Donnerstag, 28. März 2024

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Gesundheitspolitiker Rüddel (CDU)
"Zuversichtlich, dass wir bis zum Sommer diese Pandemie überwunden haben"

Der CDU-Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel ist zuversichtlich, dass Anfang des kommenden Jahres bereits mehrere Impfstoffe für die Bevölkerung zur Verfügung stehen. Jetzt gehe es darum, Impfzentren und mobile Teams aufzubauen, damit es keinen Engpass bei der Versorgung gebe, sagte er im Dlf.

Erwin Rüddel im Gespräch mit Christiane Kaess | 21.11.2020
11.03.2020, Berlin: Erwin Rüddel (CDU) spricht während der 151. Sitzung des Deutschen Bundestages. Foto: Sonja Wurtscheid/dpa | Verwendung weltweit
Der Gesundheitspolitiker Erwin Rüddel ist optimistisch, dass die Pandemie im kommenden Jahr beendet werden könne (dpa)
Bundeskanzlerin Angela Merkel tritt eher mit mahnenden und nicht entwarnenden Worten in der Corona-Krise auf. Umso mehr ließ aufhorchen, dass sie Hoffnung auf die schnelle Zulassung für einen Impfstoff Ende des Jahres oder zum Jahreswechsel machte. Außerdem haben das Unternehmen Biontech aus Mainz und Pfizer aus den USA eine Schnellzulassung für ihren Impfstoff beantragt. Sollte der zugelassen werden, könnten die ersten Dosen schnell verteilt werden.
Er sei ähnlich zuversichtlich wie die Bundeskanzlerin, sagt Erwin Rüddel (CDU), Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Bundestag. ″Wir müssen uns an die Regeln halten, aber ich bin zuversichtlich, dass wir ab Dezember in die Impfstrategie einsteigen und ab Januar und Februar jeden Monat dem Ende der Pandemie ein Schritt näher kommen″.
In der ersten Hälfte des kommenden Jahres könnten sogar bis zu fünf oder sechs Impfstoffe existieren. Der Impfstoff sei freiwillig und werde nach einer Beratung verabreicht. ″Es ist kein Schnellschuss, sondern nur, weil die Welt zusammengestanden hat, sind wir so weit, wie wir sind.″
Nach welchen ethischen Kriterien der Zugang geregelt werden soll
COVID-19-Impfstoffe könnten schon bald zur Verfügung stehen. Doch es wird zunächst nicht für alle reichen, sodass eine Strategie entwickelt werden muss, wer zuerst geimpft werden soll. Der Deutsche Ethikrat hat sich damit auseinandergesetzt.
"Es darf kein Drängen zur Impfung geben"
Die Impfstoffe könnten auf verschiedene Zielgruppen in der Gesellschaft ausgerichtet sein. ″Ich glaube sogar, dass wir keinen Mangel an Impfstoffen haben werden, sondern es wird einen Mangel in der Versorgung geben.″ An der Logistik und am Personal werde derzeit in den Bundesländern gearbeitet. Wer nicht zu Impfzentren kommen könne, der werde von mobilen Teams aufgesucht. Als Risikopatient könne man bereits jetzt mit seinem Hausarzt reden - ″über eine mögliche Impfung allgemein und auch auf die Person bezogen.″ Mit dieser Information könnte man dann zu den Impfzentren gehen, so Rüddel. ″Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir bis zum Sommer dieses Jahres diese Pandemie überwunden haben und ich hoffe sogar, dass es nicht bis zum Sommer dauert.″
Einen Impfzwang durch die Hintertür schloss er aus. ″Es darf kein Drängen zu einer Impfung geben, sondern wir müssen hier mit Überzeugung arbeiten″. Allerdings werde eine Diskussion darüber geben, ob jemand in Quarantäne muss, der nachweislich Antikörper besitze. ″Dieser Diskussion müssen wir uns jetzt stellen.″

Das Interview im Wortlaut:
Christiane Kaess: Sind Sie auch so optimistisch wie die Kanzlerin?
