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Plasberg will Quote machen

Moderator Frank Plasberg betrachtet den ARD-Termin für seine Sendung "hart aber fair" als "Kampfsendeplatz". Vor der Premiere um 21.45 Uhr gab er sich dennoch optimistisch, das im WDR erfolgreiche Format durchzusetzen. "Qualität und Quote schließen sich nicht aus", sagte er.

Moderation: Stefan Heinlein | 24.10.2007
    Stefan Heinlein: "Hart aber fair" soll ab heute im Ersten gefragt werden. Die Sendung war sechs Jahre lang ein Markenzeichen des WDR, ein vielfach preisgekröntes Fernsehformat mit konstant guten Einschaltquoten. Aus der Nische im Dritten nun also der Sprung auf die große Bühne im Ersten. Ansonsten ändert sich wenig. Treu dem selbst gewählten Motto "Politik trifft Wirklichkeit" sollen neben bundespolitischer Prominenz weiter Bürger und Experten zu Wort kommen, das ganze garniert mit bewusst frechen Einspielfilmchen. Gastgeber ist und bleibt der Moderator Frank Plasberg, den ich vor dieser Sendung gefragt habe, warum die ARD eigentlich einen weiteren Polit-Talk braucht.

    Frank Plasberg: Weil wir anders sind, sagen uns jedenfalls die Zuschauer, seit es uns gibt. Außerdem ist es ja nicht so, als wenn irgendwo was dazu kommt. Uns hat es bundesweit schon immer gegeben, allerdings auf einem anderen Verbreitungsweg. Aber wenn sie zweieinhalb Millionen Zuschauer in der Spitze haben und auch so die öffentliche Wahrnehmung, die wir genießen durften, dann ist die Änderung des Verbreitungsweges eigentlich egal.

    Heinlein: Sie sind anders, sagen Sie, aber wird im öffentlich-rechtlichen nicht schon genug geredet? Anne Will am Sonntag, Maybrit Illner am Donnerstag, hinzu kommen Kerner, Maischberger, Beckmann und andere. Wer soll da denn noch zuhören?

    Plasberg: Die, die für die Quote sorgen und uns zum Beispiel im WDR-Fernsehen mit, ich sagte es eben schon, über zwei Millionen gesehen haben, im Marktanteil 12,5 Prozent, das sind 5 Prozent über dem Senderschnitt. Das ist ein außergewöhnlich hohes Interesse, und ich empfinde es immer ein kleines bisschen als Beleidigung des Publikums solcher Sendungen, wenn von Journalisten wie jetzt auch von Ihnen so getan wird, als wenn das Leute wären, die sonst nichts Besseres zu tun hätten. Das sind Menschen, die sich gegen einen Spielfilm, die sich gegen eine Fun-Show, gegen einen Erziehungsratgeber bei RTL entscheiden und sagen, ich gucke mir eine Diskussion an, bei der ich vielleicht auch noch etwas lerne. Ich muss Ihnen sagen, vor diesen Zuschauern, die in großen Teilen auch, wie ich weiß aus vielen Briefen, Deutschlandfunk-Hörer sind, habe ich großen Respekt.

    Heinlein: Andere Titel, aber es sind doch die identischen Themen. Was ist Ihnen denn wichtiger, Qualität oder Quote?

    Plasberg: "Hart aber fair" gehörte im WDR-Fernsehen um 20.15 Uhr zu den, nein, es war der Quotenbringer überhaupt über 90 Minuten in der Woche, der wesentlich zum Erfolg des WDR-Fernsehens beigetragen hat, trotz sperriger Themen. Das heißt, Qualität und Quote schließen sich nicht aus. Ich bin manchmal selbst auch erstaunt, was wir so an Themen machen, dass dann Leute, die nach Hause kommen nach einem anstrengenden Arbeitstag, sagen nein, ich gehe nicht in die Unterhaltung, sondern ich gucke mir das an.

    Heinlein: Dennoch hätten Sie es einfacher gehabt, wenn Sie den Sonntagabend von Sabine Christiansen geerbt hätten.

    Plasberg: Da sagen Sie was!

    Heinlein: Haben Sie das schon verschmerzt?

