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Politik zwischen Bits and Bytes

Die Hackerspace Warpzone in Münster ist ein gemeinnütziger Verein für Computer-Enthusiasten. Mehrmals wöchentlich treffen sich die Mitglieder, um zu programmieren oder zu basteln. Politik wird hier nur selten besprochen - vielmehr scheint das Thema Politikverdrossenheit das verbindende Element zu sein.

Von Jonas Reese | 12.07.2012
    "Da haben wir noch einen Fehler im System. Das sollte eigentlich nicht so klingen."

    Lars Möller, Mitte zwanzig, kurze blonde Haare, groß gewachsen, randlose Brille. Mit langen Fingern lötet er noch an den letzten Drähten seines selbst gebauten 3D-Druckers. Ein Gerippe aus Aluminiumstangen, zig kleinen Kabeln und bunten Plastikteilen. Es ist eine Maschine, die Lars mit ein paar anderen Technik-Freaks in seiner Freizeit gebaut hat. Sie soll jetzt einen dreidimensionalen Space-Invader – eine legendäre Computer-Figur - drucken – und zwar nicht auf Papier, sondern aus feinem Kunststoff.

    Der 3-D-Drucker steht im Labor des Hackerspace Warpzone in Münster, Westfalen. Hackerspace, das klingt nach verrauchtem Kellerraum für Computerexperten, die sich in fremde Netzwerke einhacken und dort ihr Unwesen treiben. Aber weit gefehlt, sagt Lars Möller, im Hauptberuf IT-Berater.

    "Wir sind ein gemeinnütziger Verein, wo sich Leute treffen, die technisch interessiert sind und meistens technische Dinge machen."

    Ein Verein für Computer-Enthusiasten also. In zwei hellen, gefliesten Räumen am Rande der Stadt treffen sich mehrmals wöchentlich ein Dutzend Männer und eine Frau zwischen 20 und Mitte 40, um zu löten, zu programmieren oder zu basteln. Hardware-Hacking nennen sie das hier - das Zweckentfremden von elektronischen Geräten. So wird zum Beispiel ein Video-Decoder zu einem Internetradio umfunktioniert.

    Fehler im System, wie sie Lars Möller bei seinem Drucker vermutet, interessieren ihn in erster Linie aus technischer Sicht. Diskussionen über politische Systemfehler finden in diesen Räumen nicht statt. Über seine persönlichen politischen Vorlieben redet hier keiner gerne. Einzig das Thema Politikverdrossenheit scheint das verbindende Element zu sein.

    "Ja, das frustriert einen schon ziemlich, man bekommt schon mit, was einfach immer wieder schief geht in der Politik. Dass immer wieder unglaubliche Mengen an Gelder verschwendet werden, wo ich mir dann an den Kopf packe und mich frage, muss das denn sein, das könnte man doch mit etwas gesundem Menschenverstand einfacher und besser regeln. Das war auch mit ein Grund, warum ich mich damit nicht mehr so befasst habe."

    Wählen gehen wird Lars Möller dennoch bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr. Das sieht er als seine Bürgerpflicht an. Gute Aussichten auf seine Stimme hat dann die Piratenpartei – nicht wirklich überraschend für einen Computer-Nerd, wie er sich selbst nennt. Die Piraten sprechen eben die Themen an, die ihn interessieren.

    "Die werben recht eindeutig, mit dem was sie tun, für diese internettechnischen Dinge. Ich meine das Problem ist, man bekommt von denen NUR die technischen Dinge mit, die ich auch gut finde, die sie da vorhaben. Aber sie sind halt schon sehr spezialisiert, und es gibt noch sehr viel Anderes, was die Politik leisten muss."

    Datenschutz, Urheberrecht, Freiheit im Internet - das meint Möller mit internettechnischen Dingen. Doch darüber hinaus, was ist ihm sonst noch wichtig?

    "Puhh, schwer zu sagen, so konkret könnte ich das jetzt nicht sagen."

    Er zieht die Augenbrauen hoch und zupft seine randlose Brille zurecht.

    "Aber ich befass mich nicht so intensiv mit dem Thema, dass ich genau wüsste, welche Partei welches Wahlprogramm hätte, um es auch wirklich sinnvoll entscheiden können. Also ich schau eher oberflächlich und entscheide dann, das ist immer noch sehr viel besser als nicht wählen zu gehen."

    Philipp Klawes, 27 Jahre alt, ist gerade fertig geworden mit seinem Informatik-Studium und momentan auf Jobsuche. Das blonde Haar ist kurz geschoren, auf den Wangen glänzen einzelne Bartstoppeln im Neonlicht. Er sitzt vor seinem Laptop und klickt in einem Schaltplan für einen Mini-Computer, den er entwickeln will. Von der Politik ist auch er etwas enttäuscht.

    "Es ist eine gewisse Verlogenheit und viel, viel Eigennutz, den man so mitbekommt. Man hat den Eindruck, die Politiker sagen immer nur das, was sie sagen müssen, um ihre Position zu halten, wo sie und ihre Kumpels davon profitieren und nicht das, was effektiv in der Situation am besten wäre und wo die meisten profitieren würden."

    Wie das konkret getan werden soll, das will Klawes dann aber nicht sagen. Er blickt auf seinen Computerbildschirm und klickt in seinem Schaltplan herum. Mit Computerdingen kenne er sich aus, mit Politik nicht so.

    "Das sind Themen, wo ich keine extreme Fachkenntnisse habe. Deshalb halte ich mich da mit Meinung zurück, das heißt ich weiß nicht, ob das eine oder das andere besser ist im Endeffekt. Ich weiß nicht, ob wir aus Afghanistan raus sollen oder nicht. Das kann ich nicht sagen, da bin ich kein Experte. Wenn da jemand mit einem überzeugenden Konzept ankommt, dann wäre das sicherlich ein Argument, das ist ja ein komplexes Thema. Da gibt es sicherlich bessere Experten als mich."

    Auch Klawes kann sich vorstellen, nächstes Jahr die Piraten zu wählen. Weniger wegen ihrer Inhalte, als wegen ihrer neuen Art Politik zu machen. Mehr Mitsprache, mehr Transparenz, mehr Bürgerbeteiligung, wie es die Politikneulinge versprechen, das gefällt ihm. Doch bei aller Sympathie sieht er die Piraten mittlerweile auch etwas skeptisch.

    "Sie haben zu vielen Themen Meinungen, nur sie haben nur zu diesen Themen auch sehr viele Meinungen, weil es keine einheitliche Struktur gibt. Man liest immer wieder, die Piraten sagen dies, die Piraten sagen das, ja das sagt dann irgendeiner daraus, sie haben keine klassische Struktur, wo einer am Ende oben für die ganze Partei spricht, sondern jeder sagt seine eigene Meinung, das heißt man kann welche Aussage man ihnen andichten will, irgendwer hat es bestimmt schon gesagt."

    Dennoch: Wenigstens könne man bei den Piraten die Entscheidungsprozesse verfolgen und auf sie einwirken, sagt Klawes. Hat er diese Möglichkeit auch schon genutzt?

    "Bisher noch nicht, weil ich bin bisher immer nach dem Prinzip verfahren bin: Alles ist besser als der Status quo."