Erwin Rüddel: Ich bin schon etwas länger so optimistisch, dass wir große Schritte machen. Wir müssen uns an die Regeln halten, aber ich bin zuversichtlich, dass wir ab Dezember in die Impfstrategie einsteigen können und dass wir ab Januar, Februar große Fortschritte machen können, dass wir in jedem Monat im neuen Jahr dem Ende der Pandemie einen großen Schritt näherkommen.
"Es wird eventuell einen Engpass geben in der Versorgung"
Kaess: Großer Schritt heißt konkret was?
Rüddel: Das heißt für mich konkret, dass wir nach meiner Meinung mehrere Impfstoffe zur Verfügung haben, die auf bestimmte Zielgruppen in der Gesellschaft besonders ausgerichtet sind. Ich glaube sogar, dass wir keinen Mangel an Impfstoffen haben werden, sondern es wird eventuell einen Engpass geben in der Versorgung der Menschen mit Impfstoff, sodass wir jetzt – und deshalb haben wir das ja auch diese Woche im Bundestag geregelt – unsere Impfstrategie umsetzen können, dass wir vor Ort den öffentlichen Gesundheitsdienst stärken, die Länder beauftragt haben, entsprechende Impfzentren aufzubauen, dass also die Menschen, die geimpft werden wollen – es gibt keine Impfpflicht, sondern es ist freiwillig –, vor Ort auch zügig geimpft werden können in stationären Impfzentren. Aber es soll auch mobile Teams geben, die die Menschen, die nicht in diese Zentren kommen können, dann aufsuchen. Also ich bin sehr zuversichtlich, dass wir bis zum Sommer nächsten Jahres diese Pandemie überwunden haben, und ich hoffe sogar, dass es nicht bis zum Sommer dauert.
Kaess: Herr Rüddel, bevor wir noch weiter über diese Logistik und mögliche Engpässe sprechen, lassen Sie uns gerade noch mal einen Schritt zurückgehen – ich möchte noch mal Ursula von der Leyen zitieren oder ihre Meinung oder ihre Aussage hier noch einmal wiederholen: Die Impfstoffe von BioNTech und Pfizer sowie von dem US-Unternehmen Moderna könnten nach Angaben der europäischen Arzneimittelagentur in der zweiten Dezemberhälfte eine bedingte Marktzulassung bekommen, sagt Ursula von der Leyen, aber mit dem Zusatz, wenn alles problemlos weitergeht. Welche Probleme könnten denn noch auftauchen?
Rüddel: Ja, es könnten Nebenwirkungen auftauchen, und das wollen wir ausschließen. Es hat noch nie in der Geschichte der Menschheit oder der Medizin eine schnellere Erforschung dieser Impfstoffe gegeben. Das liegt aber nicht daran, dass wir Sicherheitsvorkehrungen ausgeblendet haben, sondern das liegt daran, dass die Welt und auch die Forschung und die Länder zusammengestanden haben, um in der Pandemie Lösungen zu finden, und deshalb war das sehr, sehr anspruchsvoll, diese Impfstoffe zu haben. Im Moment können wir sehr optimistisch sein. Ich glaube auch nicht, dass es bei den jetzt derzeit diskutierten BioNTech und Moderna bleiben wird, sondern dass wir in diesem Jahr, spätestens in der ersten Hälfte Januar bis zu fünf, sechs Impfstoffe haben werden, die je nach Bevölkerungsgruppe dann optimal eingesetzt werden können.
"Je mehr Impfstoffe da sind, desto differenzierter kann man auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen"
Kaess: Aber dieses Risiko der Nebenwirkungen geht im Moment so ein bisschen unter, weil einfach die Erleichterung so groß ist, dass da jetzt eine Lösung in Sicht ist?
