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Plutonium in Pazifik-Lagune
Das strahlende Erbe der US-Atomwaffentests

Auf der idyllischen Insel Runit wird radioaktiver Abfall mit Betonplatten verdeckt. Das Grundwasser darunter ist hoch mit Plutonium belastet, das von US-amerikanischen Atombombentests vor über 60 Jahren stammt. In Zukunft könnten die radioaktiven Substanzen vermehrt freigesetzt werden.

Von Dagmar Röhrlich | 03.07.2019
Palmenstrand auf einer Urlaubsinsel der Malediven des Ari Atolls, aufgenommen am 18.04.2014. Der Inselstaat Malediven liegt im indischen Ozean und besteht aus mehreren Atollen und mehr als 1.100 Inseln.
In 50 bis 60 Jahren wird die pazifische Insel Runit voraussichtlich unter dem Meeresspiegel liegen. (picture-alliance / dpa / Bernd Weißbrod)
Eniwetak sieht aus wie ein Paradies: ein Atoll aus 40 Koralleninseln, mit weißen Stränden und Palmen, einer türkisfarbenen Lagune und dem tiefblauen Pazifik. Auf den ersten Blick erinnert nichts daran, dass Eniwetak zwischen 1948 und 1958 Ground Zero für 48 US-amerikanische Atombombentests war:
"Mit seinen Riffen und tropischen Fischen sähe das Atoll unberührt aus, wäre da nicht auf der Insel Runit dieses Ding, das an eine fliegende Untertasse erinnert: die Runit-Kuppel. In den späten 1970er Jahren hat man einen Explosionskrater mit einer Mischung aus Zement, Erde und radioaktivem Abfall gefüllt und mit Betonplatten abgedeckt. Außer diesem Deckel gibt es keine Abdichtung", erklärt Ken Buesseler von der Woods Hole Oceanographic Institution. Über die Sicherheit der Runit-Kuppel wird schon lange diskutiert. Zuletzt warnte UN-Generalsekretär Antonio Guterres davor.
"Mit dem Grundwasserstrom wird nur wenig Plutonium freigesetzt"
"Das Grundwasser unter der Kuppel ist tausendmal höher mit Plutonium belastet als das offene Meer, in der 20 Meter von ihr entfernten Lagune etwa 100- bis 200-fach. Allerdings stammen die Plutoniumisotope im Lagunenwasser aus den Sedimenten und nicht aus dem Material unter der Runit-Kuppel," sagt Terry Hamilton vom Lawrence-Livermore National Laboratory. Das belege die Isotopensignatur des Plutoniums, erläutert der Forscher, der das Radioökologie-Programm der US-Regierung für die Testgebiete überwacht. "In diesem Teil der Lagune hat es 17 Tests gegeben, die meistens kaum Energie freisetzten. Dabei gelangten Plutoniumisotope in die Umwelt, die sich kaum von dem "Fingerabdruck" des Waffenplutoniums unterscheiden. Das Material unter der Kuppel jedoch stammt vom nördlichen Teil des Atolls, wo stärkere Tests stattfanden, und das lässt sich in den Isotopenverhältnissen ablesen. Das Material unter der Kuppel hat eine andere Isotopenzusammensetzung als das aus der lokalen Umgebung."
Gegen den lokalen Hintergrund ist das, was derzeit aus der Kuppel dringt, nicht messbar. Ken Buesseler bestätigt mit seinen Messungen die Aussagen: "Mit dem Grundwasserstrom wird nur wenig Plutonium aus der Kuppel in die Lagune freigesetzt. Die Explosionskrater sind in der Lagune die sehr viel größere Quelle als die Kuppel."
Mehr Plutonium durch den Klimawandel
In Zukunft könnte jedoch mehr Plutonium freigesetzt werden, wenn durch den Klimawandel die Stürme, bei denen die Brecher schon heute die Kuppel erreichen, häufiger und intensiver werden. Außerdem dürfte die Insel in 50 bis 60 Jahren durch den Meeresspiegelanstieg unter Wasser sein. "Katastrophale Folgen sind trotzdem unwahrscheinlich: In den Lagunensedimenten steckt sehr viel mehr Plutonium als unter der Kuppel insgesamt", sagt Terry Hamilton.
In dieser Situation ist der radioaktive Müll unter der Runit-Kuppel nicht das ganz große Problem: Selbst falls alles in die Lagune gelangt, macht das angesichts der hohen Hintergrundbelastung keinen großen Unterschied. "Es stimmt, dass es außerhalb der Kuppel viel mehr Plutonium gibt als darunter. Doch es klingt recht herablassend, wenn man sagt, die Leute sollten sich nicht vor der Kuppel fürchten, weil es keine große Quelle ist. Aber das stimmt nur, weil die Atomwaffentests draußen so viel Radioaktivität hinterlassen haben", so Ken Buesseler.
Sowohl Kuppel, als auch Lagune sollen intensiver überwacht werden. Und es gibt noch ein anderes Problem: Um auf ihrer Insel, auf der sie weder etwas anbauen noch fischen dürfen, wenigstens ein bisschen eigenes Geld zu verdienen, graben viele Bewohner nach Altmetall, das von den Versuchen zurückgeblieben ist. Dabei kommen sie mit dem Plutonium im Boden in Berührung, atmen es ein – und Plutonium wird im Körper gefährlich.