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Polen
Politischer Streit um Wohltätigkeit

Die polnische Spendenaktion "Großes Orchester der Weihnachtshilfe" sammelt jährlich Geld, um damit Krankenhäuser und Patienten zu unterstützen. In diesem Jahr kam die Rekordsumme von umgerechnet 20 Millionen Euro zusammen. Jetzt aber ist die Spendenaktion zum Politikum geworden.

Von Florian Kellermann | 16.01.2018
    Junges Mädchen in selberfarbenem Anorak, auf dem rote Herzen zu sehen sind
    120.000 meist junge freiwillige Helfer haben rund 20 Millionen Euro für Krankenhäuser in Polen gesammelt* (imago stock&people)
    Zum 26. Mal hat das Orchester gespielt, das "Große Orchester der Weihnachtshilfe". Der blumige Name bezeichnet eine der größten Wohltätigkeitsorganisationen in Polen, die alljährlich zum Jahresbeginn Spenden sammelt. Der Gründer und Chef Jerzy Owsiak fasste zusammen:
    "Wie immer werden wir das Geld für polnische Krankenhäuser verwenden. Wir werden Geräte allererster Güte für Entbindungsstationen kaufen. Dort kommen die jungen Polen zur Welt, in letzter Zeit wieder mehr, worüber wir uns sehr freuen. Obwohl uns staatliche Stellen nicht unterstützt haben, haben wir Polen es geschafft. Wir danken allen Helfern sehr."
    Aerztliche Kunst, solides Handwerk und ein hohes Mass an High-Tech wirken zusammen.
    Mit den Einnahmen der Spendenaktion "Großes Orchester der Weihnachtshilfe" sollen Krankenhäuser modernisiert werden (picture alliance / Klaus Rose)
    120.000 meist junge Polen sammelten am vergangenen Wochenende überall im Land, die Spender bekamen das charakteristische rote Herz des Orchesters als Aufkleber. Eine Gala mit Versteigerungen schloss die Aktion ab. Künstler spendeten Gemälde, Fußballer Trikots mit Autogrammen, Hotels - Luxusaufenthalte.
    Am Ende kam die Rekordsumme von umgerechnet fast 20 Millionen Euro zusammen, ein deutliches Plus gegenüber dem vergangenen Jahr.
    Gut gemeint, aber umstritten
    Viel Geld für einen guten Zweck, und doch ist die Aktion umstritten. Vertreter des rechtskonservativen Regierungslagers schauen argwöhnisch auf das "Orchester der Weihnachtshilfe". Vize-Justizminister Patryk Jaki erklärte kurz vor der Spendengala:
    "Leute, die spenden, wissen nicht, dass aus diesen Mitteln auch das Musikfestival Haltestelle Woodstock finanziert wird. Und dort werden die Werte der Zivilisation des Todes hochgehalten. Wenn ich das nicht unterstütze, bin ich nur konsequent."
    Der Leiter der Organisation Jerzy Owsiak wies die Behauptung zurück: Das Musikfestival habe nichts mit der Spendenaktion zu tun. Tatsache bleibt aber, dass Owsiak auch die Haltestelle Woodstock organisiert - und beim Festival ein eher liberaler, ausgelassener Geist weht. Immer wieder treten dort Personen auf, die sich klar gegen die Regierungspartei PiS positionieren und zum Beispiel gegen ein Verbot von Abtreibung sind.
    Regierungsvertreter gehen auf Distanz zur Spendenaktion
    Vertreter des Regierungslagers gehen deshalb auf deutliche Distanz zur Spendenaktion. Schon vor zwei Jahren erklärte ein PiS-Abgeordneter: Beamte, die mitmachen, sollten am nächsten Tag ihren Dienst quittieren. Tatsächlich beteiligt sich zum Beispiel die Armee nicht mehr an der Aktion, die früher unter anderem Kurse an Flugsimulatoren versteigerte.
    Der Sprecher der Organisation Krzysztof Dobies wehrt sich vergeblich dagegen, dass auch wohltätige Aktionen in Polen heute ein Politikum sind: "Wir bauen unser Orchester auf den Begriff der Solidarität, wir wollen uns über das erheben, was uns trennt. Wir fragen die Patienten nicht, ob sie Anhänger der Regierungspartei PiS oder einer anderen Partei sind. Auch die politischen Ansichten der Krankenhausdirektoren sind uns egal."
    Früher hat das öffentliche Fernsehen TVP die Abschlussgala ausgestrahlt. Damit ist es vorbei, seit dort ein ehemaliger PiS-Abgeordneter das Sagen hat. Im vergangenen Jahr erwähnten die Fernsehnachrichten im ersten Programm die Aktion gar nicht, in diesem Jahr mit einer kurzen Nachricht.
    Nur einige wenige Vertreter aus dem Regierungslager tanzten aus der Reihe. Der neue Gesundheitsminister erklärte über den Nachrichtendienst Twitter, er danke den freiwilligen Helfern, die auf der Straße Geld sammeln. Doch den Namen der Aktion "Großes Orchester der Weihnachtshilfe" benutzte auch er dabei lieber nicht.
    *In der ursprünglichen Version der Bildunterschrift hieß es, 120.000 junge Künstler hätten rund 20 Millionen Euro für Krankenhäuser in Polen gesammelt. Es waren jedoch 120.000 meist junge freiwillige Helfer.