Dienstag, 19. März 2024

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Plattentektonik
"Einer der fundamentalen Prozesse, die auf der Erde wirken"

Bisher ging man davon aus, dass das Aneinanderstoßen und Auseinandertreiben der Kontinalplatten vor drei Milliarden Jahren begann. Einer neuen Studie zufolge könnte diese Annahme aber überholt sein. Die sogenannte Plattentektonik könnte weitaus älter sein, sagte der Geowissenschaftler und Studien-Autor Nicolas Greber im Dlf.

Nicolas Greber im Gespräch mit Lennart Pyritz | 22.09.2017
    Globus mit Südamerika, Afrika und Asien.
    Die Erdhülle besteht aus mehreren Kontinental-PLatten. (imago)
    Lennart Pyritz: Die Lithosphäre oder äußere Erdhülle besteht aus mehreren Kontinentalplatten, die sich bewegen, gegeneinanderstoßen oder übereinander schieben – Plattentektonik wird das genannt; Subduktion das Abtauchen einer tektonischen Platte unter eine andere. Dabei verändert sich die mineralogische Zusammensetzung der Gesteine an der Erdkruste.
    Eine Theorie besagt, dass diese Prozesse vor etwa drei Milliarden Jahren begannen. Im Fachmagazin "Science" setzen Forscher jetzt einen deutlich früheren Zeitpunkt für den Beginn der Plattentektonik an. Über die Hintergründe habe ich vor der Sendung mit Nicolas Greber telefoniert. Er ist Erstautor der Studie und Geowissenschaftler an der Universität Genf. Ich habe ihn zuerst gefragt, warum es wichtig ist, den Beginn der Plattentektonik so genau wie möglich zu datieren?
    Nicolas Greber: Die Plattentektonik ist einer der fundamentalen Prozesse, die auf der Erde wirken. Sie ist zum Beispiel verantwortlich für Erdbeben, Gebirgsbildungen oder vulkanische Aktivitäten. Das heißt, sie ist auch verantwortlich dafür, wie die Erdoberfläche heute aussieht. Und da ist es natürlich auch relativ wichtig zu wissen, ab wann dieser Prozess funktioniert hat und entstanden ist.
    "Diese Idee kam auf, weil man in alten Gesteinen chemische Signaturen gefunden hat"
    Pyritz: Inwieweit beeinflusst die Plattentektonik auch atmosphärische Vorgänge oder Prozesse in den Ozeanen und darüber auch Nährstoffkreisläufe in Ökosystemen?
    Greber: Die Plattentektonik und auch Subduktionszonen, die mit der Plattentektonik verbunden sind, beeinflussen zum Beispiel, was für Gesteinsarten auf der Erdoberfläche vorhanden sind. Damit beeinflussen sie auch, welche Menge und welche Art von Nährstoffen vorhanden sind. Zum Beispiel wird auch die Atmosphäre beeinflusst, weil vulkanische Aktivität verschiedene Gase ausstößt, die dann die Atmosphäre beeinflussen können.
    Pyritz: Bisherige Schätzungen gehen davon aus, dass die Plattentektonik vor etwa drei Milliarden Jahren einsetzte. Wie sind diese Schätzungen zustande gekommen?
    Greber: Es gibt auch Schätzungen, die gesagt haben, dass die Plattentektonik schon vor 3,5 Milliarden Jahren entstanden ist. Diese Idee kam auf, weil man in alten Gesteinen chemische Signaturen gefunden hat, die darauf hindeuten, dass schon Sedimente mittels Subduktionszonen recycelt wurden. Andererseits, das Alter von drei Milliarden Jahren wurde darauf geschätzt, weil chemische Signaturen in Sedimenten darauf hingedeutet haben, dass die Kontinente grundsätzlich aus Basalt bestanden haben. Das würde darauf hindeuten, dass noch keine Subduktionszonen und damit auch keine Plattentektonik vorhanden gewesen ist.
    "Ein starker Hinweis darauf, dass Subduktionszonen existiert haben"
    Pyritz: Sie datieren in Ihrer aktuellen "Science"-Studie den Beginn der Plattentektonik jetzt auf einen Zeitpunkt oder einen Zeitrahmen vor etwa 3,5 Milliarden Jahren. Auf Grundlage welcher Methoden kommen Sie zu diesem Schluss, zu diesem Ergebnis?
    Greber: Wir sagen, dass seit 3,5 Milliarden Jahren die Plattentektonik funktioniert hat, eventuell auch schon früher. Das Problem ist, dass unsere ältesten Gesteine, die wir analysiert haben, ein Alter von 3,5 Milliarden Jahren. Das heißt, wir können nicht weiter zurück in der Zeit mit unserer Methode. Wir haben eine neue Methode entwickelt. Wir haben auch Sedimentgesteine analysiert. Sedimentgesteine sind Gesteine, die von erodiertem Material von Kontinenten entstanden sind. Und wir haben dafür die Titan-Signatur in diesen Sedimentgesteinen analysiert. Das Gute an Titan ist, es ist nicht wasserlöslich, und es ist auch nicht involviert in biologischen Prozessen. Das heißt, es wird nicht beeinflusst von späteren Prozessen, die die chemische Signatur der Gesteine beeinflussen können. Die Sache ist die, dass zum Beispiel Basaltgestein, welches man in Hawaii findet, eine andere Titan-Signatur hat als zum Beispiel Granite, die man im Schwarzwald findet. Und wenn man eine große Anzahl von Graniten an der Erdoberfläche hat in den Kontinenten, dann ist das ein starker Hinweis darauf, dass Subduktionszonen existiert haben.
    "Da gibt es verschiedene Theorien"
    Pyritz: Die abschließende Frage wäre etwas übergeordnet, was weiß man eigentlich über den Auslöser für den Beginn der Plattentektonik, sei es nun vor drei oder 3,5 Milliarden oder vier Milliarden Jahren?
    Greber: Da gibt es verschiedene Theorien dazu. Eine Theorie ist zum Beispiel, dass Meteoriteneinschläge dazu geführt haben, dass Subduktionszonen entstanden und damit auch die Plattentektonik. Andere Ergebnisse sagen, dass zum Beispiel große Hotspots und Schmelzaktivitäten, das heißt, wenn große Mantelschmelzen vom Mantel an die Erdoberfläche treten, dass das Subduktionszonen initiiert haben könnte.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.