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Polen will bei der Eurodebatte dabei sein

Die polnische Regierung unter Donald Tusk möchte aktiv in der ersten EU-Liga mitspielen. Während die rechtskonservative Partei des Ex-Ministerpräsidenten Kaczynski von dem Opfern der polnischen Souveränität auf dem von Deutschland geschmückten EU-Altar spricht, hofft die Tusk-Regierung auf mehr Macht für die EU-Institutionen.

Von Henryk Jarczyk | 08.12.2011
    Für den polnischen Premier gibt es keine Zweifel. Sollte es innerhalb der Eurozone zum Dammbruch kommen, argumentiert Donald Tusk, dann würde Polen die daraus resultierende Kettenreaktion voll zu spüren bekommen. Außerdem geht es für Warschau nicht mehr ausschließlich darum, ein Mitglied von vielen in der Europäischen Union zu sein, sondern auch um die Frage, ob es in der ersten oder der zweiten EU-Liga mitspielt.

    Donald Tusk: "Was Polen anbelangt, da sehen wir, dass die Vorschläge Deutschlands und Frankreichs auch unsere Postulate beinhalten. Natürlich gibt es da Unterschiede in der Formulierung. Wenn Bundeskanzlerin Merkel etwa von 27 Ländern spricht, von denen vielleicht einige nicht mitmachen wollen. Während Präsident Sarkozy von einer Gruppe der 17 Staaten redet, denen sich einige anschließen könnten, darunter auch Polen. Unserer Ansicht nach, ist das dennoch ein deutlicher Fortschritt. Und ich bin sicher, dass wir dies auch unserer Diplomatie zu verdanken haben."

    Um eben nicht abgehängt zu werden und auf keinen Fall zu jenen zu gehören, die leider draußen bleiben müssen, bemüht sich Polen seit Monaten an der Lösung der Eurokrise aktiv mitzuwirken. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Regierung in Warschau längst begriffen hat, dass es nur mit Hilfe Deutschlands und Frankreichs die in Europa herrschende Krise einigermaßen unbeschadet überleben kann:

    "Wir alle sind uns dessen bewusst, dass die Zeit der Scherze vorbei ist. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Unsere wirtschaftlichen Leistungen der letzten drei Jahre stehen auf dem Spiel. Das kann alles sehr schnell den Bach runter gehen, wenn die EU nicht die Kraft findet, den Zusammenbruch der Eurozone zu verhindern."

    Polen ist zwar kein Mitglied der Eurozone, versucht aber bis 2015 dabei zu sein. Unter anderem auch deshalb will sich die polnische Regierung aus der momentanen Euro-Debatte keineswegs heraushalten. Besonders deutlich wurde dies beim jüngsten Auftritt des polnischen Außenministers in Berlin. Darin forderte Wladyslaw Sikorski vor allem Deutschland auf, endlich die Reißleine zu ziehen und eine Führungsrolle bei der Rettung der Eurozone zu übernehmen. Ein Auftritt, der Sikorski nicht nur Freunde in Polen beschert hat. Im Gegenteil: Vor allem in extremkonservativen Kreisen regt sich Widerstand. Manch ein Politiker der Kaczynski-Partei spricht schon vom "Vierten Reich" und warnt davor, die polnische Souveränität auf dem von Deutschland geschmückten EU-Altar zu opfern. Und was den Außenminister anbelangt, da wird Jaroslaw Kaczynski nicht müde zu wiederholen, der Mann gehöre wegen Landesverrats vor ein Tribunal:

    "Was da zum Ausdruck gebracht wird, bedeutet, dass Polen ein Teil einer Föderation sein soll. Dass es aufhört, ein unabhängiger Staat zu sein. Das ist ein Verstoß gegen die Verfassung. Wenn wir das zulassen, dann wird Polen eine Kolonie sein, die billige Arbeitskräfte liefert. Wir wollen ein unabhängiges Polen, mit Bürgern, die selbstbewusst sind und nicht mit Bürgern, die eingeschüchtert werden und die bereit sind, zu sklavenähnlichen Bedingungen zu arbeiten."

    Alles Quatsch, entgegnet der polnische Premier. Niemand wolle Polen zum Vasallen Deutschlands machen. Dennoch müsste jedem bewusst sein, dass die EU dringend Reformen brauche. Und wer sich da querstelle, schade dem Land. Denn die Finanzturbulenzen, so der Donald Tusk, seien nur ein Symptom von vielen einer wesentlich tieferen Krise innerhalb der gesamten Union. Den Ideen Deutschlands und Frankreichs folgend, schlägt Tusk also vor, die europäischen Verträge schleunigst zu ändern. Und zwar so, dass damit endlich eine effektive Finanzdisziplin gewährleistet wird:

    "Kernpunkt der Vertragsänderung sollte die Stärkung der EU-Kommission sowie aller anderen EU-Institutionen sein. Vor allem, was die Haushaltskontrolle der Länder der Eurozone anbelangt. All das natürlich müsste in Zukunft einer demokratischen Aufsicht unterliegen. Diese Aufgabe könnte etwa das Europäische Parlament übernehmen. Gleichzeitig muss auch die Rolle der Europäischen Zentralbank gestärkt werden. Das mag vielen in der Eurozone nicht in den Kram passen. Aber es ist gefährlich, zu glauben, dass die Eurozone ohne eine mächtige Zentralbank auskommen könnte."

    Vorschläge, deren Anhänger sich in engen Grenzen halten, auch in Polen. Dennoch versucht Donald Tusk nicht nur seine Landsleute, sondern auch seine Kollegen in der gesamten EU davon zu überzeugen, dass Nichtstun wesentlich ernstere Konsequenzen für die EU haben dürfte.