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Pöttering wertet EU-Klimagipfel als Erfolg

Hans-Gert Pöttering, Präsident des Europäischen Parlaments, ist zuversichtlich, dass sich der EU-Klimagipfel nicht nur auf Grenzen beim CO-Ausstoß, sondern darüber hinaus auch auf einen Ausbau der erneuerbaren Energien verständigt. Es sei wichtig, dass sich Angel Merkel als Ratspräsidentin durchsetze. "Sie hat dabei die ganze Unterstützung des Europäischen Parlamentes, dass es bindende Werte gibt", sagte der CDU-Politiker.

Moderation: Doris Simon | 09.03.2007
    Doris Simon: Selten ist so viel über Umwelt auf einem europäischen Gipfel geredet worden wie gestern und voraussehbar heute in Brüssel. Und Bundeskanzlerin Merkel scheint sich zumindest teilweise durchgesetzt zu haben. Heute wollen die Staats- und Regierungschefs beschließen, bis 2020 den CO2-Ausstoß EU-weit um ein Fünftel zu reduzieren. Heftigen Widerstand wie erwartet gibt es dagegen beim deutschen Vorschlag, ein Fünftel aller europäisch genutzten Energie solle künftig erneuerbar aus Wind, Wasser, Sonne oder Biomasse kommen. Polen etwa verteidigt heftig die heimische Kohle. Frankreich und mehrere frühere Ostblockländer wollen die Atomenergie wie erneuerbare Energien behandelt sehen.

    Am Telefon ist Hans-Gert Pöttering (CDU), der Präsident des Europäischen Parlamentes. Guten Morgen!

    Hans-Gert Pöttering: Guten Morgen, Frau Simon!

    Simon: Herr Pöttering, Sie haben gestern Abend an den Beratungen der 27 Staats- und Regierungschefs teilgenommen. Glauben Sie, dass sich der Gipfel heute auch in Sachen erneuerbare Energien wie beim Klimawandel auf eine Verpflichtung einigen wird?

    Pöttering: Ja, ich hoffe das, obwohl das natürlich vor Abschluss der Verhandlungen nie ganz sicher ist. Aber es ist schon ein Erfolg, dass insgesamt doch es erreichbar scheint, dass bei der Reduzierung der Treibhausgase man zu einer Einigung kommt. Das ist schon ein sehr wichtiger Schritt. Und ich hoffe, dass das gleiche der Fall sein wird bei den erneuerbaren Energien.

    Simon: Sie hoffen das. Sie waren aber gestern dabei. Wie wichtig, wie schwerwiegend sind die Einwände gegen eine Einigung, vor allem gegen eine Verpflichtung?

    Pöttering: Es ist ganz wichtig, dass die Bundeskanzlerin sich durchsetzt, und sie hat dabei die ganze Unterstützung des Europäischen Parlamentes, dass es bindende Werte gibt. Denn es hat wenig Sinn, dass man Ziele beschreibt, die man dann nicht erreichen kann. Mein Eindruck war, beim Abendessen gestern wurde natürlich über diese Dinge nicht mehr gesprochen, weil es um die Erklärung von Berlin zur Zukunft Europas ging. Aber mein Eindruck war doch, dass alle bemüht sind, zu einer Einigung zu kommen, denn - und das war für mich das Erstaunliche; es war ja mein erstes Treffen mit den Staats- und Regierungschefs seit meiner Wahl, dass doch der Wille da ist, Europa als Gemeinsamkeit, als Gemeinschaft erscheinen zu lassen, so dass ich hoffe, dass es der Kanzlerin heute gelingt, auch in dieser Frage der erneuerbaren Energien zu einer Lösung zu kommen.

    Simon: Noch mal nachgefragt: Wie energisch ist denn der Widerstand einzelner die gesagt haben, wir können das gar nicht mit den erneuerbaren Energien schaffen in unseren Ländern, zum Beispiel Polen?

