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Polarforschung
Die unbekannte Welt unter dem Eis

Mit einem neuen Unterwasserfahrzeug wollen deutsche Forscher die Unterseite des arktischen Eises genauer erforschen. Diese zerklüftete, kaum zugängliche Landschaft ist bislang kaum erschlossen - jetzt rücken die Wissenschaftler ihr mit hochauflösenden Kameras zu Leibe. Ihre Ergebnisse stellen sie in dieser Woche auf der Herbsttagung der Amerikanischen Geowissenschaftlichen Union in San Francisco vor.

Von Monika Seynsche | 17.12.2014
    Der Thwaites-Gletscher in der Antarktis
    Die AWI-Wissenschaftler erforschen das Eis der Arktis von unten (dpa / picture-alliance / Jim Yungel)
    Unter dem Eis des Arktischen Ozeans erstreckt sich ein zerklüftetes Labyrinth. Eiskeile ragen in die Tiefe, Schluchten ziehen sich bis fast zur Meeresoberfläche. An einigen Stellen ist das Eis gerade einmal einen Meter dick, an anderen acht. In diese kaum erschlossene Welt hat Antje Boetius vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven in diesem Sommer einen Roboter geschickt. Allerdings keinen gewöhnlichen Roboter.
    "Das Besondere ist einfach die Kameras, also wir haben mit Makrokameras und mit HD-Fernsehen können wir wirklich den Krebsen ins Auge schauen und die uns ins Auge schauen, sozusagen. Das ist ein ganz anderes Gefühl, als wenn man sich Daten so einzeln zusammenstückelt, wenn man mittendrin sitzt und es sieht."
    Steuerung per Glasfaserkabel
    Gemeinsam mit Kollegen vom Woods Hole Ozeanografie-Institut in den USA haben die deutschen Forscher das neuartige Unterwasserfahrzeug entwickelt. Gesteuert wird der Roboter über ein haardünnes Glasfaserkabel. Durch dieses gelangen die hochauflösenden Bilder der Bordkamera fast in Echtzeit zurück zu den Forschern an Bord des Eisbrechers Polarstern.
    "In unserem Kontrollraum vom Roboter haben wir riesige Bildschirme. Wenn man da sitzt und den Roboter fährt, hat man das Gefühl, man taucht selber und sitzt in einem Aquarium und kann das alles entdecken und erleben. Das wirkt dann ganz anders. Man kann auch viel schneller lernen, als wenn man nur so ein paar einzelne Fotos hätte. AUVs können halt keine Fernsehbilder übertragen, die können nur chemische Daten übertragen, und damit versteht man nicht so gut, was eigentlich mit dem Leben los ist. "
    Im Notfall autonom zurück
    Ein Roboter an einem Kabel kann allerdings zum Problem unter dem Meereis werden, denn das Kabel kann sich leicht an Eiskeilen verfangen. Wenn das geschieht, ist das Fahrzeug verloren. Der NUI getaufte Roboter des deutsch-amerikanischen Forscherteams kann sein Kabel deshalb abwerfen und als AUV, also als autonomes Unterwasserfahrzeug wieder zurück zum Schiff finden. Boetius:
    "Wir waren total begeistert eine Planktonblüte beobachten zu können also im Juli, als wir da waren und noch dickes Eis oben drüber war, haben trotzdem Algen unter dem Eis geblüht und dann haben danach sofort Krebschen geblüht. Die waren in einem dicken Schwarm aufgetreten um die Algen zu essen und danach haben dann verschiedene gelatinöse Lebewesen geblüht, also Quallen und sogenannte Appendikularien und auch Pfeilwürmer. Die alle sind in riesigen Mengen aufgetreten, wie ich es so noch nie gesehen hab und alles immer so ein, zwei Meter unter dem Eis. Hätten wir das versucht vom Schiff zu beproben, hätten wir nichts gesehen weil der Eisbrecher der hat ja einen viel tieferen Kiel, der würde da durch fahren und würde alles durchmischen, und wir könnten das nicht so beobachten."
    Zurzeit sind Antje Boetius und ihre Kollegen dabei, die Ergebnisse der ersten vier Tauchfahrten von NUI auszuwerten. 2016 dann wollen sie den Roboter wieder mit in die Arktis nehmen und mit ihm erkunden, was im Herbst mit den Lebewesen unter dem Eis passiert, wenn sich die Meereisdecke für den Winter schließt.