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Politikwissenschaftler: FDP wird im Bundestag bleiben

In Bayern haben die Wähler die FDP aus der Regierung und auch gleich aus dem Landtag geworfen. Bei der Bundestagswahl würden aber viele ihre Zweitstimme der FDP geben, weil sie eine Fortsetzung von Schwarz-Gelb wollten, glaubt Wichard Woyke, Politikwissenschaftler an der Universität Münster.

Wichard Woyke im Gespräch mit Christoph Heinemann | 16.09.2013
    Christoph Heinemann: Die Zahlen: CSU 47,7 Prozent, deutliche Gewinne, SPD 20,6 leichter Zuwachs, Freie Wähler 9,0, etwas weniger als vor fünf Jahren, auch die Grünen verlieren leicht, 8,6 Prozent. Diese vier Parteien werden im Landtag vertreten sein. Nicht mehr dabei die FDP, 3,3 Prozent, auch die Linkspartei scheitert an der Fünf-Prozent-Hürde. Siege und Niederlagen sind Ansporn für die letzte Woche des Bundestagswahlkampfes. So viel wissen wir. Die Bundesparteien haben in der Hauptstadt das Ergebnis der Landtagswahlen bewertet. Am Telefon ist Professor Wichard Woyke, Politikwissenschaftler der Universität Münster. Guten Tag.

    Wichard Woyke: Guten Tag, Herr Heinemann.

    Heinemann: Professor Woyke, geht irgendeine Botschaft von der Landtagswahl in Bayern für die Bundestagswahl aus?

    Woyke: Wenn es eine Botschaft gibt, dann ist es die, dass das Rennen noch nicht gelaufen ist, dass alles möglich ist und dass gerade in dieser letzten Woche noch sehr viel passieren kann, gerade vor dem Hintergrund, dass über ein Drittel der Wähler noch unentschlossen sind, ob sie wählen und wen sie wählen.

    Heinemann: Nun ist schon was passiert, nämlich der SPD-Politiker Matthias Machnig steht im Verdacht, doppelt abkassiert zu haben. Jürgen Trittin wegen eines pädophil gefärbten Wahlkampfprogramms aus den 80er-Jahren steht in der Kritik. Rechnen Sie damit, dass solche Nachrichten beim erwartet knappen Wahlausgang den Ausschlag geben könnten?

    Woyke: Ich denke nicht, dass das den Ausschlag geben kann, aber ich denke, dass der eine oder andere Wähler sich bei der Stimmabgabe von solchen Nachrichten durchaus beeinflussen lassen wird. Man weiß es aber nicht, wie viele Wähler das sein werden und ob es solch eine Größe erreichen kann, dass das tatsächlich auch wahlentscheidend ist. Ich denke, wahlentscheidender sind tatsächlich die Aussagen der Parteien, die Spitzenkandidaten dieser Parteien und was sie in der nächsten Legislaturperiode machen wollen.

    Heinemann: Schauen wir noch auf die Opposition. Findet sich die Linke langsam endgültig mit ihrer Rolle als Ostpartei ab?

    Woyke: Ich denke, dass man das jetzt noch nicht wird sagen können. Es gibt wieder die Tendenz dazu, dass die Linke sozusagen als eine ostdeutsche Regionalpartei sich firmiert. Aber diese Tendenz hatten wir schon mal, um dann zu erleben, dass die Linke sich auch in den westdeutschen Ländern in den Landtagen etablierte. In Bayern war die Linke noch nie stark und deswegen ist das keine Aussage.

    Heinemann: Professor Woyke, die NPD ist im Promillebereich geblieben, unter ein Prozent. Welche Auswirkungen könnte dies auf das Verbotsverfahren haben?

    Woyke: Ich denke mal nicht, dass dieser niedrige Wert der NPD in Bayern mit eine Rolle spielen wird, sondern für das Verbotsverfahren sind andere Gründe und andere Aspekte mit entscheidend, die das Bundesverfassungsgericht würdigen wird. Man wird das zur Kenntnis nehmen, aber ich denke nicht, dass man das so entscheidend zur Kenntnis nehmen wird und sagen wird, von daher ist die Demokratie in Deutschland durch die NPD nicht mehr gefährdet. Nein, wenn Sie sich die Programmatik angucken und wenn Sie sich auch die Aussagen angucken und die Akteure, dann sieht das ganz anders aus.

    Heinemann: Wie sehen Sie das? Motiviert die Opferrolle der FDP die Wähler? Die FDP hat ja den Einzug verpasst in Bayern. Motiviert das Wähler, oder schreckt es eher ab?

    Woyke: Ich denke, gerade vor dem Hintergrund, dass die Umfragen für die FDP zwischen vier und sechs Prozent in den letzten Wochen waren und damit eine gute Chance besteht, dass die FDP die Fünf-Prozent-Klausel überschreiten wird, wird das meines Erachtens eine große Anzahl von Wählern dazu veranlassen, doch tatsächlich die FDP mit der Zweitstimme zu wählen. Denn wir haben ja doch eine Mehrheit dafür, wenn auch eine relativ knappe Mehrheit, die eine Fortsetzung dieser Koalition mit der Kanzlerin Merkel will. Vor diesem Hintergrund denke ich schon, dass die FDP über die Fünf-Prozent-Klausel kommen wird.

    Heinemann: Sollte es zu einer solchen Fortsetzung kommen, muss sich Angela Merkel dann jetzt schon vor Horst Seehofer fürchten?

    Woyke: Na fürchten muss sie sich nicht. Aber sie weiß natürlich, dass die CSU durch ihr Gewicht Horst Seehofer in den Koalitionsverhandlungen wie auch nachher in der Politik eine wichtige Rolle einnehmen wird. Und es wird jetzt auch noch darauf ankommen, welchen Anteil die CSU am nächsten Sonntag in Bayern für das Zweitstimmenergebnis der Unionsparteien einbringt und wie die FDP abschneidet und wie die Gewichte dann zwischen FDP und CSU auf Bundesebene aussehen. Das ist noch eine offene Frage. Aber die Person Horst Seehofer wird natürlich bei den nächsten Koalitionsverhandlungen entscheidend mitwirken.

    Heinemann: Herr Woyke, kurze Antwort bitte. Peer Steinbrück wird nach der Wahl sicher etwas sagen zur Rolle der Medien in diesem Wahlkampf. Kann er sich zurecht als Opfer einer Kampagne fühlen?

    Woyke: Nein. Ich denke nicht, dass er ein Opfer war, sondern er hat auch viele Anlässe dafür gegeben, dass über ihn berichtet wurde, und zwar nicht immer positiv.

    Heinemann: Die Einschätzung des Politikwissenschaftlers Professor Wichard Woyke von der Universität Münster. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Woyke: Auf Wiederhören.


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