    Pöttering: Das Ganze ist natürlich ein Meinungsbildungsprozess und wenn man mit einzelnen Persönlichkeiten spricht, dann bringen sie ihre Einwände vor, aber sie wollen auch das Ganze nicht gefährden. Mein Gefühl war gestern Nachmittag und gestern Abend, dass die einzelnen Persönlichkeiten doch nicht am Ende die Verantwortung auf sich laden wollen, wenn es in diesen Fragen nicht zu einem Ergebnis kommt. Deswegen bin ich zuversichtlich, dass es der Kanzlerin gelingt, doch auch die noch zögernden auf eine Linie zu vereinbaren. Ich habe in meiner Rede gestern Abend vor den Staats- und Regierungschefs die Dringlichkeit noch einmal betont, und das Europäische Parlament wirklich dringt darauf und fordert, dass es in beiden Fragen, der Reduzierung des Ausstoßes des Treibhausgases zu einer Lösung kommt, aber ebenso bei der Frage der erneuerbaren Energien.

    Simon: Sie haben ja als Präsident des Europäischen Parlamentes sogar mehr gefordert, als jetzt wohl gegeben wird. Reicht Ihnen denn das, was dabei herausgekommen ist bei den Staats- und Regierungschefs?

    Pöttering: Ich habe die Beschlüsse des Europäischen Parlamentes vertreten, was ja meine Pflicht ist als Präsident des Europäischen Parlamentes. Und wenn das, was wir fordern, was ja noch darüber hinausgeht, was die Ratspräsidentschaft fordert und die Kommission fordert, ein Beitrag ist, dass die noch Zögernden erkennen, dass sie wenigstens das tun sollten, was die Präsidentschaft fordert, dann ist unsere weitergehende Forderung ein Mittel, die Präsidentschaft zu unterstützen, dass sie das erreicht, was sie vorschlägt. Und ich hoffe, dass das der Fall ist.

    Simon: Herr Pöttering, wenn es zur Verpflichtung, das ist ja das wichtige Wort, kommt beim Klimawandel und bei den erneuerbaren Energien, wie wird das dann verteilt über die 27 Länder? Wie wird sichergestellt, dass das gerecht verteilt wird?

    Pöttering: Zunächst einmal ist es wichtig, dass es einen Beschluss gibt heute. Wenn es diesen Beschluss gibt, dann wird es eine Gesetzgebung geben. Das heißt, die Kommission macht einen Gesetzesvorschlag, der dann entschieden werden muss von dem Europäischen Parlament und vom Ministerrat. Dieses Gesetzgebungsverfahren gibt hinreichend Zeit, um auch zu notwendigen Differenzierungen zu kommen, um zu sagen, wer was macht, um die verschiedenen Energiefragen zu beraten. Das ist dann Zeit noch für das Gesetzgebungsverfahren.

    Simon: Diese Zeit macht ja vielen Angst, weil sie sagen, wir wollen nicht wieder endlose Feilschereien. Wie kann man verhindern, dass zum Beispiel einige engagierte Länder dann den Haupteinsatz bringen müssen und die anderen erst mal auf ihren Plätzen bleiben und sich nicht bewegen?

    Pöttering: Sie haben natürlich Recht, dass es nicht endlos dauern soll, aber wir leben in einer Demokratie und in einer Rechtsordnung. Und die Europäische Union ist eine Rechtsordnung. Da sind wir ja besonders stolz darauf. Deswegen gibt es ein ganz normales Procedere, einen ganz normalen Ablauf. Das bedeutet, die Staats- und Regierungschefs treffen zunächst einmal einen politischen Beschluss, und der ist ganz wichtig für alles, was folgt. Dann macht die Kommission einen Gesetzesvorschlag, und der wird dann beraten und am Ende entschieden im Europäischen Parlament und im Ministerrat. Also man kann nicht von einem Tag zum anderen Dinge übers Knie brechen. Entscheidend ist jetzt, dass es einen politischen Beschluss gibt, der dann durch die Gesetzgebung umgesetzt wird. Und die Gesetzgebung gibt dann hinreichend Möglichkeiten, die Einzelfragen, von denen Sie sprechen, zu klären.

