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Plasmaderm
Kaltes Plasma fördert Wundheilung

Die Behandlung von schlecht heilenden Wunden ist überaus schwierig. Ein Team von Forschern der Fraunhofer Gesellschaft und der Uniklinik in Göttingen haben nun in mehrjähriger Arbeit ein Gerät namens Plasmaderm entwickelt. Es erzeugt ein "kaltes Plasma" direkt auf der Haut des Patienten und tötet auf diese Weise die Erreger.

Von Michael Engel | 16.06.2015
    Es klingt ein bisschen wie ein elektrischer Rasierapparat. Doch nicht nur akustisch, auch optisch macht sich das Gerät bemerkbar: Wenn Plasmaderm eingeschaltet wird, entsteht ein bläulich-violettes Licht: "Kaltes Plasma" – erklärt der Entwickler, Dr. Andreas Helmke vom Fraunhofer Institut für Schicht- und Oberflächentechnik Göttingen.
    "Dieses Licht, das da erzeugt wird, diese elektromagnetische Strahlung, die ist eben so schwach, dass Sie sie eigentlich nicht sehen, wann das Ding an ist. Sie erzeugen ein sonores Brummen dabei, bei einer Frequenz von 300 Hertz. Und deswegen ist es eigentlich ganz gut – auch für uns und psychologisch für den Patienten – dass er weiß, das Gerät ist an. Gerade passiert etwas. Ich werde gerade behandelt."
    Das handliche Gerät besteht am Kopfende aus einem weißen Schwamm, der auf die Wunde des Patienten gehalten wird. Winzige Noppen auf der Unterseite verhindern, dass der Schwamm direkt auf der Haut aufliegt: Ein Luft gefüllter Spalt bleibt frei. Genau dort entsteht das "kalte Plasma". Prof. Steffen Emmert, Dermatologe am Uniklinikum Göttingen, hat Patienten mit schwer heilenden, chronischen Wunden damit behandelt.
    "Bakterien, Pilze werden abgetötet. Auch die gefährlichen Krankenhauskeime, diese methicillinresistenten Keime sprechen auf eine Plasmabehandlung recht gut an. Gerade die elektrischen Felder, der Reizstrom, stimulieren auch Zellen, fördern die Durchblutung, fördern die Mikrozirkulation, erhöhen den Sauerstoffzufluss zur Haut, und all das wirkt Gewebe regenerierend. Die Wundheilung ist damit der zentrale Zulassungsparameter für unser Plasmadermgerät."
    Ein Metallgitter, unsichtbar im Schwamm integriert, verwandelt die Luft bei Stromzufuhr in "kaltes Plasma". Sauerstoffradikale entstehen, auch UV-Licht, das die Bakterien in der Haut tötet. Das alles bei angenehmen Temperaturen zwischen 30 und 40 Grad Celsius. Im Rahmen einer Pilotstudie behandelte Steffen Emmert Patienten mit offenem Bein. Dreimal pro Woche wurden die chronischen Wunden beim Verbandwechsel 45 Sekunden lang mit Plasma behandelt.
    Verhandlungen mit den Kassen laufen schon
    "Wir konnten zeigen, dass gerade in den ersten Wochen der Plasmabehandlung – den ersten zwei, drei Wochen – eine schnellere Wundheilung eingetreten ist als mit der Standard-Therapie. Und weitere Effekte haben gezeigt, dass der Schmerz der Wunde deutlich geringer ist, wenn man zusätzlich mit Plasma behandelt. Das ist eigentlich ein sehr schönes Ergebnis, dass Plasma wirklich als neuartige Behandlung ein Fortschritt in der Wundbehandlung darstellt."
    Wissenschaftler der Fraunhofer Gesellschaft arbeiten schon an der nächsten Innovation: "Wir entwickeln derzeit eine Wundauflage, die sozusagen mit Plasma ausgestattet ist. Wir kombinieren diese beiden Systeme miteinander, so dass man das mit in den Wundverband einlegen kann. Und in diesem Wundauflagenmaterial können wir dann letzten Endes das Plasma zünden und diese Wundauflage nochmal mit antimikrobiellen Eigenschaften ausstatten."
    Unerwünschte Nebenwirkungen gibt es nicht, sagt Steffen Emmert: Das Plasma greift die Haut des Patienten nicht an, nur die Keime. Nun soll das Verfahren auch bei Neurodermitis helfen. Abrechungsfähig ist die neuartige Technologie noch nicht. Die schwammartigen Behandlungsköpfe, die nach jeder Anwendung aus hygienischen Gründen getauscht werden müssen, kosten 30 Euro pro Stück, die vom Patienten zu zahlen sind. Noch. Denn Gespräche mit den Kassen laufen schon.