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Podcast-Hit in den USA
Mordfall mit Suchtfaktor

Der Podcast - Radio zum Mitnehmen - ist eigentlich ein alter Hut. In den USA gibt es zurzeit aber einen Podcast-Boom. In der Serie "Serial" untersucht die US-Reporterin Sarah Koenig einen Mord an einer Highschoolschülerin, der sich vor 15 Jahren ereignet hat und jetzt Woche für Woche die Hörer in seinen Bann zieht.

Von Sonja Beeker | 24.11.2014
    Kopfhörer mit Smartphone
    "Serial" sorgt zurzeit in den USA für einen Podcast-Boom. (picture alliance / dpa / Daniel Bockwoldt)
    Raus aus der Nerdnische. Willkommen im Mainstream. Der amerikanische Podcast hat es geschafft, zumindest ist es so in zahlreichen Zeitungen und Online-Artikeln zu lesen. 39 Millionen Amerikaner haben laut einer Edison-Studie im letzten Monat einen Podcast runtergeladen. Eine stattliche Zahl, ganz bestimmt. Aussagekräftiger aber als jede Statistik ist der Auftritt von Ira Glass bei Jimmy Fallons "Tonight Show". Das Aushängeschild des öffentlichen Rundfunks ist zu Gast beim Aushängeschild des amerikanischen Unterhaltungsfernsehens. Aufgeregt unterhalten sich die beiden Moderatoren über den aktuellen Erfolgspodcast "Serial", der in seiner Form völlig neu ist und eher an eine HBO-Fernsehshow erinnert, mit Suchtpotenzial für den Zuhörer.
    "Ira: The thing that's different about it, is that it's a story that takes twelve episodes to unfold. It's a murder happened in 1999.
    Jimmy: It's a real story.
    Ira: It's a true story. It's reporting and we think nobody has done this before, doing a radio show that hooks you in like an HBO series where you want to find out 'What happens next, what happens next?'
    Jimmy: 'I love that stuff!'"
    Jede Woche neue Details zum Mordfall
    "Serial" macht tatsächlich süchtig. Jeden Donnerstag kommt eine neue kostenlose Folge heraus, in der die Reporterin Sarah Koenig neue Details des Mordfalls entfaltet. Ihre eigene Überzeugung, darüber, wer den Mord begangen hat, gerät immer wieder ins Wanken und wir, die Zuhörer, wanken mit:
    "Diese Recherche fühlt sich manchmal würdelos an. Ich musste Teenager nach ihrem Sexleben fragen, wo, wie oft, mit wem, was sie für Drogen konsumieren, wie das Verhältnis zu ihren Eltern ist. Und ich bin keine Kommissarin oder Privatdetektivin, noch nicht mal Gerichtsreporterin. Ein ganzes Jahr lang hab ich nach dem Alibi eines 17-jährigen Highschoolschülers gesucht."
    Sarah Koenig ist eine erfahrene Radiofrau. Seit 10 Jahren arbeitet sie für die Show "This American Life", die in den USA auch als Podcast sehr beliebt ist. Neu ist hingegen das Medieninteresse an einer Serie, die es ausschließlich als Download gibt. Seit der Erfindung von "Radio zum Mitnehmen" im Jahr 2001 wächst die Zahl der Podcastfans in den USA, zwar langsam, aber kontinuierlich. Und das wird auch so weitergehen, sagt Nicco Mele, Harvard Professor und Techfirmengründer. Denn Amerikaner werden auch in Zukunft viel Zeit in ihren Autos verbringen:
    "Lange Zeit hatten Autofahrer nur die Wahl zwischen klassischem Radio oder Satellitenradio. Aber mehr und mehr werden wir Autos sehen, die mit ähnlichen Apps ausgestattet sind, wie wir sie vom Smartphone kennen. Einen Podcast anzuhören wird damit immer unkomplizierter, so dass die Zahl der Hörer weiter wachsen wird."
    Podcasts als Werbeplattformen
    Vor gut drei Jahren bereits erreichte die Hörerschaft ein Niveau, das von der Werbeindustrie als kritische Masse eingeschätzt wurde: das Medium Podcast als neuer Absatzmarkt.
    "Selbst Podcaster mit erfolgreichen Shows konnten sich von den Einnahmen lange Zeit kaum über Wasser halten. Für viele war es notgedrungen nur ein Hobby. Aber natürlich, sobald sich damit Geld verdienen lässt, steigt nicht nur die Qualität der Podcasts sondern auch das Angebot", so Mele.
    Podcasts sind vielversprechende Werbeplattformen für Sponsoren. Oft trägt der Erzähler die Werbung selbst vor. Für den Hörer klingt das dann eher wie der gut gemeinte Ratschlag eines Freundes und nicht wie störende Werbung. In einigen Fällen wird der Werbeblock zu einer Art Minipodcast im Podcast. Die Serie "Start Up" von Autor und Journalist Alex Blumberg ist dafür ein gutes Beispiel. Mit einem speziellen Musikbett markiert er den Sponsorenteil, der ansonsten fast dokumentarisch anmutet.
    "A word from our sponsor. I am doing these sponsorships as transparent as possible. When you hear this special add music, this is the part my sponsor is paying me to say. And I am doing these sponsorships almost documentary style. And now back to our regularly scheduled programming."
    Werbeeinnahmen zum Träumen
    "Start Up" ist eine Art Audiotagebuch und handelt von Blumbergs Versuch eine Podcastfirma zu gründen. Spannend daran ist, dass er den Hörer auch an den schwierigen Gründungsphasen teilhaben lässt, den nagenden Selbstzweifeln und der Angst vorm Scheitern. Pro 25 minütiger Folge springen für Blumberg knapp 5.000 Euro für Werbung ab, eine Bezahlung, von der ein klassischer Radiomensch nur träumen kann. Blumberg macht aus seinen Werbeeinnahmen kein Geheimnis, macht sie sogar zum Thema seiner Serie. Und warum auch nicht, sagt Harvardprofessor Nicco Mele.
    "Medien wurden immer schon von Anzeigen und Werbung gesponsert. Und ich glaube, das wird auch so bleiben. Das schmeckt vielleicht nicht jedem, aber solange die Qualität stimmt, werden sie sich damit abfinden."