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Politische Forderungen nach den Anschlägen
Grenzen zu, Fluggastdaten kontrollieren

Nach den Anschlägen von Brüssel hat Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve angekündigt, die Landesgrenzen schärfer als jemals zuvor kontrollieren zu lassen - vor allem die zu Belgien. Österreich und viele Balkanländer halten die Grenzen wegen der Flüchtlinge ohnehin vorerst geschlossen. Die ursprünglichen Schengen-Regeln sind damit praktisch außer Kraft.

Von Alois Berger | 22.03.2016
    Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve spricht in ein Mobiltelefon.
    Schutzmaßnahme gegen Terror: Frankreichs Innenminister Cazeneuve möchte auf innereuropäischen Flügen die Daten der Fluggäste so lange wie möglich speichern lassen. (AFP / Pascal Rossignol)
    Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve war einer der ersten, der eine Verschärfung der europäischen Schengen-Regeln verlangte. Für die französischen Außengrenzen kündigte er eine sofortige Aufstockung der Polizeikräfte an der Grenze an:
    "Seit wir heute morgen von den Anschlägen in Brüssel erfahren haben, habe ich beschlossen, die Polizeikräfte aufzustocken, und zwar sowohl an den Grenzen als auch an den wichtigen Punkten des Straßen, Flug- und des Eisenbahnnetzes."
    Vor allem die Grenzen nach Norden, zu Belgien hin, will der französische Innenminister noch schärfer kontrollieren lassen. Eine Rückkehr zum freien Personenverkehr im Schengenraum ist vermutlich für lange Zeit erst einmal ausgeschlossen. Seit dem 13. November, seit den islamistischen Anschlägen in Paris, hat Frankreich seine Grenzen wieder durchgehend bewacht. Zwar wurden die Kontrollen in den letzten Wochen zunehmend lässig gehandhabt, der Verkehr wurde zügig durchgewunken. Doch jetzt sollen die Kontrollen wieder schärfer werden , schärfer als jemals zuvor, das sagt jedenfalls Innenminister Cazeneuve.
    Die ursprünglichen Schengen-Regeln sind damit praktisch außer Kraft. Zwar erlaubt das Schengen-Abkommen grundsätzlich, dass Grenzen kontrolliert werden, wenn besondere Gefahr besteht. Aber damit waren vor allem sensible, aber zeitlich befristete Ereignisse wie die Fußball-Europameisterschaft gemeint. Doch eine Rückkehr zu solchen nur punktuellen Kontrollen scheint derzeit ausgeschlossen. Österreich und viele Balkanländer halten die Grenzen wegen der Flüchtlinge vorerst geschlossen, Frankreich und Belgien bereits seit November wegen der Terroranschläge.
    " ... so wie wir auch schärfere Kontrollen der Außengrenzen fordern"
    Für Cazeneuve geht es jetzt ohnehin erst einmal darum, die andere Seite des Schengen-Abkommens zu verstärken. Denn die Freizügigkeit im Inneren Europas sollte von Beginn an begleitet werden von einer gemeinsamen Verantwortung für die Kontrollen der Außengrenzen des Schengenraumes, sowie einer engen Zusammenarbeit bei der Verbrechensbekämpfung. Doch daran haperte es bisher immer wieder. Der französische Innenminister fordert nun schnelles Handeln.
    "Ich denke an die Verschärfung der Kontrollen im Schengen-System. Das Schengen-Informationssystem muss künftig bei den Kontrollen an den Außengrenzen systematisch abgefragt werden. Wir fordern das schon länger, so wie wir auch schärfere Kontrollen der Außengrenzen fordern."
    Das Schengen-Informationssystem ist ein Zentral-Computer, in den alle Mitgliedsländer ihre Erkenntnisse über Flüchtlinge, aber auch über gesuchte Kriminelle einspeisen sollten. Theoretisch kann jeder Grenzbeamte in der ganzen EU mit zwei Klicks nachforschen, wen er da gerade vor sich hat.
    Doch in der Praxis funktioniert das System mehr schlecht als recht. Sowohl die gemeinsame Kontrolle der Außengrenzen als auch die Polizeizusammenarbeit scheitert immer wieder an nationalen Egoismen. Keine Regierung lässt sich gerne in die Karten schauen, keine Regierung lässt sich gerne beim Grenzschutz auf die Finger klopfen. Die europäische Grenzschutzorganisation Frontex darf nach wie vor nur die nationalen Behörden unterstützen. Griechenland etwa hat sich bis vor wenigen Wochen geweigert, auch nur die Hilfe von Frontex anzunehmen.
    Bei der Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten waren es bisher vor allem die großen Länder, die Probleme machten, allen voran Frankreich. Luxemburger Beamte etwa klagen regelmäßig, dass sie sich von Paris nicht ernstgenommen fühlen: Wenn die französische Polizei wichtige Informationen habe, dann würden sie die allenfalls mit deutschen Behörden teilen. Eventuell noch mit den britischen. Die kleinen Länder bekämen selten etwas. Seit den islamistischen Anschlägen in Paris soll sich das geändert haben. Zusammen mit Berlin drängt die französische Regierung nun ernsthaft auf eine engere Kooperation mit allen EU-Ländern.
    Innenminister Cazeneuve macht nun auch Druck auf das Europäische Parlament. So wie die USA bei Intercontinentalflügen, so möchte Paris auch bei innereuropäischen Flügen die Daten der Fluggäste so lange wie möglich speichern lassen. Wer wann und wie oft wohin fliegt, das soll ebenso registriert werden wie die Auswahl des Bordmenüs. Doch viele Europaabgeordnete zögern, sie verweisen auf den Datenschutz und auf verfassungsrechtliche Bedenken.
    Innenminister Cazeneuve fordert nun eine schnelle Entscheidung:
    "Ich denke, dass es jetzt höchste Zeit ist, die Fluggastdatenspeicherung auf die Tagesordnung des Europäischen Parlamentes zu setzen."