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"Podemos" in Spanien
Lernen aus den Fehlern Tsipras'

Podemos – "Wir können", so nennt sich die Linkspartei der Spanier. Gerade mal ein Jahr alt, liegt die Partei in Umfragen weit vorn - und Syrizas Wahlsieg war noch einmal Wind in ihren Segeln. Doch inzwischen ist die Euphorie verflogen: Podemos distanziert sich von den griechischen Freunden.

Von Hans-Günter Kellner | 18.02.2015
    Der Podemos-Vorsitzende Pablo Iglesias.
    Der Podemos-Vorsitzende Pablo Iglesias. (AFP / Dani Pozo)
    Kaum jemand in der spanischen Politik zieht derzeit so viele Fotografen an, wie er. Pablo Iglesias, der kleine schmächtige Politikprofessor aus Madrid, ist längst ein Superstar, der die etablierten Parteien das Fürchten lehrt.
    "Das ist das Jahr des Wandels, nicht nur hier in Spanien, sondern in ganz Europa. Unser Erfolg beruht darauf, dass die Austeritätspolitik gescheitert ist. Sie stellt die sozialen Säulen Europas infrage. Die Probleme Europas sind Schulden, Arbeitslosigkeit und ein wachsendes soziales Ungleichgewicht. Sie betreffen vor allem die Staaten des Südens. Das erste politische Opfer dieser Probleme ist die alte Sozialdemokratie, in Griechenland wie auch in unserem Land."
    Spaniens Sozialisten droht zwar kein Einbruch auf knapp fünf Prozent wie der griechischen PASOK. Doch Umfragen zufolge macht Podemos den beiden großen Volksparteien längst den ersten Platz in der Wählergunst streitig. Mit Wahlversprechen, die in eine ähnliche Kerbe schlagen wie die von Alexis Tsipras:
    "Wenn ich gewählt werde, werde ich in der ersten Woche die Zwangsräumungen stoppen. Mit einer Steuerreform wollen wir unsere Staatseinnahmen dem europäischen Durchschnitt anpassen. Und wir wollen die Rechte der abhängig Beschäftigten stärken. Es kann nicht sein, dass wir nur noch prekäre Arbeitsverhältnisse schaffen. Von den alten Eliten habe ich bislang noch keinen einzigen Vorschlag für die Wahlen 2015 gehört."
    Podemos rudert zurück
    Bis vor wenigen Wochen traten Tsipras und Iglesias noch gemeinsam öffentlich auf. Doch weil ein Scheitern des Griechen auch die Aussichten von Podemos schmälern könnte, rudert Pablo Iglesias inzwischen zurück – auch inhaltlich. Vor einem Jahr sprach er noch von illegitimen Staatsschulden, die er nicht zurückzahlen werde. Davon ist heute nicht mehr die Rede. Iglesias mäßigt sich, lernt von den Fehlern Tsipras'. Auch den Einfluss der Verhandlungen mit Griechenland auf die spanische Politik spielt er herunter :
    " Niemand hat für die Griechen die Hausaufgaben gemacht. Wir haben nicht die Wahlen für Alexis Tsipras gewonnen, auch wenn ich dort zu einer Wahlkampfveranstaltung war. Sie werden auch nicht durch unsere Wahlen gewinnen oder verlieren. Es sind zwei unterschiedliche Länder. Spanien ist die viertgrößte Volkswirtschaft Europas. Damit sind wir gegenüber Europa in einer ganz anderen Verhandlungsposition."
    Was er mit einem solchen Muskelspiel erreichen möchte, lässt Iglesias offen. In jedem Fall spielt bei den Verhandlungen in Brüssel um Griechenland auch die Angst mit, zu große Zugeständnisse könnten in den übrigen Krisenstaaten einen Domino-Effekt auslösen und populistische Strömungen an die Macht spülen. In Spanien stehen in diesem Jahr Kommunal-, Regional- und Parlamentswahlen an. Und so zeigt Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy auch Härte gegenüber Tsipras:
    "Niemand leiht Griechenland mehr Geld. Nur die Europäische Union. Spanien hat Griechenland schon sieben Milliarden Euro gegeben und für 19 Milliarden Euro gebürgt. Wir hoffen darum, dass die griechische Regierung uns endlich sagt, was sie will. Wer auf Hilfe und Solidarität hofft, muss seinen Verpflichtungen auch nachkommen."
    Spanisches Superwahljahr steht an
    Die neue Distanz von Podemos zu Syriza im spanischen Superwahljahr hat weitere Gründe: Die Spanier wollen mit den Griechen gar nicht verglichen werden, haben Umfragen ergeben. Das erklärt der Politikwissenschaftler José Ignacio Torreblanca vom European Council on Foreign Relations. Er veröffentlicht in Kürze ein Buch über Podemos:
    "Die Spanier kennen gut die Parallelen zu Griechenland, aber auch die Unterschiede. Auch bei uns hat die soziale Ungleichheit stark zugenommen. Das begünstigt Podemos. Aber die soziale Realität ist trotzdem nicht die Gleiche. Der Diskurs gegen Europa oder gegen die Troika funktioniert in Spanien nicht. Die Spanier sehen die Probleme eher im eigenen Land. Pablo Iglesias richtet sich darum jetzt wieder stärker gegen die korrupte Klasse innerhalb Spaniens als gegen ausländische Mächte."
    Die Mäßigung zahlt sich den Umfragen zufolge aus: Die Anhänger von Podemos liegen in der politischen Mitte. Sie wollen zwar keine wirtschaftspolitischen Experimente – aber einen Besen, der mit der Korruption aufräumt.