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Polenz: Unübersichtliche Situation in Syrien spricht gegen Waffenlieferungen

Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, hält es für problematisch, syrische Rebellen mit Waffen zu beliefern. Er könne nicht beurteilen, ob die Waffen in die richtigen Hände kämen. Dafür sei die Situation zu unübersichtlich, sagt der CDU-Politiker.

Ruprecht Polenz im Gespräch mit Mario Dobovisek | 23.03.2013
    Mario Dobovisek: Weiter also keine wirkliche Einigkeit über Waffenlieferungen für die syrische Opposition. Am Telefon mitgehört hat Ruprecht Polenz, der CDU-Politiker ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Guten Morgen, Herr Polenz!

    Ruprecht Polenz: Einen schönen guten Morgen!

    Dobovisek: Zwei Jahre Blutvergießen in Syrien, erstmals sollen auch Chemiewaffen zum Einsatz gekommen sein – ist es an der Zeit, die syrische Opposition auch mit Waffen zu unterstützen?

    Polenz: Sie haben ja gerade die Diskussion der europäischen Außenminister referiert und darüber berichtet. Ich glaube, es ist deshalb so schwierig, weil man wirklich in einem Dilemma ist. Die Situation ist ja die: Es gibt kein internationales Waffenembargo, verhängt etwa durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Das führt zu einer Lage, dass beispielsweise Russland und der Iran jede Menge Waffen an das Assad-Regime liefern, und dass Länder aus der Region, wie man hört, Saudi-Arabien oder Katar, Geld und Waffen an die Rebellen liefern – und dort wohl nicht nur an die Gruppen, wo man sagen würde, ja, das ist in Ordnung, die sind unter dem Kommando etwa von General Idriss und sind keine extremistischen Gruppen. Also man hat da schon die Sorge, dass auch besonders radikale Gruppen, die es ja unter den Rebellen auch gibt, Waffen bekommen.

    Dobovisek: Was spräche also dagegen, dass man seitens der Europäischen Union die Kräfte fördert, die einem dann doch vielleicht ein bisschen sympathischer wirken?

    Polenz: Ja, das ist genau die Frage, die sich jetzt Frankreich und Großbritannien gestellt haben. Dazu müsste man das europäische Waffenembargo aufheben. Die andere Möglichkeit wäre: Man erreicht tatsächlich ein Waffenembargo, das der Sicherheitsrat beschließt. Aber bisher war Russland und in der Gefolge auch China nicht dazu bereit. Das ist die Ausgangslage. Auf der anderen Seite spricht natürlich weiterhin gegen die Lieferung von Waffen die Unübersichtlichkeit der Situation in Syrien. Kann man wirklich ausschließen, dass Waffen in falsche Hände fallen? Wie wirkt sich das aus, wenn man jetzt weiter auf militärische Auseinandersetzung setzt? Und wird das Blutvergießen nicht dadurch möglicherweise noch schlimmer? Das sind die Fragen, die die Entscheidung der Außenminister so schwierig machen, und ich kann die Bundesregierung gut verstehen, wenn sie das auf die Formel bringt: Wir sind weiter skeptisch. Ich selber als Abgeordneter habe nicht die Möglichkeit, zu beurteilen: Wie sicher kann man sein, wenn man Waffen liefert, ob sie in die richtigen Hände geraten oder nicht?

    Dobovisek: Sie sprachen an, dass das Waffenembargo ja ausgesetzt werden könne. Wenn ich es richtig verstanden habe, wird das Ende Mai ohnehin auslaufen, muss von allen 27 Mitgliedsstaaten einstimmig verlängert werden oder abgeändert werden. Wenn das nicht geschieht, dann gibt es einfach kein Waffenembargo mehr. Und William Hague, der britische Außenminister, hat gestern ganz klar damit gedroht, auch im Alleingang zu handeln, sprich, möglicherweise eine solche Verlängerung zu blockieren. Was klingt da raus?

