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Poet der Malerei

Jackson Pollock erlangte durch seine unverwechselbare und radikale Maltechnik Weltruhm. Zu seinen Lebzeiten mitunter höchst umstritten, hängen seine oft großformatigen Gemälde heute in den bedeutenden Kunstmuseen der Welt. Am 11. August 1956 raste er mit seinem Auto gegen einen Baum und starb.

Von Carsten Probst | 11.08.2006
    Manche sagen, Jackson Pollock starb, wie er gelebt hat: als ein James Dean der Malerei. Ziemlich genau ein Jahr nach dem tödlich verunglückten Schauspieler-Idol raste der "tanzende Derwisch", wie Pollock auch von seinen Zeitgenossen genannt wurde, am 11. August 1956 im Alkoholrausch mit seinem grünen Oldsmobil Cabriolet gegen einen Baum und war auf der Stelle tot.

    Hinter ihm lag ein Leben von gerade einmal 44 Jahren, das vor allem am Schluss mit dem beginnenden Weltruhm aus einer schier endlosen Kette von Exzessen und Saufgelagen bestanden hatte. Je größer dieser Ruhm wurde, desto mehr Menschen projizierten etwas in seine Kunst, das seiner Ansicht nach gar nicht hinein gehörte. Und Pollock selbst ließ nie einen Zweifel daran, dass er selbst ganz und gar seine Kunst war.

    "Wenn ich anfange zu malen, habe ich eine Vorstellung von dem, wohin ich gelangen will. Es gibt keinen Zufall. Nur wenn ich den Kontakt zum Bild verliere, endet es in einer Manscherei"","

    sagte er einmal. Die Bedeutung, die ihm im Amerika der späten 40er und frühen 50er Jahre beigemessen wurde, musste den aus Wyoming stammenden Farmersohn, der eigentlich am liebsten zurückgezogen lebte, irgendwann innerlich zerreißen. Gut möglich also, dass es sich bei seinem Autounfall eigentlich um einen Selbstmord handelte.

    Sein Ruhm begründet sich auf seiner speziellen Maltechnik, dem so genannten Drip oder Action Painting, die Pollock in dem berühmten Dokumentarfilm von Hans Namuth, der ihn beim Malen zeigt, so beschreibt:

    ""Ich fühle mich heimischer, leichter auf weitem Gelände. Wenn ich die Leinwand auf den Boden lege, fühle ich mich ihr näher, mehr als Teil des Gemäldes. Ich kann darum herum laufen, von allen Seiten daran arbeiten und im Gemälde sein."

    In der Tat hat Pollock das Verteilen von Farbspuren auf der Leinwand zu einer einzigartigen Kunst getrieben, die keineswegs, wie früher oft behauptet, zufällige Kleckserei ist, sondern ein überaus kalkuliertes Spiel, eine Art Poesie des Malens. Er tropft, gießt oder spritzt dabei die Farbe in größeren und kleineren Dosierungen auf die auf dem Boden liegende Leinwand, um die er förmlich herumtanzt oder über der er zuweilen sogar mit einer Art Flaschenzug schwebt. Die Bilder zeigen schließlich ein fast dreidimensionales Geflecht aus verschiedensten Farbspuren, dicken oder dünnen Linien und Formen, das man einmal wie eine Landkarte, dann wie Sediment oder wie archaische Zeichnungen interpretieren kann. Der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt, der Beschreibung hingegen schon. In seiner Hauptschaffensphase zwischen 1941 und 1944 gelangen Pollock seine eindrucksvollsten abstrakten Dripping-Gemälde in riesigen Formaten.

    "Ich möchte meine Gefühle ausdrücken, statt sie zu illustrieren"","

    lautete seine nüchterne Selbstbeschreibung. Und auf die Frage, warum er nicht nach der Natur male, antwortete er:

    ""Ich bin die Natur."

    Und diese Haltung war keineswegs naive Schwärmerei. Pollock erkannte durchaus:

    "Der moderne Künstler lebt in einem technischen Zeitalter, und wir haben technische Mittel wie die Kamera und die Fotografie, um Naturgegenstände darzustellen. Mir scheint, der moderne Künstler verleiht einer inneren Welt Form und Ausdruck - mit anderen Worten: Er drückt Energie, Bewegung und andere innere Kräfte aus."

    Der amerikanischen Propaganda zu Beginn des Kalten Krieges waren Pollocks impulsive Malerei und sein Image als "wilder Mann" durchaus willkommen. CIA und State Department beschlossen, Kunst zum Aushängeschild für amerikanische Kultur zu machen. Die impulsive, "demokratische" Kunst der New York School, angeführt von Jackson Pollock, wurde zum Mythos aufgebaut und vor allem Paris und Moskau gegenüber zur Werbung für die freie Welt nach amerikanischem Muster eingesetzt.

    Pollock selbst hatte mit Desgleichen nie etwas im Sinn. Für ihn war die Malerei seit seiner Jugend das einzige Mittel, um aus seiner inneren Abschottung gegenüber seiner Umwelt herauszukommen.

    ""Menschen haben mir immer Angst eingejagt und mich gelangweilt, und daher bin ich nie aus meiner Schale heraus. Die so genannte schönste Zeit des Lebens ist ein Stück Höllenqual. (…) Je länger ich darüber nachdenke, desto finsterer erscheint mir alles","

    schrieb er schon 1930 an seine Brüder Charles und Frank.

    Mit dem Ausbruch aus seiner intimsten inneren Gefangenschaft hat Pollock offensichtlich viele Menschen gerade in den westlichen Zivilisationen berührt, und tut dies, Mythos hin oder her, noch heute. Dies macht auch seinen frühen Tod, der vielleicht ein Freitod war, zu einem Ereignis mit Symbolkraft.