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Poetry gegen Rechts

Ungewohnte Bilder im Stadion von Mainz 05: Mehrere hundert Schüler setzen sich in Workshops mit Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit auseinander. Ludger Fittkau hat sich das Projekt angesehen.

Von Ludger Fittkau | 11.11.2013
    Du spielst rechtsradikal, linkes Spiel.
    Aggressionsaffektiert auf ein bestimmtes Ziel
    Also wirklich, immer wieder die gleiche Scheiße,
    Skinhead oder Seitenscheitel.


    Zwei Poetry-Slammer von der Uni Koblenz-Landau eröffneten heute Morgen im Stadion von Mainz 05 den rheinland-pfälzischen Schülerkongress gegen Rechtsradikalismus.

    Dümmliche Lonsdale-Lederjacke,
    außerhalb Deiner Bierkrug - Peergroup
    findet Dich doch jeder Kacke.
    Und wieso, ja das frag` Dich mal,
    weil´s noch nie wirklich nette Nazis gab.


    Eine Schülergruppe kommt von der Realschule Plus aus Ingelheim am Rhein – rund 20 Kilometer nördlich von Mainz. Dort gibt es eine zentrale Flüchtlingsunterkunft, die sich in den letzten Wochen wieder füllt. Die Ingelheimer Schüler Jannick Graß und Michaela Mirosevic versprechen sich vom Kongress Argumente gegen die Ressentiments, die den Flüchtlingen in der Stadt entgegengebracht werden:

    "Manche machen schon ihre Bemerkungen und man merkt, dass ein bisschen Unmut herrscht."

    "Es gibt auch viel zu viele falsche Meinungen, zum Beispiel, es kommen so viele Flüchtlinge wie nie. Das stimmt aber nicht! Ende der 90er kamen doppelt so viele Flüchtlinge wie zur Zeit."

    Christina Stürmer ist Lehrerin an der Realschule Plus in Ingelheim. Der heutige Schülerkongress ist für sie eine Ergänzung des Projektes "Tatort Rheinland-Pfalz", das sie in den vergangenen Wochen an der Schule zur rechtsextremen Szene durchgeführt hat:

    "Tatort Rheinland-Pfalz zeigt, dass diese Szene auch in Rheinland-Pfalz Fuß gefasst hat und dass diese Szene auch in Rheinland-Pfalz aktiv ist. Und sie versucht auch Jugendliche auf ihre Seite zu ziehen. Sie verteilen auf dem Schulhof CD´s mit rechtsextremistischer Musik, die dann auch gehört werden kann von den Schülern und das sind alles Punkte, die dann auch direkt angesprochen werden."

    Auch in Fußballstadien fassen Rechtsextreme zurzeit wieder stärker Fuß als in den vergangenen Jahren. Das war natürlich heute beim Kongress im Mainzer Bundesligastadion eines der zentralen Themen. Der ehemalige Ultra-Fan Matthias Schöffel ist heute Diplompädagoge bei Fanprojekt Mainz. Er beschreibt den aktuellen Vormarsch, auf dem sich Rechtsradikale zurzeit in den Fankurven vor allem in der Westpfalz oder im angrenzenden NRW zwischen Aachen und Dortmund befinden:

    "Gerade in Dortmund gibt es natürlich um Stadtgebiet und auf dem Land immer schon relativ viele starke freie rechte Kräfte. In Aachen ist es dasselbe. Oder Duisburg, wo jetzt letztens wieder ein Vorfall war oder in Essen. Das sind, wie wir auch sehen, alles Fälle aus dem Westen. Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass das ein Ostproblem in der fünften, sechsten Liga ist. Wir reden hier vom Bundesliga-Fußball zum Beispiel in Dortmund. Natürlich, in der Fan-Kurve sind viele junge Männer, das geht es oft um Männlichkeit. Und Männlichkeitsrituale, die sind natürlich für Rechte hochinteressant, da Leute zu akquirieren."

    Das Mainzer Bundesliga-Fanprojekt mit dreieinhalb Hauptamtlichen leistet manchmal so etwas wie Entwicklungshilfe für kleinere Vereine im Umland, die mit Rechtsradikalismus konfrontiert sind. Unlängst etwa für den Traditionsklub FK Pirmasens. Matthias Schöffel:

    "Der FK Pirmasens hat mich hier angerufen in Mainz und hat gesagt. Ja, wir haben Probleme, da tauchen Rechte auf und die werden auch übergriffig. Und bei uns hier, wir wissen damit gar nicht umzugehen. Haben wir natürlich gesagt: das und das könnt ihr machen. Aber das sind natürlich nur Anstöße, die man geben kann, man kann die Arbeit dort nicht leisten. Man kennt auch die Strukturen da nicht. Die wollten jetzt weitere Aktionen da nachlegen über Ausstellung und Aufklärungsarbeit und das ist hat der Weg, den man gehen muss."

    Zur Aufklärungsarbeit heute Morgen beim Schülerkongress gehörte auch der mit einem Oskar prämierte Kurzfilm "Schwarzfahrer" von Pepe Danquart. Der Film über Alltagsrassismus in öffentlichen Verkehrsmitteln kam bei den Schülern genauso gut an wie die Slammer von der Uni Koblenz-Landau, die eine neue Version der Nationalhymne anboten:

    "Ich fand den sehr interessant, allein dass es so etwas gib oder gab, da hätte ich jetzt nicht mit gerechnet. Ich fahr jeden Tag Zug und mir ist so etwas persönlich noch nicht begegnet."

    Einigkeit – wär echte Freiheit.
    Für ein neues Adlerland.
    Darum lasst uns alle geben,
    was ein gutes Herz entflammt.

    Einigkeit verflechtet Freiheit,
    führt der Glücke Wunderhand,
    blüh im Glanze dieses Glückes
    Guten morgen, Adlerland.