    Plasberg: Verschmerzt schon. Ich gönne es ja Anne Will, weil ich ja Schriftführer in ihrem Fan-Club bin, und finde das auch klasse. Aber ich wäre sehr, sehr gerne auf den Sonntag gegangen, weil ich es einmal im Leben bequem haben wollte. Mir machen kontroverse Interviews, Sie merken es ja auch gerade, Spaß, auch auf der anderen Seite, aber ich hätte gerne am Sonntagabend acht Millionen Zuschauer im "Tatort" als Vorlauf gehabt und kein Fußball dagegen und hätte von diesen acht Millionen gerne vier davon abgehalten, ins Bett zu gehen. Stattdessen sind wir jetzt auf einem Kampfsendeplatz gelandet, bis Weihnachten nur zwei Mittwoche ohne Fußball. "Stern-TV" ist ein attraktives Gegenprogramm. Aber: Wir werden das schon machen!

    Heinlein: Stichwort Intendanten, Herr Plasberg. Müssen Sie künftig fairer sein und weniger hart fragen, weil jetzt alle ARD-Intendanten und Chefredakteure Ihnen zuhören?

    Plasberg: Ich möchte immer fair sein, und wenn sich das noch steigern lässt, dann gerne auch in der ARD, weil: Fair heißt ja nicht sanft. Fairness heißt für mich vor allen Dingen Raum zu geben für Menschen, die sich harte Fragen und auch Einspielfilme, Fakten gefallen lassen müssen, sich in einer ordentlichen Zeit zu äußern. Das wird unsere Aufgabe sein, redaktionell wie auch von mir als Moderator, in der gekürzten Form von 75 Minuten diesen Raum zu geben.

    Heinlein: Hätten Sie wie Ihr Kollege Johannes B. Kerner Eva Herman auch aus dem Studio herausgeschmissen, oder hätten Sie sie weiter befragt?

    Plasberg: Dazu müsste ich die Sendung ganz gesehen haben.

    Heinlein: Haben Sie nicht?

    Plasberg: Mich hat sogar ein Kollege angerufen und gesagt, du musst heute Abend Kerner gucken. Das lief ja schon vorher in "Spiegel online". Dann habe ich einen Fehler gemacht. Stoiber hätte gesagt, ich habe mir ein Glas Kölsch aufgemacht. Das habe ich aber wirklich gemacht, habe mich aufs Sofa gelegt, habe auch mit Interesse die erste halbe Stunde gesehen. Dazu könnte ich Ihnen was sagen. Dann bin ich leider eingenickt, wie das bei Männern, die 50 geworden sind, schon mal passiert, und werde dann wieder wach, als die Nachrichten liefen, und habe mich richtig geärgert. Ich habe es nicht gesehen. Deswegen mein Prinzip ist "äußer dich nur - du redest schon genug - zu Sachen, von denen du was verstehst und die du wirklich gesehen hast".

    Heinlein: Aber Sie haben bestimmt darüber gehört. Ein Eklat sorgt für Quote. Das wissen wir alle. Gehört Konfrontation und Provokation zum Handwerkszeug eines guten Fernsehmoderators, der Schlagzeilen und eben auch Zuschauer haben will?

    Plasberg: Eklats zu produzieren, das ist auch eine Unterstellung. Die müsste man Herrn Kerner dann beweisen. Eklats zu produzieren, gehört nicht zu den Aufgaben eines Fernsehmoderators, aber eine spannende Sendung schon in der Planung herzustellen, finde ich, gehört zu den Aufgaben eines Fernsehmoderators, der von Gebühren bezahlt wird. Ich empfinde meine Aufgabe tatsächlich darin, auch Quote zu machen, um das mal deutlich zu sagen, wenn ich eine Sendung mache.

    Heinlein: Herr Plasberg, Sabine Christiansen war Teil der Hauptstadt-Society, enge auch private Kontakte zu vielen Mächtigen aus Politik und Wirtschaft. Freuen Sie sich persönlich auch schon auf die vielen Einladungen zu Gala-Dinners und zu den Häppchen auf den Empfängen?

