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Polen
Streit über Verschärfung des Abtreibungsrechts

Polen streitet über das Abtreibungsrecht. Eine Bürgerinitiative fordert eine weitere Verschärfung, Frauen gehen dagegen auf die Straße. Die rechtskonservative Regierungspartei PiS hat eine Entscheidung im Parlament bislang auf die lange Bank geschoben. Denn auch viele ihrer Wähler sind gegen eine Verschärfung.

Von Florian Kellermann | 24.03.2018
    In Warschau ziehen Demonstranten mit einem großen Transparent gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts durch die Straßen.
    Protest gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts in Polen. (WOJTEK RADWANSKI / AFP)
    Der sogenannte Schwarze Protest endete vor dem Gebäude der rechtskonservativen Regierungspartei PiS. Dies sei derzeit einer der wichtigsten Orte in Warschau, meint Hanna Gaudasinska-Zapasnik, eine Programmiererin:
    "Hier fallen die Entscheidungen darüber, was in unserem Land vor sich geht. Genauer: Der Parteivorsitzende Jaroslaw Kaczynski trifft sie. Er verschafft seiner Partei Stimmen, indem er mit der Kirche einen Handel eingeht. Und dabei handelt er nebenbei auch mit meiner Gesundheit."
    Denn das Gesetz, das im Parlament liegt, und das von vielen PiS-Abgeordneten unterstützt wird, betreffe auch ihren Körper, so die 31-Jährige. Das polnische Abtreibungsrecht soll noch restriktiver werden - eine Forderung, die die katholische Bischofskonferenz in Polen ausdrücklich unterstützt. Bisher darf eine Frau abtreiben, wenn sie vergewaltigt wurde, wenn ihre Gesundheit in Gefahr ist oder wenn das Kind schwer behindert sein wird. Dieser letzte Grund soll laut Gesetzentwurf wegfallen.
    Vor allem junge Frauen demonstrieren
    "Ich denke, ich fühle, ich entscheide", skandieren die Versammelten, mehrere Tausend sind es, die meisten von ihnen jungen Frauen. Unter ihnen gibt es verschiedene Stimmen. Manche wollen das in Polen geltende Recht beibehalten. Andere wollen es liberalisieren, so Katarzyna Ziolkowska, eine 37-jährige Anwältin:
    "Ich bin Katholikin und gehe auch in die Kirche. Aber ich kann nicht begreifen, dass mir meine Freiheit geraubt wird. Es soll praktisch unmöglich werden, in Polen abzutreiben - und wir müssen dafür ins Ausland fahren, zum Beispiel nach Deutschland."
    Polnische Abtreibungsgegner argumentieren, auch Menschen mit einer Behinderung, etwa einem Down-Syndrom, könnten ein glückliches Leben führen. So sehen das 800.000 Polen, die für den Gesetzentwurf unterschrieben haben.
    Auch viele PiS-Wähler gegen schärferes Abtreibungsrecht
    Die Abtreibungsgegner bereiten der Regierungspartei PiS einiges Kopfzerbrechen. Diese hat sich den Schutz des ungeborenen Lebens auf die Fahnen geschrieben und will ihr gutes Verhältnis zur katholischen Kirche pflegen. Aber der Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski weiß, dass auch viele PiS-Wähler gegen ein schärferes Abtreibungsrecht sind.
    So ist es zu erklären, dass der Sozialausschuss seine Sitzung in dieser Woche kurzfristig abgesetzt hat. Kaja Godek, Vertreterin der Bürgerinitiative für das schärfere Abtreibungsrecht:
    "Wir sehen die Tendenz, das Ganze auf die lange Bank zu schieben. Wir erklären den Abgeordneten, dass das jeden Tag drei Kinder das Leben kostet. Der Sozialausschuss sollte sich so schnell wie möglich mit dem Gesetz befassen, damit es in zweiter Lesung beschlossen werden kann."
    Die Teilnehmer am Schwarzen Protest haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die Regierungspartei PiS doch noch auf ihre Argumente hört.