Rüddel: Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass es keine Kompromisse gibt. Die Standards, die für die Impfstoffe bei uns gelten, in der Vergangenheit, die gelten auch in Zukunft und die gelten auch für den Corona-Impfstoff. Da bin ich mir sicher, dass die Menschen sich drauf verlassen können, wenn ein Impfstoff zur Verfügung steht, bevor jemand diesen Impfstoff verabreicht bekommt – es ist freiwillig –, bekommt er eine ausreichende Beratung. Deshalb wird es auch etwas länger dauern, bis alle geimpft sein können, die geimpft werden wollen, weil zum Impfstoff auch eine entsprechende Beratung gehört. Je mehr Impfstoffe da sind, desto differenzierter kann man auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen. Aber es ist kein Schnellschuss, sondern weil die Welt zusammengestanden hat, sind wir so weit, wie wir sind.
Kaess: Herr Rüddel, jetzt fragen sich wahrscheinlich einige, warum beantragt das Unternehmen BioNTech, das ja immerhin aus Mainz kommt, eine Notfallzulassung in den USA und nicht in der EU, und welche Konsequenzen könnte das haben – zum Beispiel dass eventuell in den USA eher geimpft wird?
Rüddel: Ich bin ziemlich zuversichtlich, dass Regelungen getroffen sind, dass die Welt oder die Menschen weltweit nach einem gerechten Verfahren geimpft werden. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass Menschen in Afrika oder anderen Teilen der Welt leben, und wir haben den Anspruch, dass nicht einzelne Länder einen besonderen, also schneller diesen Impfstoff zur Verfügung haben für ihre Bevölkerung, sondern dass das nach einem gerechten Verfahren abläuft. Wenn man in den USA, was ich aber nicht glaube, niedrigere Standards setzt – wir werden in Deutschland und in Europa die Standards haben, die wir auch für alle anderen Impfstoffe, die bei uns eingesetzt werden, da sind.
Kaess: Und in dem Moment, wo der Impfstoff in den USA zugelassen wäre, würde die EU auch ganz schnell nachziehen?
Rüddel: Da gehe ich von aus, weil ich auch davon ausgehe, dass das die Standards sind, die wir auch setzen. Wir werden das nicht blind übernehmen, sondern das wird geprüft. Wir haben ja auch im Moment gewisse Engpässe beim Grippeimpfstoff, weil halt eben jede Charge, die produziert wird, vom Paul-Ehrlich-Institut überprüft wird. Und dann, wenn diese Überprüfung durchlaufen ist, dann kommt der Impfstoff in die Logistik, und so wird das auch beim Corona-Impfstoff sein.
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"Die Logistik wird derzeit aufgebaut"
Kaess: Jetzt haben Sie schon gesagt, es kann mögliche Engpässe bei der Versorgung geben, und es ist sicherlich eine logistische Herausforderung, die da vor der Tür steht. Wo stehen wir da? Wir hören immer wieder auch vor diesem Problem, dass es einer extremen Kühlung bedarf, was ist da der Stand der Dinge für die Versorgung in Deutschland?
Rüddel: Wir haben auf jeden Fall bei dem Impfstoff von BioNTech diese extreme Kühlung. Man hört, dass andere Forschungsergebnisse und andere Impfstoffe diese deutliche Kühlung nicht brauchen. Aber wir bauen eine Logistik auf, und da sind die Länder schon dabei, über 60 Logistikzentren, praktisch auf die Kreise heruntergebrochen einzelne Impfzentren, mobile Teams, die dann mit diesen gekühlten Impfstoffen die Menschen aufsuchen in Pflegeeinrichtungen, in Krankenhäusern, die, die also nicht zu Hause, die, die nicht in diese Impfzentren kommen können. Diese Logistik wird derzeit aufgebaut, und da gibt es sehr viele Ideen. Ich habe mit Gesundheitsämtern gesprochen, wie man impfen, also diese Logistik löst, wie man gleichzeitig die Menschen informiert über das, was man über die Nebenwirkungen, die es ja immer auch gibt bei allem Positiven in bestimmten Konstellationen, dass also die Menschen entsprechend informiert und aufgeklärt werden und gleichzeitig möglichst viele, die geimpft werden wollen, auch geimpft werden können.