    Polenz: Interessanterweise haben die Franzosen das so nicht gesagt, und ich fände es auch besser, wenn sich die Europäische Union auch weiterhin auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen könnte, was auch darin liegen könnte letztlich, dass die EU insgesamt sagt: Wir verlängern das Waffenembargo nicht und sind dann auch dafür, dass eins der Länder, die sich das Urteil darüber zutrauen, dass die Waffen in die richtigen Hände kommen, dann von ihren Möglichkeiten Gebrauch machen. Aber das wäre dann Ende Mai der Fall, diese Situation, wenn das Waffenembargo ausläuft. Die Frage, die sich natürlich auch stellt, ist: Was passiert bis dahin? Wir haben im Augenblick eine Situation in Syrien, wo nach den Meldungen, die wir bekommen, täglich 120 bis 200 Menschen ums Leben kommen.

    Dobovisek: Israels Staatspräsident Schimon Peres hat vor dem EU-Parlament in seiner Rede ganz klar ein UN-Mandat gefordert für eine Blauhelm-Mission. Wäre das aus Ihrer Sicht eine Option? So könnte man ja zumindest sicherstellen, dass die Waffen nicht in falsche Hände geraten.

    Polenz: Also eine UN-Mission, eine Blauhelm-Mission mit dann einer starken Truppe und mit einem Kapitel-VII-Mandat könnte sicherlich die Situation beruhigen. Die Frage ist nur: Wird der Sicherheitsrat so etwas beschließen? Das würde auch bedeuten, dass Russland seine bisherige Position ändern muss, und wir kommen immer wieder, wenn es um die Vereinten Nationen geht, an diesen Punkt. Russland ist bisher nicht bereit, seine schützende Hand von Assad wegzunehmen, von einem Assad, der immer brutaler gegen die Bevölkerung vorgeht, der mit Skatraketen auf Wohngebiete schießen lässt, und der seine Luftwaffe die Zivilisten bombardieren lässt.

    Dobovisek: Welche Möglichkeit hätte da die Europäische Union ohne Russland zu agieren?

    Polenz: Wir haben die Möglichkeit, zunächst einmal alles das zu tun, was jetzt getan wird. Wir helfen humanitär, wir versuchen, uns so gut es geht, um die Flüchtlinge zu kümmern, und wir versuchen, politischen Druck zu machen.

    Dobovisek: Und Sie könnten Waffen liefern.

    Polenz: Das könnten einige europäische Länder machen, und ich gebe ja jetzt auch nur diese Debatte wieder, die jetzt in Irland geführt worden ist.

    Dobovisek: Dann möchte ich noch mal festhalten, Herr Polenz: Halten Sie persönlich eine Waffenlieferung für richtig? Ja oder nein?

    Polenz: Ich persönlich bin auch weiterhin skeptisch, weil aus meiner Kenntnis ich persönlich nicht sicher bin, dass sie in die richtigen Hände kommen. Ich persönlich kann es nicht beurteilen. So haben Sie gefragt, so würde ich Ihnen antworten.

    Dobovisek: Der Stabschef der Freien Syrischen Armee Selim Idris sagt oder behauptet, sobald aus der EU Waffenlieferungen kämen, würde das Regime Assads innerhalb eines Monats gestürzt werden. Wie klingt denn, anders gefragt, wie klingt denn diese Option für Sie?

    Polenz: Ich habe schon vor einem halben Jahr von syrischen Oppositionellen gehört: Es ist nur noch eine ganz kurze Frage der Zeit, bis Assad militärisch aufgeben muss. Ich kann verstehen, dass man zu solchen Einschätzungen kommt, aber niemand kann vorhersehen, ob sie tatsächlich zutreffen. Ich glaube, dass General Idris diese Aussage nach seinem besten Urteil gemacht hat, aber bisher haben wir solche Urteile auch von anderen Oppositionellen gehört und sie sind nicht eingetreten.

    Dobovisek: Bisher fehlen ja auch die Waffenlieferungen aus der Europäischen Union. Darüber haben gestern die Außenminister der Europäischen Union beraten, und es bleibt auch dabei: keine Waffen aus der EU für den Kampf gegen Assad. Der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz war das. Ich danke Ihnen für das Gespräch!

    Polenz: Bitte schön!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.