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Politisches Fantasy-Kino

Das aktuelle mexikanische Kino verbindet gekonnt Filmkunst und politische Inhalte. Jetzt läuft ein Film bei uns an, dessen Regisseur die Politik schon seit Jahren mit einem wenig nahe liegenden Genre verbindet, mit dem Fantasy-Film. Guillermo del Toro hat das in "Das Rückgrat des Teufels" getan, da ging es um den Spanischen Bürgerkrieg, und jetzt in "Pans Labyrinth" liefert der spanische Faschismus die Folie für eine veritable Märchenerzählung.

Von Josef Schnelle | 22.02.2007
    Eine alte Mühle in der spanischen Provinz. Marodes Gemäuer. Darunter ein uraltes Labyrinth mit bizarren Zauberwesen. Und doch verbirgt sich gerade dort die Rettung und Erlösung von der grausamen Oberwelt, in der einer der Schergen des Generalissimo Franco sein Unwesen treibt. 1944 nach dem Sieg der Faschisten will der Capitan Vidal die letzten versprengten linken Partisanen zur Strecke bringen. Dabei ist er nicht zimperlich, schreckt auch vor grausamer Folter nicht zurück und ist ein erschreckender böser Stiefvater für die 11-jährige Ofélia, die mit ihrer Mutter gerade angekommen ist.

    Sie ist die neue Ehefrau des faschistischen Hauptmanns und trägt den Erben der Blutlinie Vidals im Bauch. Etwas Anderes als einen strammen Nachfolger für den frankistischen Männerbund kann sich Vidal gar nicht vorstellen und so ist er für Ofélia ein düsterer Monstervater. Kein Wunder, dass sie bald den Weg in die Märchenwelt findet. Dort, so erfährt sie von Pan mit den Widderohren, ist sie eigentlich eine Prinzessin. Sie hat es nur in der Menschenwelt vergessen und muss nun drei Aufgaben erfüllen, um wieder in ihre angestammten Rechte eintreten zu können.

    Doch die Aufgaben sind nicht von Pappe sondern höchst grausig, wie sich das in einem Märchen so gehört. Verglichen mit der brutalen Alltagswelt des Kampfes zwischen Faschisten und Partisanen sind sie aber nicht sonderlich spektakulär, wobei man nicht vergessen darf, dass Regisseur Guillermo del Toro in seinen bisherigen Filmen, gelegentlich auf blutige Splattereffekte gesetzt hatte. Gegenüber der in der Person des Stiefvater aufscheinenden Fratze des Faschismus wirkt die Märchenwelt von Pans Labyrinth bei aller Gruselei doch geradezu poetisch.

    Da räkeln sich Alraunen, die geheimen Schlüssel verstecken sich im Krötenschlund, und dem Menschen fressenden Glatzenmonster zu entkommen - das ist gar nicht so leicht. Und wenn Vidal - das böse Politmonster - ihr zu nahe kommt, kann Ofelia sich mit Kreide eine Tür in die andere Welt malen und hindurchschlüpfen. Vidal kommt trotzdem dem geheimen Doppelspiel der netten Haushälterin Mercedes auf die Spur:

    "Wer über Märchen lacht, war nie in Not." betitelte Alexander Kluge ein Kapitel seines Filmessays "Die Patriotin", womit er auf die Dialektik zwischen Märchen und Politik hinweisen wollte. Guillermo del Torro illustriert in "Pans Labyrinth" mit wahnwitzigen Bilderfindungen nicht nur diese These. Das böse Märchen wie von den Brüdern Grimm ist in Wahrheit eine liebevoll gezeichnete Phantasiewelt voller Schönheit im Schrecklichen, der die Welt des sadistischen Stiefvaters und der naiven Mutter Carmen, die nicht das Schreckliche im vermeintlich Schönen erkennt, nichts entgegen zu setzen hat.

    Vielleicht befinden wir uns auch komplett in der Phantasie der pubertierenden Ofélia, die nur so der schrecklichen Wirklichkeit trotzen kann. Aber im Film, der sowieso schon Traum ist, gibt es sowieso keine echte Grenze zwischen Wirklichkeit und Phantasie. So darf Guillermo del Toro den ästhetischen Spielraum der Kinoträume in seinem Film noch einmal mit erstaunlich wenig elektronischem Trick ein wenig erweitern. "Die Schöne und das Biest" lassen grüßen und auch die kuriosen Alternativwelten des Klassikers "Der Zauberer von Oz". Eine Kinotraumwelt der schauerlich-schönen Überraschungen tut sich auf, die den Spezialeffekten trotzt. Da ist selbst die reine Bosheit ohne Chance. Ja - der Film ist - ein Märchen für Erwachsene.