Kaess: Herr Rüddel, machen wir’s konkret: Wenn man jetzt Risikopatient ist, was sollte man jetzt vielleicht auch schon tun? Kann man sich schon auf eine Warteliste setzen lassen, wenn ja, wo sollte man das machen?
Rüddel: Meiner Meinung nach sollte man mit seinem Hausarzt reden, der sicherlich einen gewissen Überblick hat über die Impfstoffe, die auf den Markt kommen, dass man also mit seinem Hausarzt über eine mögliche Impfung redet und sich schon mal aufklären lässt über Risiken allgemein, aber auch im Speziellen auf die Person bezogen, und dass man mit dieser Information dann zu dem Impfzentrum gehen kann.
"Ich bin überzeugt, dass es nicht an der Impfbereitschaft liegt"
Kaess: Jetzt gibt es nicht nur Leute, die dringend auf eine Impfung warten, sondern es gibt auch die, die genau die gegenteilige Haltung haben, die sich auf keinen Fall impfen lassen wollen, und es heißt immer wieder, diese Impfung ist freiwillig. Ist es vorstellbar, dass so etwas wie ein, ich nenne es mal Impfzwang durch die Hintertür kommt, dass zum Beispiel Unternehmen das als Auflage für die Mitarbeiter machen?
Rüddel: Wenn 60 Prozent der Bevölkerung immunisiert ist, entweder dadurch, dass man die Krankheit durchlaufen hat oder dass man geimpft ist, dann ist über den Herdenschutz sichergestellt, dass praktisch diese Erkrankung eliminiert ist. Ich persönlich bin der Meinung, wir werden eine Diskussion bekommen, ob jemand, der immun ist, wenn er jemandem, der erkrankt ist oder war, ob er in Quarantäne muss … Ich denke, wir werden niemanden zwingen können, in Quarantäne zu gehen, der nachweislich Antikörper entwickelt hat.
Kaess: Also der geimpft ist.
Rüddel: Der geimpft ist oder die Krankheit durchlaufen hat. Dieser Diskussion müssen wir uns jetzt stellen, aber ich schließe aus – weil wir diese Diskussion hatten, und ich denke, das ist eindeutig geklärt –, es darf kein Drängen zu einer Impfung geben, sondern wir müssen hier mit Überzeugung arbeiten. Ich glaube, wenn ich jetzt sehe, im letzten Jahr haben sich 14 Millionen Menschen gegen Grippe impfen lassen, wir haben 27 Millionen Dosen bestellt, da kommen auch noch welche, aber wenn ich sehe, welche Dynamik die Grippeimpfung angenommen hat, bin ich davon überzeugt, dass wir relativ schneller … Der Impfstoff wird da sein, das wird nach meiner Meinung nicht der Engpass sein, das Verabreichen des Impfstoffes wird ein Engpass sein, weil ich glaube, wir werden ausreichend Impfstoffe haben, und wir werden ausreichend Nachfrage in der Bevölkerung nach Impfung haben, und das müssen wir jetzt sehr intelligent, gut steuern. Ich habe da schon Ideen von Gesundheitsämtern vorgetragen bekommen, dass man einen Aufruf macht, Ärzte, die im Ruhestand sind, bittet, zur Unterstützung in den Einsatz zu kommen. Ich bin überzeugt, dass es nicht an der Impfbereitschaft und am Impfstoff liegt, sondern sozusagen an der Logistik, wie schnell wir sind. Ich glaube, dass wir es schaffen können, in einigen Monaten, bis Ostern, die Menschen zu impfen, die geimpft werden wollen, und dann erübrigt sich die Diskussion, ob Druck ausgeübt wird oder nicht.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.