    Simon: Herr Pöttering ein Thema, was offiziell überhaupt kein Thema ist bei diesem Gipfel, das ist die europäische Verfassung, oder was andere vorsichtiger auch als Grundlagenvertrag bezeichnen. Das Wort Verfassung ist ja nicht mehr gut gesehen. Aber wie gesagt, alle reden darüber. Diese Reform ist nötig, um die Gemeinschaft wieder handlungsfähig zu machen. Wie sinnvoll ist es, nicht auf dem Gipfel darüber zu sprechen?

    Pöttering: Das hat natürlich indirekt eine Rolle gespielt. Ich habe es in meiner Rede vor dem Europäischen Rat angesprochen, und beim Abendessen ging es ja um die Erklärung von Berlin zur Zukunft Europas, also zum 25. März, wenn wir 50 Jahre Römische Verträge begehen. Diese Erklärung ist natürlich eine Art politisch-psychologische Vorbereitung für die Entscheidung im Verfahren, wie geht es weiter mit der Verfassung? Und diese Entscheidungen, wie es weiter geht mit dem Verfassungsvertrag, werden getroffen am 21. und 22. Juni auf dem nächsten Gipfel, dem offiziellen Gipfel in Brüssel. Wenn es heute eine Entscheidung gibt in der Klimafrage, wenn es eine gute Erklärung von Berlin gibt am 25. März - und das wird ja eine gemeinsame Erklärung sein, wenn wir uns einigen, von Europäischem Rat, Europäischem Parlament und Europäischer Kommission; das ist schon etwas ganz Besonderes, dass sich hier die drei Institutionen verpflichten und eine Absichtserklärung abgeben oder eine Bestandsaufnahme machen -, dann ist das eine sehr gute Voraussetzung für den Gipfel im Juni. Das heißt, Erfolge jetzt bereiten auch den Erfolg vor im Juni, und ich hoffe, dass das dann auch alles so geschehen kann.

    Simon: Herr Pöttering, es gibt seit Wochen mit allen Mitgliedsländern Gespräche über diese neuen Grundlagenregeln, den Vertrag, die Verfassung oder wie auch immer. Geben Sie uns einen kleinen Einblick. Wie erfolgreich sind die Gespräche? Sie hatten ja gestern auch mit dem polnischen Präsidenten geredet.

    Pöttering: Ja. Ich habe sehr lange mit dem polnischen Präsidenten geredet. Es war eine erste Begegnung. Und in der Politik ist es sehr wichtig, dass man Vertrauen aufbaut. Nur durch Vertrauen kann man am Ende auch die verschiedenen Positionen, die verschiedenen Ansichten, Überzeugungen zusammenführen. Ich bin doch zuversichtlich - nicht sicher natürlich, aber zuversichtlich -, dass eine Lösung möglich wird. Die Verfassungsfrage an sich wird ja noch nicht gelöst in der deutschen Präsidentschaft. Sondern die deutsche Präsidentschaft will einen Weg beschreiben, wie es weitergeht. Wenn uns das gelingt im Juni, dann ist das schon die halbe Lösung, aber die Lösung in der Sache selber muss dann geschehen unter portugiesischer Präsidentschaft oder slowenischer Präsidentschaft. Wir wollen auf jeden Fall sicherstellen, dass vor den Europawahlen 2009 wir eine neue Verfassung oder, wenn es anders heißt, einen neuen Vertrag haben, der die Europäische Union sichert für das 21. Jahrhundert.

    Simon: Das war Hans-Gert Pöttering (CDU), der Präsident des Europäischen Parlamentes. Herr Pöttering, vielen Dank und auf Wiederhören.

    Pöttering: Auf Wiederhören Ihnen, Frau Simon.