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Plötzliche Etatkürzung in Köln
"Das Ende der Akademie, wie man das bislang kennt"

Der Rat der Stadt Köln hat das Budget der Akademie der Künste der Welt um 40 Prozent gekürzt. Dabei habe diese bundesweit und international gute Resonanz erfahren, meinte der Autor und Journalist Mark Terkessidis im Dlf. Er werde als Akademiemitglied jetzt gehen und fordere auch seine Kollegen auf, das zu tun.

Mark Terkessidis im Gespräch mit Karin Fischer | 07.11.2017
    Der Schriftsteller, Psychologe und freie Journalist Mark Terkessidis
    Der Schriftsteller, Psychologe und freie Journalist Mark Terkessidis will aus der Akademie der Künste der Welt austreten und appelliert an seine Kollegen, das Gleiche zu tun, sagte er im Dlf nach den massiven Etatkürzungen durch den Kölner Stadtrat (picture-alliance/ ZB / Karlheinz Schindler)
    Karin Fischer: Die Akademie der Künste der Welt in Köln sollte der Weltoffenheit der Stadt einen künstlerischen Körper geben. Seit ihrer Gründung organisiert sie Künstlerprojekte mit internationalen Gästen, unterhält ein Stipendiatenprogramm, hat prominente Mitglieder wie Liau Yiwu oder eine künstlerische Leiterin, die demnächst das Festival "Steirischer Herbst" in Granz leiten wird. Ein Ziel war auch die größere internationale Vernetzung bei gleichzeitiger Einbindung der Kölner Kulturinstitutionen. Aushängeschild ist, als ein Beispiel, das Festival "Pluriversale", das dem Thema Migration den für eine Stadt wie Köln angemessenen Kunst- und Diskursraum verschafft hat. Heute nun hat der Rat der Stadt beschlossen, das Budget der als städtische Einrichtung geführten Akademie um 40 Prozent auf 600.000 Euro zu kürzen.
    Mark Terkessidis ist Journalist, Autor, Migrationsforscher und seit 2013 Mitglied der Akademie der Künste der Welt, ihn habe ich vor der Sendung gefragt: Was steht denn Ihrer Ansicht nach hinter dieser radikalen Beschneidung?
    Mark Terkessidis: Die Pläne für die Kürzung kamen ja relativ unvermittelt. Insofern weiß ich auch nicht ganz genau, was hinter diesen Kürzungen steht. Ich kann das auch nur vermuten. Es ist aber so, dass Ralph Elster, der kulturpolitische Sprecher der CDU, gesagt hat, dass das Programm der Akademie nicht populär genug sei und dass man jetzt Kürzungen vornehmen wolle, die dann nicht für ewig sein sollen. Das heißt, man stellt die Akademie sozusagen auf eine Art Probezeit, bis sie dann dem Rat genehm ist, was, wie ich finde, eine relativ skandalöse Formulierung ist für eine Kultureinrichtung.
    Was wir als Mitglieder mitbekommen haben über die Jahre war, dass aus der Kölner Kulturpolitik eigentlich relativ widersprüchliche Signale gesendet worden sind. Der Auftrag für die Akademie war immer relativ unklar und man war auch mit sehr, sehr unklaren Erwartungen konfrontiert, was die Akademie denn eigentlich machen soll. Das heißt: Im Großen und Ganzen waren die immer unzufrieden, sagen einem aber auch nicht genau, was sie denn wollen. Wenn sie das sagen würden, könnte man ja eine Art Erwartungsmanagement betreiben. Kann man aber nicht, wenn die Leute, die sagen, es ist nicht gut, auch nicht wissen, was sie eigentlich besser haben wollen.
    "Ich kann nicht sagen, was Köln für relevante Kultur hält"
    Fischer: Es ist dann aber doch so, dass eine Stadt wie Köln etwas anderes für relevante Kultur hält, als der Ansatz der Akademie das darstellt?
    Terkessidis: Ich kann nicht sagen, was Köln für relevante Kultur hält. Die Akademie ist ja gegründet worden aus dem Grund, dass man nach dem Abzug der Kunstszene nach Berlin eine gewisse Provinzialisierung in Köln gespürt hat, und die Akademie sollte dafür sorgen, die Interkulturalität und Internationalität von Köln auf eine neue Art und Weise darzustellen. Eine neue, neu eingerichtete Kultureinrichtung hat natürlich immer Anfangsprobleme, aber man war schon im ersten Jahr damit konfrontiert, dass es im Grunde eine Erwartungshaltung gab, das müsst ihr jetzt alles im ersten Jahr machen.
