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Politisches Debakel am Tejo

Die sozialistische Minderheitsregierung Portugals ist bei ihrem neuen Sparpaket auf die Unterstützung der konservativen Oppositionspartei PSD angewiesen - denn Kommunisten und Linksblock verweigern den Sozialisten die Zustimmung. Doch diesmal will auch die PSD gegen das Programm stimmen.

Von Tilo Wagner | 23.03.2011
    Wenn es nach dem Willen der portugiesischen Regierung ginge, müssen sich die Portugiesen auf neue Einschnitte einstellen – im Gesundheitssystem, bei den Renten und bei der steuerlichen Abschreibung von neuen Immobilienkrediten. Zudem sollen 15 Prozent der obersten Verwaltungsposten gestrichen und wieder mehr staatliche Betriebe privatisiert werden.

    Doch das neue Sparprogramm droht im Parlament am Widerstand der Opposition zu scheitern. Der PSD-Vorsitzende und Oppositionsführer Pedro Passos Coelho kündigte an, seine Partei würde diesmal gegen das neue Paket stimmen, weil die Regierung es nicht geschafft habe, die bisher verabschiedeten Konsolidierungsprogramme umzusetzen:

    "Der einzige Grund, warum die Finanzmärkte und die EU daran zweifeln, dass Portugal sein angekündigtes Sparvorhaben erfüllen wird, ist die schlechte Arbeit der Regierung. Deshalb existiert keinerlei Vertrauensbasis, auf der Verhandlungen zwischen der PSD und den Sozialisten geführt werden könnten."
    In der Tat ist das neue Sparpaket, das mit der Europäischen Zentralbank und den Staaten der Eurozone ausgehandelt wurde, auch deshalb notwendig geworden, weil die Regierung ihre Berechnungen im Haushalt 2011 auf allzu optimistische Prognosen gestützt hatte. So ging sie für dieses Jahr noch von einem Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent aus; im neuen Programm ist nun von einem Konjunkturrückgang von 0,9 Prozent die Rede.

    Die Regierung trägt außerdem eine Mitschuld am vergifteten politischen Klima in Portugal, das den Dialog zwischen den Parteien erschwert hat. Sie hatte weder die Oppositionsparteien noch Staatspräsident Cavaco Silva über das Sparprogramm rechtzeitig informiert. Cavaco Silva hat bis jetzt noch keinen Versuch gemacht, die Krise zu entschärfen. Das wird als Zeichen dafür gesehen, dass er einem vorzeitigen Ende der jetzigen Regierung durchaus wohlwollend entgegenblickt.

    Die politische Krise kommt zu einem denkbar schlechten Moment. Portugal muss in den kommenden Monaten umfangreiche Kredite an den internationalen Finanzmärkten aufnehmen. Deshalb, so die Regierung, lasse sich das Eingreifen des Internationalen Währungsfonds im Falle von vorgezogenen Neuwahlen nicht mehr verhindern. Finanzminister Teixeira dos Santos:

    "Eine politische Krise würde uns in große Schwierigkeiten bringen, insbesondere die notwendige Finanzierung unserer Schulden an internationalen Märkten ist in Gefahr. Die Finanzhilfe von außen wäre dann für uns die einzige Lösung."
    Es bleibt abzuwarten, wie viel wahlpolitische Taktik sich bereits hinter dieser pessimistischen Prognose versteckt. Regierungschef Sócrates hat sich in den Tagen vor der entscheidenden Abstimmung im Parlament sehr stark darum bemüht, das Schreckgespenst einer Intervention des IWF und des europäischen Rettungsschirmes heraufzubeschwören. Insbesondere unter linksgerichteten Politkern hält sich die Einschätzung, dass die konservative Opposition nach einem möglichen Wahlsieg bei Neuwahlen das Eingreifen des IWF politisch ausnützen will. Tief greifende Reformen könnten die Folge sein, sagt der Politologe André Freire:

    "Die PSD hat im vergangenen Jahr ein Projekt zu einer Verfassungsreform vorgelegt, das tiefe Einschnitte im Gesundheits- und Bildungssektor vorsieht und den Kündigungsschutz weitgehend aufhebt. Die Partei weiß, dass dies keine populären Entscheidungen sind. Manch einer glaubt deshalb, dass die Rechtsparteien das Eingreifen des IWF begrüßen, um ultraliberale Reformen durchzuführen, ohne die politische Verantwortung dafür tragen zu müssen."
    Die Hauptlast der Staatsschuldenkrise trägt jetzt schon der portugiesische Bürger.

    Wenn sich aufgrund von parteipolitischen Strategien und Machtkämpfen die Finanzkrise in Portugal weiter zuspitzen sollte, könnte sich das beschädigte Verhältnis zwischen Politik und Wahlvolk weiter verschlechtern.