Grenzgänger: "Brot und Rosen"

Deutsche Volkslieder entstaubt

Die Band Grenzgänger spielt ein Konzert
Die Band Grenzgänger beim Konzert © Alexander Nichelmann / folksongs.de
Michael Zachcial im Gespräch mit Mascha Drost · 11.04.2017
Die Bremer Band "Grenzgänger" hat für ihr neues Album "Brot und Rosen" in Volksliedern aus acht Jahrhunderten gestöbert. Dabei haben sie zum Beispiel herausgefunden, dass das Lied "O Tannenbaum" ursprünglich eine Liebesklage war, erklärt Sänger Michael Zachcial.
Für ihr neues Album "Brot und Rosen" hat die Bremer Gruppe "Grenzgänger" Liebeslieder aus acht Jahrhunderten zusammengetragen und neu interpretiert. Es geht um Mutterliebe, um käufliche Liebe, um glückliche und natürlich auch um unglückliche Liebe. Das Ziel sei ein Gesamtpanorama der Liebeslieder gewesen, sagte Sänger und Frontmann Michael Zachcial im Deutschlandradio Kultur. "Wer uns kennt, weiß, dass wir im Prinzip auf das Volkslied immer auch den Blick werfen: was ist in der Zeit losgewesen? Vor welchem Hintergrund sind die Lieder eigentlich entstanden? Und was erfährt man heute noch drüber?"

Wie aus dem Brunnen ein "Brünnlein" wurde

Auf der CD finden sich klassische Volkslieder wie "Wenn alle Brünnlein fließen", das dort allerdings in Moll gespielt wird und "Wenn alle Brunnen fließen" heißt. Denn erst die Romantiker hätten aus dem Brunnen ein "Brünnlein" gemacht, um den sexuellen Gehalt zu entschärfen, sagt Zachcial.
Außerdem enthalten: "O Tannenbaum" - ein Lied, das man eher bei Weihnachten verorten würde als unter Liebeslieder: Doch das Lied sei ursprünglich eine Liebesklage gewesen, die einige Jahre vor dem heute bekannten Weihnachtslied entstanden sei, betont der Sänger. "Da wurde sozusagen das Immergrüne des Tannenbaums als Beispiel genommen für die Treue zwischen zwei Menschen. Und in dem Lied wird beklagt, dass das Mädchen nicht so treu ist wie der Tannenbaum."

Ein Dach über dem Kopf als Bedingung für die Liebe

Auch ein Lied zu Flüchtlingen ist dabei: "Wir wollten auch etwas Aktuelles machen zu dem Flüchtlingselend und deren Situation und haben dann eben auch diesen Titel von Hans Albers von 1947 ausgewählt - Das Lied der Flüchtlinge -, wo es eben darum geht, ein Dach über dem Kopf zu haben und einen Platz, an dem man sich was aufbauen kann, was eben auch eine Bedingung ist für die Liebe."
Letztlich gehe es bei den Liedern auch darum, die Idee von Heimat und Tradition mit neuem Leben zu füllen. "Aber nicht mit einem, das gnadenlos zu erhöhen und es quasi anzubeten", betont der Sänger. "Ich glaube, Gustav Mahler hat mal diesen schönen Satz gesagt: es geht nicht um die Anbetung der Asche, sondern um die Weiterreichung des Feuers. Und das ist eigentlich das, was wir auch versuchen, mit den Arrangements von den Stücken zu erreichen."
Die Bearbeitung der Lieder sei eine "Gratwanderung", sagt Zachcial. "Vielleicht heißt die Gruppe aus diesem Grund auch 'Die Grenzgänger', weil das immer ein schmaler Grat ist, auf dem man da wandelt. Für den einen ist es vielleicht schon zu viel, für den anderen ist es zu konventionell, was wir da machen."
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