    Plasberg: Ich muss Sie enttäuschen. Die gab es schon immer, weil diese Sendung ja nicht neu ist. Aber ernsthaft geantwortet gehe ich auch gerne zu Partys. Ich ratsche auch gerne mit Leuten, und ich möchte mir gar nicht dabei zugucken, wie das zu intim wird. Ich möchte nicht zu viel wissen über die Gäste, die in die Sendung kommen. Das behindert ein bisschen. Ich duze mich mit einem Landesminister, weil der mit meinem Schwager zur Schule gegangen ist und man zusammen gefeiert hat. Das ist schon anstrengend genug für mich, weil ich dann jedes Mal in der Sendung erzählen kann, den zu siezen.

    Heinlein: Hand aufs Herz! Sind die Gäste Ihnen eigentlich egal? Sie sind der Star? Sie stehen als Moderator im Mittelpunkt?

    Plasberg: Die Gäste sind mir überhaupt nicht egal, weil: Die sind für mich das wichtigste. Glauben Sie irgendjemand würde einschalten, nur weil ich mich dahin stelle und nicht mal eine Krawatte trage? Nein! Eine spannende Gästekombination zusammenzukriegen, so wie wir sie heute Abend haben, das ist die Kunst einer Redaktion, und da muss man auch viel für arbeiten. Die Zeiten, in denen sich, wenn das jemals so war, Politiker beworben haben und man nur noch die Liste der Anrufer abarbeiten musste, Du darfst heute kommen, Du nächste Woche, die sind vorbei. Manchmal muss ich mich auch selbst kneifen, dass ich denke, ach guck mal, den hast du als Kind schon irgendwie gesehen, wenn es ältere Leute sind, wenn Hans-Jochen Vogel kommt. Dann gucke ich mir selbst dabei zu und sage, Mensch, dass Du den noch mal persönlich kennen lernst, das ist eine große Ehre. Dann stehe ich auch wie klein Fritzchen da und gucke mir das an.

    Heinlein: Heißt die Sendung deshalb nicht "Plasberg"?

    Plasberg: Finden Sie den Namen Plasberg so schön, auch wie Sie den gerade ausgesprochen haben, dass man danach eine Sendung benennen sollte, wenn die Vorlagen heißen "Sabine Christiansen" oder "Anne Will"? Frank wollte da nicht.

    Heinlein: Ihre Produktionsfirma trägt den lustigen Namen "Ansager und Schnipselmann". Sind Sie der Mann, der die Schnipsel ansagt?

    Plasberg: Ich bin der Mann, der die Schnipsel ansagt, und der andere ist der, der die Schnipsel macht. Manchmal werden wir auch mit einem Film-Catering-Unternehmen verwechselt, wenn wir nämlich Rechnungen kriegen, auf denen steht "Ansager und Schnitzelmann". Aber na gut, wer so einen Namen wählt, darf sich nicht beklagen.

    Heinlein: Zum Schluss die Frage: Sie haben angekündigt, 2012 soll Schluss sein. Haben Sie dann keine Lust mehr, oder genug Geld verdient?

    Plasberg: Ich hoffe, dass ich bis dahin genug Geld verdient habe, um mir meine Ankündigung wahr machen zu können. Ich habe ja beim WDR aufgehört, auf meine Altersversorgung verzichtet und muss jetzt ein bisschen den Hamster machen. Ich möchte mich selbst unter Druck setzen, weil ich zu oft Leute gesehen habe, gerade Männer - mal sehen ob Frauen das besser machen, wenn sie in größerer Zahl in die entscheidenden Positionen kommen -, die in ihren letzten Berufsjahren mit dem Hintern eingerissen haben, was sie vorher aufgebaut haben. Das soll mir nicht passieren. Ich möchte noch arbeiten, aber nicht unbedingt eine Sendung machen. Wenn ich dann mein Versprechen ändern sollte, dann berufe ich mich einfach auf Howard Carpendale. Ich habe sein Abschiedskonzert 2003 in der Köln-Arena erlebt, war auch gerührt von seinem großen Abschied von der Bühne und kann im Moment gerade wieder Tickets kaufen für seine Tournee.

    Heinlein: Frank Plasberg heute Morgen im Deutschlandfunk und heute Abend um 21.45 Uhr mit "hart aber fair" in der ARD. Wir haben das Gespräch vor dieser Sendung aufgezeichnet.