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Pointenreiches Sprechstück über die Schriftstellerei

In dem Auftragsstück von Daniel Kehlmann treffen ein junger und ein älterer Erfolgsautor zu einem Arbeitstreffen aufeinander. Das funktioniert nicht ohne Konflikte und so ist "Der Mentor" ein Kampf- und Klischeespiel über bekannte Probleme der Kunstproduktion und des Künstlerlebens.

Von Hartmut Krug | 09.11.2012
    Für viel Geld kommen ein junger und ein älterer Erfolgsautor für eine Woche zu einem Arbeitstreffen im Landhaus einer Stiftung zusammen. Der alte, einst berühmte Schriftsteller Benjamin Rubin hat sich als Mentor anheuern lassen und soll dem jungen Martin Wegner bei dessen neuem Werk Anregungen geben.

    Doch dieser Rubin ist arg eitel und anspruchsvoll. Er bemängelt sofort die Whisky-Sorte, sein Zimmer, sein Bett, seinen Chauffeur. Dagegen weiß sich der Stiftungsfunktionär kaum zu wehren. Immerhin schlägt Siegfried Walther aus dieser kleinen Rolle schöne Spielfunken, ist zugleich servil aufgeregt wie selbstbewusst verdruckst. So prägt der kabarettistische Witz schon der ersten Szene das Unterhaltungsklima von Kehlmanns pointenreichem Sprechstück über die Schriftstellerei.

    Natürlich wird es schlimm, als der junge Kollege mit seiner Frau eintrifft. In Nettigkeit verpackte Bosheiten steigern sich bis zum offenen Kampf. Bis Rubin deutlich wird: Das ganze Werk des erfolgreichen Jungkollegen tauge nichts. Doch statt Argumenten liefert er eher Beleidigungen:

    "Rubin: Im dritten Akt gibt es dann diese zweite Stimme, diese Frau, aber ich habe keine Ahnung, wer sie ist.
    Wegner: Muss man alles erklären?
    Rubin: Reiner Blödsinn macht noch kein Geheimnis."

    Das Problem: Rubin war einst erfolgreich, Wegner aber ist es im Augenblick. Rubin vertritt einen rigiden Realismus, Wegner schreibt, wie er will. Und: Rubins Erfolgsstück, das er im Alter von 24 Jahren verfasste, ist nur noch bei Reclam vorhanden statt im öffentlichen Bewusstsein und auf der Bühne präsent. Während Wegner auf aktuelle Erfolge und eine Kritik verweisen kann, die ihn als "Die Stimme einer Generation" bezeichnet.

    Auf leerer, kiesbestreuter offener Bühne arrangiert Herbert Föttinger die vier Protagonisten zum munteren Kampf- und Klischeespiel über bekannte Probleme der Kunstproduktion und des Künstlerlebens. Leicht hin getupft und locker angetippt wird da mancherlei, ohne dass Kehlmann tiefer bohrt oder gar an wahre Schmerzpunkte geht. Natürlich ist der Stiftungsfunktionär ein wenig lächerlich, betätigt er sich doch ebenfalls künstlerisch und präsentiert seine Malereien auf dem iPod. Die attraktive Frau des Jungautors dagegen, die als fest im Nationalmuseum angestellte Kunsthistorikerin das Geld in die Ehe bringt, schwärmt seit Jugendzeiten von Rubins Erfolgsstück. Als der von Rubin verunsicherte Wegner seine Frau fragt, wie denn sie seine Arbeiten finde, entwickelt sich die künstlerische zur Ehekrise. Schriftstellerischer Schaffensdruck gegen Kinderwunsch, Alltag mit schmutzigem Geschirr gegen den Egoismus eines Autors, dazu skeptische Sätze der Frau zum Werk ihres Mannes, - all das führt nach heftigem Streit mit Rubin über Realismus und Fantasie zum Desaster.

    "Rubin: Erklären Sie mir. Worum geht es?
    Wegner: Wie soll ich das in einem Satz erklären. Wenn ich wüsste, worum es geht, hätte ich das nicht schreiben müssen.
    Rubin: Das haben Sie eben nicht wirklich gesagt?
    Martin: Ich kann das nicht auf eine einfache Handlung reduzieren. Exposé, Konflikt, Auflösung, man geht zufrieden ins Restaurant nebenan und dann nach Hause. So etwas haben sie gemacht, ja, und da hat ja auch sein Recht. Aber ich mache das nicht."

    Wegner reist wütend ab und zerstört sein neues Werk auf allen Speichermedien. Seine zurückbleibende Frau aber lässt sich von Rubin mit Sprüchen zu einem Seitensprung verleiten. Was weder inhaltlich noch inszenatorisch überzeugt. Nicht nur, weil es wie aus einem Kitschroman für Männer entsprungen scheint, sondern auch, weil Ruth Brauer-Kvam einerseits ihre körperliche Attraktivität ausgiebig ausstellt, zugleich aber Wegners junge Frau mit reflektiert-intelligentem Selbstbewusstsein ausstattet. Warum sie auf den alten Dichter hereinfällt, den der für die Rolle zu junge Herbert Föttinger nur als attraktiven Bonvivant gibt, ist wohl nur mit dem unbewussten Chauvinismus eines bewussten Boulevardstückes zu erklären. Was hätte Michael Degen der Figur an Nuancen mitgegeben! Immerhin: Respekt für die sportliche Leistung Föttingers, in drei Tagen eine solch große Rolle zu übernehmen.

    Wenn schließlich Martin Wegner (Florian Teichtmeister lässt ihn heftig zwischen Selbstbewusstsein, Ironie und Zweifel schwanken) mit Resten seines Manuskriptes zurückkommt, kann er darauf anerkennende Anmerkungen Rubins vorweisen. Anscheinend dienten Rubins abwertende Anmerkungen diesem nur dazu, sich der jungen Frau zu nähern.

    Daniel Kehlmann hat ein wirkungssicheres well made play mit munteren Dialogen, netten Klischees und lockeren Gemeinplätzchen geschrieben. Das Stück wirkt so geschickt gemacht wie inhaltlich dünn. Es besitzt viel Scherz, wenig Satire und kaum angedeutete tiefere Bedeutung. Sein überraschendes Fazit: Kunst ist subjektiv.