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Polenz kritisiert Geheimhaltungspraxis für Rüstungsexporte

Für eine offene Diskussion über geplante Waffenlieferungen in Spannungsgebiete sei eine frühere Information durch die Bundesregierung nötig als bisher, findet der CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz.

Ruprecht Polenz im Gespräch mit Jasper Barenberg | 03.12.2012
    Jasper Barenberg: Nach der Debatte um Panzer vom Typ Leopard II erwägt die Bundesregierung offenbar möglicherweise ein weiteres Waffengeschäft mit Saudi-Arabien. Der "Spiegel" berichtet heute von einer offiziellen Anfrage, in der es um mehrere hundert Radpanzer des Modells Boxer geht. Schon rügt die Opposition das mögliche Geschäft.
    Darf Deutschland Kriegsgerät an ein autoritäres undemokratisches Regime wie Saudi-Arabien liefern und zeichnet sich ein Abschied von der bisher ausdrücklich zurückhaltenden Exportpolitik Berlins ab? Die Diskussion darüber ist abermals in vollem Gange. Am Telefon ist Ruprecht Polenz, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag.

    Schönen guten Morgen, Herr Polenz.

    Ruprecht Polenz: Einen schönen guten Morgen.

    Barenberg: Wir haben es ja gerade im Bericht aus Berlin gehört. Claudia Roth hält die mögliche Lieferung für eine Kumpanei mit Menschenrechtsverletzern und für eine Kumpanei gegenüber militanten Fundamentalisten. Was antworten Sie der Vorsitzenden der Grünen?

    Polenz: Zunächst einmal würde ich antworten, dass wir bisher keine verlässlichen Informationen darüber haben, was geplant sein könnte oder wie Anfragen vorliegen, denn das ist das Dilemma für uns Parlamentarier: Der Bundessicherheitsrat tagt geheim, offensichtlich oder möglicherweise aber wiederum nicht so geheim, dass nicht doch etwas durchsickert, woraus dann Presseberichte entstehen. Und es ist dann immer schwierig zu kommentieren, unter der Hypothese, dass der Pressebericht stimmt, würde man das und das sagen, möglicherweise stimmt er aber gar nicht. Deshalb habe ich in der Vergangenheit schon häufiger darauf hingewiesen, dass wir doch gemeinsam mit der Bundesregierung überlegen sollten, ob die bisherige Praxis, über solche Vorhaben erst sehr, sehr viel später mit dem jährlichen Jahresrüstungsbericht zu informieren, ob die so weiter beibehalten werden soll, oder ob man nicht zeitnäher informiert.

    Barenberg: Das heißt, Sie wären dafür, dass man öffentlich verlässliche Informationen seitens der Bundesregierung herausgibt?

    Polenz: Ich bin mir schon darüber bewusst, dass es auch vertrauliche Phasen bei solchen Rüstungsexportgeschäften geben kann, aber die jetzige Situation, dass über eine lange Zeit weg durch Spekulationen über das, was der geheim tagende Bundessicherheitsrat möglicherweise beschlossen oder vielleicht doch nicht beschlossen hat, das tut der Diskussion in der Sache nicht gut. Man muss über die Fragen grundsätzlich öffentlich reden können, auch über die Frage, die Frau Roth aufgeworfen hat: Sehen wir hier einen Wechsel in der restriktiven Rüstungsexportpolitik Deutschlands oder sehen wir ihn nicht. Ich würde es für richtig halten, wenn Deutschland grundsätzlich an der restriktiven Rüstungsexportpolitik festhält.

    Barenberg: Und das, um da gleich einzugreifen, sehen Sie schon in Gefahr, die Zukunft dieser restriktiven, sehr zurückhaltenden Exportpolitik?

    Polenz: Ja wir steigen jetzt in diese hypothetische Diskussion ein: Wenn, dann. Ich weiß nicht, ob und inwieweit diese Geschäfte angebahnt werden, gediehen sind. Wir könnten jetzt über die Region diskutieren, über die ambivalente Rolle Saudi-Arabiens, die einerseits, was die wirtschaftliche Zusammenarbeit, vor allen Dingen auch die Sorge um den Weltölpreis angeht, sehr in unserem Interesse ist. Die aber andererseits - das ist zurecht kritisiert worden - im Hinblick auf die arabischen Nachbarländer und das, was dort an Umwälzungen passiert, Gruppen wie die Salafisten unterstützt. Jedenfalls werden sie aus Saudi-Arabien unterstützt, wenn vielleicht auch nicht durch die saudische Regierung -eine Entwicklung, die uns Sorgen macht.

    Barenberg: Aber, Herr Polenz, ergibt sich aus dem, was Sie jetzt gerade dargelegt haben, nicht einfach eine ganz klare Haltung, dass es Waffenexporte deutscher Rüstungsgüter in ein solches Land nicht geben kann?

    Polenz: Nein, das würde ich gerne breiter diskutieren. Wir sehen eine Konfrontation in der Region auch zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Wir sehen eine relativ offensive iranische Raketenrüstung beispielsweise. Wir sehen Probleme zwischen Saudi-Arabien und dem Jemen im dortigen Grenzbereich. Man soll darüber diskutieren. Grundsätzlich haben wir die Linie - und da knüpfe ich an Ihre Frage an -, dass wir in Spannungsgebiete nicht Waffen exportieren sollten. Wir müssen allerdings auch sehen, dass beispielsweise die Amerikaner in dieser Region und wohl auch andere Länder eine deutlich andere Rüstungsexportpolitik verfolgen. Es ist vor Jahren ein 60-Milliarden-Rüstungsdeal zwischen den USA und Saudi-Arabien abgeschlossen worden.

    Barenberg: Sie sind also schon dafür, das habe ich richtig verstanden, die Position, grundsätzlich keine Waffen in Spannungsgebiete, aufzuweichen?

    Polenz: Nein, dafür bin ich nicht, sondern wenn man in Spannungsgebiete Waffen liefert, muss man sich sehr genau anschauen, ob dadurch die Spannungen erhöht werden oder nicht. Es kann auch sein, dass bestimmte Rüstungsgüter zur Stabilisierung beitragen. Das was ich vermisse ist, dass wir über diese Fragen nicht grundsätzlich und offener diskutieren können durch diese bisherige Praxis. Das ist das Problem an der Sache. Was Saudi-Arabien angeht und die Region des Nahen Ostens kommt allerdings noch hinzu - und das ist ja eine Konstante deutscher Außenpolitik -, dass wir die Sicherheitsinteressen Israels im Auge behalten müssen und dass es von daher in jedem Fall auch eine enge Abstimmung bei solchen Überlegungen mit Israel geben sollte.

    Barenberg: Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages heute Morgen im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, Ruprecht Polenz. Vielen Dank!

    Polenz: Bitte schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.