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Politischer Beischlaf

Eine Komödie? Oh ja. Eine Liebesgeschichte? Unbedingt. Der französische Film "Der Name der Leute" erzählt eine bezaubernde Geschichte über eine Politaktivistin mit einem außergewöhnlichen Namen, die auf den bekennenden Linkswähler trifft, dem sein konservativer Name Arthur auch noch gefällt.

Von Rüdiger Suchsland | 11.04.2011
    Kann man diesen Film überhaupt angemessen loben? Und wie könnte man das? Denn ganz einfach zu erklären ist "Der Name der Leute" nicht. Schon der Titel. Im Französischen ist er immerhin hübsch doppelsinnig: "Le Nom des Gens" - das klingt fast wie "Der Name der Gene". Was das nun aber wieder soll, das versteht man auch erst richtig, wenn der Film zu Ende ist.

    Wie witzig der ganze Film ist, wie turbulent, wie klug gleichzeitig, das kann man kaum erzählen, das muss man einfach gesehen und erlebt haben. Aber eines vorweg: "Der Name der Leute" ist ganz klar einer der wunderbarsten Filme des Jahre.

    Eine Komödie? Oh ja - aber eine, in der es nicht ums Schenkelklopfen, und nicht um irgendwelche Körperfunktionen geht und auch nicht um Zweideutigkeiten - denn hier ist alles ganz eindeutig: Es geht um Sex und um Politik, und das sind zwei Dinge, die vielleicht in Deutschland nicht viel miteinander zu tun haben mögen, in Frankreich aber andererseits nie und nimmer voneinander zu trennen sind.

    Eine romantische Liebesgeschichte? Unbedingt. Denn was könnte es Romantischeres geben, als die Liebe zwischen zwei Ungleichen, zwischen zwei Menschen, die sich gegenseitig bereichern, und voneinander erkennen, dass sie das tun, die voneinander Dinge lernen, die sie allein nie gelernt hätten.

    Diese zwei Menschen heißen Bahia und Arthur. Sie sind ganz verschieden, aber sie sind füreinander bestimmt.

    Eigentlich, sagt Bahia, sind alle anderen Faschos: Die Schwarzen, aber auch die Weißen, die Juden und die Araber, die Linken und die Rechten sowieso. Nur wer wenigstens irgendwie gemischt ist, meint Bahia, auf den ist Verlass.

    Wie sie selbst: Bahia Benmahmoud, die alle ob ihre Vornamens zunächst für eine Brasilianerin halten, die aber eigentlich einen algerischen Vater und eine französische Großbürgerstochter zur Mutter hat. Die Eltern heirateten um 1968, um der Gesellschaft eins auszuwischen, und das Ergebnis ist Bahia. Bahia macht sich die Welt nicht komplizierter als nötig. Es gibt eben Faschos und Nicht-Faschos, und die Faschos bekämpft sie mit ihrer ganz eigenen, unfehlbaren Methode: Sie geht mit ihnen ins Bett.
    So hat sie schon ein paar Dutzend "umgedreht", und fein säuberlich sammelt sie deren Namen und Bild in einem Fotoalbum.

    Eines Tages trifft sie nun Arthur. Der sieht zwar aus ihrer Sicht aus, wie ein Fascho, entpuppt sich dann aber eher als das, was sie "Scheißliberal" nennt. Arthur ist nämlich Jospiniste, also Anhänger jenes legendären Präsidentschaftskandidaten der französischen Sozialisten, der 2002 das schlechteste Ergebnis aller Zeiten einfuhr - wie Arthur sagt: "Ein Modell das seiner Zeit voraus war - einfach zu gut, um von den Wählern verstanden zu werden."

    Außerdem hat Arthur eine jüdische Mutter, die unter deutscher Besatzung nur überlebte, weil sie bei katholischen Nonnen versteckt wurde. Über das Schicksal ihrer Eltern wurde während Arthurs Kindheit nie ein Wort gesprochen.

    So ist diese Komödie von kurzen tragischen Episoden und Momenten durchdrungen - man fühlt sich an Woody Allen oder die Monthy Pythons erinnert, bei deren Witzen einem Zuschauer auch mitunter das Lachen mitten im Hals stecken bleiben konnte.

    Die Liebesgeschichte zwischen Arthur und Bahia, diesen zwei Ungleichen ist jedenfalls rührend und gefühlvoll, aber sie ist trotzdem mehr das Gerüst für das, worum es in diesem Film wirklich geht: Denn Michel Leclercs Film ist eine hochgradig komische, unerhört kluge Polit-Komödie, die weit über Frankreich hinaus die politischen Fallgruben der westlichen Demokratien, den Alltag unser Medienwelt und des von ihr oft praktizierten Tabubetriebs zum Thema macht und sarkastisch aufs Korn nimmt.

    "Der Name der Leute" ist eine ungemein selbstironische Reflexion des linksliberalen urbanen - vor allem Pariser - Frankreich. Und es ist ein Stück humorvoller Geistesgeschichte. Denn in kurzen, flott inszenierten Rückblicken erzählen sich Bahia und Arthur auch die Geschichten ihrer Eltern und Großeltern.

    Das alles erinnert in seiner Leichtigkeit an Truffaut, in seiner Schärfe an Chabrol, aber eben auch ein bisschen an das, was Chaplin und Woody Allen mit der Komödie machen: Die kontrollierte Übertretung des guten Geschmacks. Und eine Anleitung zur Rettung der Hummer.

    Es ist schließlich auch ein französischer, optimistischer Gegenentwurf zu den Thesen eines Sarrazin: "Scheiß auf die Wurzeln." sagen sie, "wir beide, das ist Frankreich. Hybride Vitalität. Die Bastarde, das ist die Zukunft.