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Politik-Inszenierung
Lindners Show

Jamaika ist wieder eine Insel in der Karibik und kein Koalitionsprojekt mehr. Die FDP in Gestalt Christian Lindners verkündete das Aus - und Journalisten boten der Lindner-Show einmal mehr die Bühne, so unser Glossist.

Von Peter Zudeick | 20.11.2017
    Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner äußert sich am 20.11.2017 vor Beginn der Sitzung von FDP-Bundesvorstand und Fraktion nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen von CDU, CSU, FDP und Grünen in Berlin gegenüber Journalisten.
    Nach dem Ende der Sondierungsgespräche - FDP-Chef Lindner tritt vor die Presse. (dpa / Bernd von Jutrczenka)
    Warum bloß? Warum haben wir ihm nicht geglaubt? Es klang doch so überzeugend.
    "Wir sind nicht ganz Banane."
    Ja, das auch, aber ich meine das hier:
    "Wir werden uns nicht, weil die SPD sich einseitig aus Parteitaktik in die Opposition flüchten will, in eine Regierung drängen lassen."
    Klare Ansage. Direkt nach der Bundestagswahl. Nicht drängen lassen. Ich meine, wer das nicht versteht, hat’s schwer mit den Ohren. Der Lindner war herzlich erschrocken über die Aussicht, mit Merkel in einer Regierung rumzusitzen. Das kann man doch verstehen. Und hat frühzeitig elementare inhaltliche Vorgaben gemacht.
    "Wir wollen Deutschland erneuern. Es soll weltoffener, moderner, flexibler werden."
    Und das heißt:
    "Wir wollen an acht Sonntagen die Ladenöffnung ermöglichen."
    Genau. Das waren die Voraussetzungen für ein Comeback – zuerst in Nordrhein-Westfalen, dann im Bund.
    "Diese Chance auf ein Comeback werden wir nicht verspielen, indem wir uns von wem auch immer zum nützlichen Idioten für beliebige Mehrheiten machen lassen."
    Das wär’s dann eigentlich gewesen. Hätte man den nützlichen Idioten ernstgenommen, hätte man sich die Sondierungen sparen können. Und selbst während dieser Gespräche waren die Hilferufe des armen Christian doch unüberhörbar. Alle paar Meter tönte das Neuwahl-Glöcklein. Gefolgt von halbgaren Beschwichtigungsformeln.
    "Wir streben keine Neuwahlen an, fürchten aber auch die Wählerinnen und Wähler nicht."
    Und warum redet er denn dann unentwegt von Neuwahlen?
    "Weil ich ein höflicher Mensch bin und versuche, so selten wie überhaupt möglich ausweichend zu antworten."
    An dem Punkt durfte man sich dann fragen, was die Damen und Herren Journalistenkollegen dafür kassiert haben, dass sie immer wieder diese Frage stellten. Das Blöde ist bloß: Man hat’s ihm da immer noch nicht geglaubt, weshalb der Mitternachtscoup seine letzte Chance war. Immerhin, das war gekonnt: Rausmarschieren und das Ende der Sondierungen verkünden, als alle anderen meinten, eine Einigung sei nun endlich zum Greifen nah. Und die durften sich die Absage dann im Fernsehen anschauen. Ein starker Abgang.
    Lindner liebt starke Abgänge. Ende 2011, als die FDP unter Philipp Rösler in einer tiefen Krise war, trat er als Generalsekretär zurück. Er verließ das sinkende Schiff, weil er nicht mit absaufen wollte. Ist jetzt genauso: Er hat Angst, dass er von Angela Merkel an die Wand regiert werden könnte wie damals Guido Westerwelle. Deshalb zog er die Reißleine, als es wirklich nach einer Einigung aussah. Weil er auch dieses Mal überhaupt keinen Bock auf Absaufen hat. Haben wir’s jetzt verstanden? Na, endlich.