    Ich meine, die Akademie ist erst fünf Jahre alt. Die hat am Anfang durchaus auch personelle Turbulenzen erlebt. Wie gesagt: Die Konzepterstellung und der Auftrag, das hat alles seine Zeit gedauert. Bis man sich konsolidiert hat, dauert es einfach eine gewisse Zeit. Das heißt: Was will man denn eigentlich?
    Fischer: Wenn man auf die Aktivitäten der Akademie der Künste der Welt schaut, dann ist das ein Programm für Interessierte, das aber nicht gerade eine starke Außenwirkung gerade in die Stadt hinein entfaltet. Ist sie vielleicht zu insiderisch, in einem gewissen Sinne zu elitär und damit ohne genau diesen Rückhalt in der Gesellschaft, den sie durch die Vernetzung in die Stadt rein doch angestrebt hat?
    Terkessidis: Im Großen und Ganzen handelt es sich ja nicht nur um eine Kürzung, sondern auch um eine Umverteilung. Das Geld soll ja dann angeblich der freien Szene in Köln zugutekommen. Diese freie Szene ist aber nur wirklich in Teilen international konkurrenzfähig, möchte ich mal sagen, und die Leute, die jetzt bei der Akademie aufgetreten sind, sind im Grunde aber doch durchaus internationaler Standard. Das heißt: Ekaterina Degot, die geht nicht umsonst von der Akademie der Künste der Welt zum Steirischen Herbst, weil sie eine gefragte internationale Kuratorin ist.
    Mit diesem Geld kann man diese Akademie nicht fahren
    Man kann jetzt immer sagen, es ist die Frage, woran man das Programm misst. Ich kann feststellen, dass international die Resonanz auf das Programm, was Degot gemacht hat, sehr gut war, dass auch innerhalb von Deutschland die Resonanz eigentlich sehr gut war und dass innerhalb von Köln ein doch, wie soll ich sagen, extrem seltsamer Widerstand gegen dieses Programm gewesen ist.
    Und was den Zuschauerzuspruch betrifft: Wer da mal gewesen ist, bei den Veranstaltungen, der wird sehen, dass da ein sehr junges Publikum bei der Akademie in den letzten Jahren gewesen ist. Hauptsächlich auch Leute, die sich offenbar von den Kölner Einrichtungen bislang nicht unbedingt haben mitgenommen gefühlt.
    Fischer: Das ist jetzt ein interessanter Gedanke, dass die Akademie der Künste auf internationalem Niveau rangiert und Köln – eine Stadt, die ohnehin ziemlich gut darin ist, eigene anspruchsvolle Kultur irgendwie kaputt zu kriegen – aus Gründen der Provinzialität dieses jetzt auch wieder tut.
    Terkessidis: Ja. Aber ich meine, wir sollten uns vielleicht noch mal vor Augen halten, dass das das Ende der Akademie bedeutet. Mit 600.000 Euro kann man das nicht fahren, auch mit dem Apparat, den das bislang ausgebildet hat. Die Akademie hatte überhaupt keinen Raum am Anfang. Das heißt, sie war darauf angewiesen, dass sie Räume woanders bekommt. Aber da keine Kooperationsverträge abgeschlossen worden sind, bedeutete das immer, dass man um Raum betteln musste. Deswegen hatte man auch mal irgendwann einen eigenen Raum geschaffen, aber das lässt sich von 600.000 Euro nicht machen.
    Ich habe angekündigt, für den Fall der Kürzungen meinen Rücktritt einzureichen als Akademiemitglied. Das mache ich auch. Und ich habe auch gesagt, dass ich die anderen Mitglieder dazu auffordern werde, auch zurückzutreten, weil mit diesem Geld kann man diese Akademie nicht fahren. Und ich finde es, ehrlich gesagt, auch wirklich eine Dreistigkeit ohne Ende, Madhusree Dutta, eine international bekannte Filmemacherin, einzuladen, von Indien nach Deutschland zu ziehen, und ihr dann 40 Prozent des Budgets zu kürzen. Und ich kann sagen, dass ich auch sehr stark annehme, dass Madhusree nicht nach Köln kommen wird. Das heißt, das dürfte im Großen und Ganzen, wenn man nicht irgendwelche willfährigen Leute findet, die das dann übernehmen wollen, das Ende der Akademie sein, so wie man das bislang kennt.
    Fischer: Mark Terkessidis zum Beschluss des Kölner Rats, den Zuschuss für die Akademie der Künste der Welt um 40 Prozent zu kürzen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.