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Polen
Roma und Tschetschenen unerwünscht

Tschetschenische Flüchtlinge und Roma gelten in Polen vielfach als ungeliebte Einwanderer, die am besten wieder in ihre Heimat zurückkehren sollten. Die Betroffenen kämpfen gegen Vorurteile und Rassismus.

Von Sabine Adler | 13.01.2014
    Bialystok gilt in Polen als Hauptstadt der Fremdenfeindlichkeit. Eine Negativ-Statistik, die die Wojewodschaft sehr ernst nimmt, auch wenn andere polnische Regionen nicht weniger Zwischenfälle passieren. Joanna Gawel und Macije Tefelski gehören zu einer eigens geschaffenen Gruppe, die Antidiskriminierungsprogramme ausarbeitet.
    Die Beamten zeigen Fotos von einem zweisprachigen Ortsschild aus der Grenzregion, auf dem sowohl der polnische als auch der litauische Name steht. Der litauische ist beschmiert. Auf einem anderen Bild ist Jedwabne zu sehen. Die Gedenkstätte für jüdische Opfer, die bei einem polnischen Pogrom 1941 verbrannt wurden. Auf dem Mahnmal prangt ein riesengroßes Hakenkreuz.
    "Die Minderheiten haben diese Vorfälle als Bedrohung empfunden, deswegen hat der Woiwode 2011 eine Gruppe für die Verbesserung ihrer Sicherheit gründen lassen."
    Marina und Said Mes-Chior sind Flüchtlinge aus Tschetschenien. Seit 2005 Jahre leben sie in Bialystok, kein Jahr ist ohne Zwischenfälle vergangen.
    "Eltern wollten ihre Kinder nicht mit unseren spielen oder in der Schule neben unseren sitzen lassen. Unsere Kinder würden nicht gut riechen oder seien schwarz. Dabei waren sie blond. Dauernd hörten wir: Geht zurück, wo ihr herkommt. Wir versuchen bis heute zu verschweigen, dass wir Tschetschenen sind, auf der Straße sprechen wir Polnisch. Wir wollen uns das alles nicht zu Herzen zu nehmen, aber vor allem am Anfang war das leichter gesagt als getan. Wenn man uns zum Beispiel einfach duzte," sagt der Ehemann Said. "Wir haben nicht aufgegeben, aber es war schwer."
    Der Tschetschene ist 44 Jahre alt, seine Frau 34, beide haben Arbeit, ihre Kinder sind hervorragende Schüler, der älteste macht Abitur, will Chirurg werden. Nach jedem Zwischenfall muss sich der Vater zwingen, ruhig zu bleiben.
    "Ich fühle mich nicht als Mensch zweiter Klasse und gestatte niemandem, mich dazu zu machen. Niemand erhebt sich über mich und so wie auch ich mich über niemanden erhebe. Aber vor drei Monaten haben sie mein Auto in der Nacht demoliert. Weil wir Tschetschenen sind. Ich habe mich gefragt, was mein Auto damit zu tun hat, aber dann dachte ich: Hol‘s der Teufel, es gibt Schlimmeres."
    Die tschetschenische Familie wird immer wieder mit dem Vorurteil konfrontiert, dass Tschetschenen Terroristen seien. Ähnlich oder sogar noch stärker werden in Bialystok in Ostpolen Roma abgelehnt. Der Journalist Stanislaw Stankiewicz, selbst Roma, listet gängige Diskriminierungspraktiken auf.
    "Arbeitgeber wollen keine Roma oder Sinti als Praktikanten nehmen, selbst wenn sie Hochschulausbildung besitzen oder einen Beruf haben. In Poznan soll einem Roma der Zutritt zu einem Restaurant verwehrt worden sein. Roma bekommen oft nicht normale kommunale, sondern Sozialwohnungen. Die befinden sich in Vierteln mit vielen Problem-Familien."
    Der Roma-Aktivist hält nicht viel von den staatlichen Programmen zum Schutz von Minderheiten. Davon gäbe es viel zu viele. Sie würden meist ohne die Betroffenen erarbeitet, häufig nicht umgesetzt und beschäftigen oft vor allem Nicht-Roma.
    Stanislaw Stankiewicz ist 70 und gehört dem internationalen Auschwitz-Komitee an, der größte Teil seiner Familie wurde von den Nazis ermordet. Zwar möchte er die Erinnerung an die Opfer wach halten, doch er ist vorgewarnt.
    "Wir wurden gefragt, ob wir eine Gedenk-Tafel für Roma wünschen. Aber wir hatten Angst, denn wir wussten ja, was mit dem Mahnmal in Jedwabne geschehen ist."
    Wichtiger als staatliche Anti-Diskriminierungsprogramme, sagen auch Said und Marina Mes-Chidor aus Tschetschenien, ist, dass die Behörden endlich einschreiten.
    "Früher passierte es viel häufiger, dass man vor der Wohnungstür Brandsätze gezündet hat, Scheiben eingeschlagen wurden. Seitdem die Polizei etwas unternimmt, ist es viel besser geworden."