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Planetologie
Junge Vulkane auf dem Mond

Der Mond ist ein toter Brocken. Das zeigen die Bilder des Apolloprogramms: keine Atmosphäre und nichts als Staub und Felsen. Zumindest geologisch gesehen scheint der Mond aber bis in jüngste Vergangenheit aktiv gewesen zu sein. Vulkane spuckten noch vor kurzem Lava aus, behauptet eine aktuelle Studie.

Von Karl Urban | 28.10.2014
    1971 steckte der Astronaut David Scott ein Thermometer in den Mondstaub – und maß erstmals die Temperatur des Erdtrabanten. Das Ergebnis war überraschend, erklärt Carolyn van der Bogert vom Institut für Planetologie der Universität Münster.
    "Die Ergebnisse von Apollo haben gezeigt, dass aus dem Mond mehr Hitze emporsteigt, als unsere Modelle erwarten ließen."
    Nach der bis heute gängigen Lehrmeinung ist der Mond ein Brocken aus erkaltetem Gestein und der letzte Vulkanausbruch darauf eine Milliarde Jahre her. Weil die Messungen der Apollo-Astronauten für einen warmen Untergrund sprachen, wurden sie seinerzeit als Messfehler abgetan. Doch nun fanden die Münsteraner Forscher gemeinsam mit US-Kollegen Hinweise, die in eine ähnliche Richtung deuten: Auf neuen Mondaufnahmen entdeckten sie etliche verdächtige Flecken– vielleicht die Hinterlassenschaften junger Vulkane.
    "Die größte dieser vulkanischen Strukturen wurde schon vor Jahrzehnten entdeckt. Sie galt seitdem als eine Ausnahme – also kein weit verbreitetes Phänomen. Erst vor fünf Jahren begann die NASA-Sonde Lunar Reconnaissance Orbiter, den Mond mit einer sehr hohen Auflösung zu kartieren. Und dabei fanden wir über 70 weitere dieser Strukturen."
    Diese Lavafelder sind oft nur wenige hundert Meter groß – und stachen den Forschern dennoch ins Auge. Denn sie wirken geradezu unberührt – verglichen mit der sonst von Kratern zerfurchten Oberfläche des Mondes.
    "Es sieht aus wie abperlendes Wasser auf dem Lack eines Autos. Es ist eine Oberfläche, aus der heraus die Lava Blasen schlägt."
    Um das Alter dieser Lava genauer zu bestimmen, zählten die Planetologen die wenigen Krater, die sie darauf fanden. Die ermittelte Zahl verglichen sie dann mit der bekannten Einschlagsgeschichte des Mondes.
    "Nur drei der Strukturen hatten überhaupt genügend Krater für eine gute Statistik. Diese Krater sind jünger als 100 Millionen Jahre, teilweise sogar unter 50 Millionen Jahre alt."
    Selbst in der jungen geologischen Vergangenheit muss auf dem Mond also Lava geflossen sein. Matthieu Laneuville an der Technischen Hochschule Tokio ist von dem Ergebnis überrascht. Er arbeitet an Modellen, um die Entwicklung des Mondes zu verstehen.
    "Die großen Mare füllten sich vor gut 4,2 Milliarden Jahren mit Lava. Bisher dachten wir: Die Aktivität sei bis vor einer Milliarde Jahre gänzlich abgeebbt. Schon bis dahin ist das ja eine ziemlich lange vulkanisch aktive Phase."
    Das Mondinnere scheint reicher an Wasser zu sein, als bisher gedacht
    Die theoretischen Modelle konnten also lang anhaltende Eruptionen auf dem Mond schon bisher kaum erklären. Die Ergebnisse der aktuellen Studie hält Laneuville methodisch trotzdem für überzeugend.
    "Das Alter dieser Strukturen ist durch die Methode der Kraterzählung nicht sonderlich genau bestimmt. Aber selbst wenn sie 200 oder 300 Millionen Jahre alt wären: Noch immer wäre das ein klarer Hinweis auf sehr junge vulkanische Aktivität auf dem Mond."
    Woher die zusätzliche Hitze stammen könnte, zeigen andere neue Analysen: Das Mondinnere scheint reicher an Wasser zu sein, als bisher gedacht. Und Wasser verändert die Eigenschaften des Mondinneren. Es lässt das Gestein schon bei niedrigeren Temperaturen flüssig werden. Beide neuen Erkenntnisse zusammen genommen, sind für Matthieu Laneuville Anlass genug, unser Bild vom Erdtrabanten zu überdenken.
    "Der Mond gilt also längst nicht mehr als trocken und vulkanisch tot. Vielleicht ist er in seinem Innern feucht und dadurch bis heute vulkanisch aktiv."