, ob das geprüfte Referat zu großen Teilen tatsächlich abgeschrieben ist, müssen die Lehrenden nun aber immer noch die Internetseiten aus dem Protokoll mit dem Referat abgleichen. Denn das kann ihnen bis jetzt noch keine Software abnehmen.

    Maria Rhode ist Historikerin und Mitglied der Studienkommission der Philosophischen Fakultät an der Uni Göttingen. Sie kennt Docoloc bisher nur vom Hörensagen und will sich die Software nun näher anschauen. Wenn das Programm wirklich zuverlässig die Stellen erkennt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aus fremden Texten zusammengeklaut wurden, dann wäre das schon eine große Erleichterung, sagt sie:

    "Das wäre nicht das letzte, die letzte Instanz, aber es wäre auf jeden Fall ein Hilfsmittel, mit dem man den Eindruck, den man hat beim Lesen der Arbeit, objektivieren könnte, wenn man wüsste, es sind so und so viele Teile tatsächlich direkt übernommen worden."

    Auch an der Fakultät von Maria Rhode haben die Lehrenden festgestellt, dass die Studierenden zunehmend Seminararbeiten abliefern, bei denen es sich zu großen Teilen um Plagiate handelt. In der Studienkommission wurde deshalb geprüft, was rechtlich überhaupt möglich ist, um diesem Problem zu begegnen.

    "Das Ergebnis war, dass nach dem momentanen Stand wir gar keine rechtliche Handhabe haben. Selbst wenn wir feststellen, dass jemand zu 90 Prozent aus den üblichen Quellen Google, Wikipedia oder was auch immer wirklich wortwörtlich abgeschrieben hat."

    Die Berliner Informatikerin Debora Weber-Wulff hat sich in Deutschland bereits einen Namen als Plagiatsjägerin gemacht. Da nach der Föderalismusreform eine bundesweit einheitlich geltende Regelung in weite Ferne gerückt ist, sagt sie, die Hochschulen sollten ganz einfach Studien- und Prüfungsordnungen ändern. Darauf sind die Göttinger Historiker auch schon gekommen berichtet Maria Rhode. Wer dort eine Examensarbeit abgibt, muss bisher bereits, wie übrigens an allen Hochschulen schriftlich erklären, die Arbeit selbstständig geschrieben und alle Quellen benannt zu haben.

    "Das hatten wir bisher in den Seminararbeiten nicht, sind auf der Ebene des Seminars dazu übergegangen, genau diese Erklärung auch von den Studierenden in den Hausarbeiten zu verlangen."

    Und was halten Studierende in Göttingen davon, dass die Lehrenden mit der neuen Software Plagiate künftig besser als bisher aufspüren können?

    "Ich denke, dass es auf jeden Fall abschreckend wirkt."

    "Also dann ist mir das Risiko zu groß, dass mir dann nichts angerechnet wird, und vielleicht auch noch größere Sanktionen, was irgendwie noch Folgen hat."

    "Mich würde es, glaube ich, nicht davon abhalten, ich würde höchstens noch vorsichtiger sein."