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Politikerkarrieren
Portugals Pofalla

Zwei Wechsel von Politikern in die Wirtschaft sorgen in Portugal für Wirbel: Der ehemalige stellvertretende Ministerpräsident José Luís Arnaut wechselt in die Führungsriege der Investmentbank Goldman Sachs, der ehemalige Finanzminister Vítor Gaspar bewirbt sich beim IWF. Die Opposition ist empört.

Von Tilo Wagner | 20.01.2014
    Der ehemalige Finanzminister Portugals, Vitor Gaspar, will zum IWF wechseln
    Der ehemalige Finanzminister Portugals, Vitor Gaspar, will zum IWF wechseln (dpa/picture alliance/Manuel De Almeida)
    Anfang Dezember an der Börse in Lissabon: Die Aktien der portugiesischen Post werden zum ersten Mal frei gehandelt. Die Privatisierung weckt bei internationalen Investoren starkes Interesse. Und es gibt einen großen Gewinner: Die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs sichert sich fast fünf Prozent der Aktien und besitzt damit den größten Anteil an dem ehemaligen Staatsunternehmen.
    Eingefädelt wurde der Aktienkauf damals durch José Luís Arnaut. Der ehemalige Minister leitete zuletzt eine Finanzkontroll-Kommission der regierenden konservativen PSD und gilt als enger Vertrauter von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Goldman Sachs hat an seiner Arbeit offenbar Gefallen gefunden. Nur einen Monat nach der Post-Privatisierung ist der portugiesische Politiker nun in den exklusiven Kreis internationaler Berater berufen worden. In Zukunft soll Arnaut die Geschäfte der amerikanischen Investmentbank in Portugal, Europa und in Teilen Afrikas verwalten.
    Opposition: Arnaut wird sich einflussreiche Rolle zunutze machen
    Der Jobwechsel des ehemaligen Ministers empört die Opposition im portugiesischen Parlament. Schließlich wird Goldmann Sachs eine Teilschuld an der schweren Finanzkrise gegeben, die auch Portugal nachhaltig erschüttert hat. António Galamba, Vorstandsmitglied der Sozialisten, kritisiert, dass die US-Bank sich nun Arnauts einflussreiche Rolle beim Zusammenspiel von öffentlichen und privaten Interessen in Portugal zunutze machen werde:
    "So etwas hat es in der portugiesischen Geschichte noch nicht gegeben: Arnaut hat bei fast allen großen Geschäften des Staates in den letzten zwei Jahren mitgewirkt und wechselt jetzt in Rekordzeit zu Goldman Sachs. Arnaut war an der Privatisierung des Energiekonzerns EDP, des Flughafenbetreibers ANA und der Staatspost beteiligt, hat zudem mit den Banken die Konditionen der ruinösen Risikokreditversicherungs-Geschäfte staatlicher Unternehmen neu verhandelt und half bei der staatlichen Rettung von zwei privaten Geldhäusern."
    Mehr öffentlich-private Partnerschaften als in anderen EU-Ländern
    Den Kern dieser Kritik teilt João Batalha von der Anti-Korruptionsorganisation "Transparência e Integridade". Allerdings verweist Batalha darauf, dass auch führende sozialistische Politiker in den vergangenen Jahren Spitzenpositionen in Großunternehmen übernommen haben:
    "Es gibt keinen Unterschied zwischen den Konservativen und den Sozialisten. Alle portugiesischen Parteien, die an der Regierung sind oder waren, sitzen zusammen in einem Boot. Sie zeigen keinerlei Willen, diese gravierenden Interessenskonflikte wirklich lösen zu wollen."
    Rein juristisch gesehen hat sich José Luís Arnaut nichts zuschulden kommen lassen. Er hat die Karenzzeit von fünf Jahren eingehalten, die portugiesische Regierungsvertreter davon abhält, unmittelbar von der Politik in die freie Wirtschaft zu wechseln. Das Problem liegt woanders. Portugal hat in den vergangenen Jahren bei der Umsetzung großer Infrastrukturprojekte so viele öffentlich-private Partnerschaften geschlossen wie kein anderes EU-Land. Diese enge Verzahnung zwischen staatlichen und privatwirtschaftlichen Interessen fördere die Korruption, sagt João Batalha:
    "Wenn in Portugal ein Minister eine öffentlich-private Partnerschaft geschlossen hat, die einem privaten Unternehmen 30 Jahre lang Einkünfte garantieren, kann der Minister auch einfach mal fünf Jahre warten und dann in das Unternehmen einsteigen. Wir brauchen einen viel anspruchsvolleren Verhaltenskodex, der sich nicht nur auf bürokratische Regeln wie Karenzzeiten konzentriert."
    Gaspar geht "quasi nach Hause"
    Der Wechsel von José Luís Arnaut zu Goldmann Sachs ist nicht die einzige umstrittene Personalentscheidung in Portugal. Auch der ehemalige Finanzminister Vítor Gaspar sucht einen neuen Job. Gaspar war im vergangenen Juni zurückgetreten, weil er nicht mehr an die erfolgreiche Umsetzung des Spar- und Reformprogramms geglaubt hatte, das Portugal mit der Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank vereinbart hatte. Jetzt bewirbt sich Gaspar ausgerechnet um ein hochrangiges Amt im Schoße jener Troika. Für den Anti-Korruptions-Aktivisten João Batalha ist Gaspars Wechsel kein großes Problem, sondern fast eine logische Konsequenz:
    "Vítor Gaspar hatte schon immer den Ruf eines Technokraten, der international geschätzt wird. Wir in Portugal haben ihn eher als einen Abgeordneten der Troika gesehen, und nicht als den Finanzminister Portugals. Wenn er jetzt zum IWF geht, dann ist das keine Überraschung. Er würde praktisch nach Hause zurückkehren."
    Dennoch nährt auch Gaspars möglicher Wechsel nach Washington ein Gefühl, das viele Portugiesen teilen, wenn es um die politische Elite ihres Landes geht: Dass manche Politiker in erster Linie an sich denken, und nicht an das Wohl des Landes.