Freitag, 19. April 2024

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Politologe Faas
"SPD hat große Meilensteine hinter sich gebracht"

Mit Blick auf die von der SPD besetzen Ministerposten sei es nun gelungen, sowohl Kompetenz als auch Erneuerung zu präsentieren, sagte der Politologe Thorsten Faas im Dlf. Nach den überaus turbulenten vergangenen Monaten habe man den Teamgedanken in den Vordergrund gestellt - und sich auch deshalb von Sigmar Gabriel verabschiedet.

Thorsten Faas im Gespräch mit Daniel Heinrich | 09.03.2018
    Michael Roth, Hubertus Heil, Heiko Maas, Andrea Nahles, Olaf Scholz, Katarina Barley, Franziska Giffey, Svenja Schulze und Lars Klingbeil während der Pressekonferenz zur Vorstellung der Minister und Ministerinnen der SPD in der zukünftigen Regierung
    Die Lernkurve von bisher unerfahrenen Bundesministerinnen wie Svenja Schulze und Fanziska Giffey "wird sehr, sehr steil sein", prognostiziert Thorsten Faas. (imago / snapshot / F. Boillot)
    Daniel Heinrich: Am Telefon ist Thorsten Faas, Professor für Politikwissenschaften an der FU Berlin. Guten Abend, Herr Faas!
    Thorsten Faas: Hallo, ich grüße Sie!
    Heinrich: Die Minister sind vorgestellt – kommt die SPD wieder in die Spur?
    Faas: Zumindest hat sie jetzt wirklich einige große Meilensteine hinter sich gebracht, das, glaube ich, auch durchaus erfolgreich. Der Mitgliederentscheid war natürlich das Prekärere, wenn man so will, wo der Ausgang offener war. Natürlich ist dann auch so eine Personalfindungssituation schwierig. Da müssen ganz verschiedene Interessen bedient werden. Es war ja auch Erneuerung versprochen, aber das war der Union eigentlich sehr gut gelungen, und ich glaube, auch der SPD ist es gelungen, Kompetenz, aber durchaus auch Erneuerung, alles in allem heute zu präsentieren.
    Heinrich: Und wenn Sie die Erneuerung schon reinwerfen, dann lassen Sie uns doch mal zwei rausgreifen aus dieser Riege. Franziska Giffey aus Berlin, Familienministerin in spe, Svenja Schulze, NRW-Umweltministerin. Beide ohne Bundeserfahrung – kann das klappen?
    Giffey und Schulze müssen sich bewähren
    Faas: Ja, ist eine Herausforderung. Ich meine, man könnte jetzt als Extrembeispiel natürlich Martin Schulz anführen, der …
    Heinrich: Das hat ja nicht funktioniert.
    Faas: Der aus Brüssel, genau, nach Berlin gekommen ist, dort ja auch mit großen Vorschusslorbeeren erwartet wurde, was dann letztlich überhaupt nicht funktioniert hat. Es gibt andere Beispiele, wo der Sprung an die absolute Spitze wirklich eine große, große Herausforderung war. An Kurt Beck könnte man denken, wo das auch letztlich nicht funktioniert hat. In diesen beiden konkreten Fällen, also sowohl bei Frau Schulze als auch bei Frau Giffey muss man aber sagen, das sind Bundesministerinnen, also extrem wichtige Positionen, aber es ist trotzdem nicht die absolute Topposition, sodass man den beiden jetzt sicherlich ein wenig Zeit, natürlich die 100 Tage Schonfrist, die es sowieso gibt, aber vielleicht sogar ein bisschen mehr einräumen wird, aber keine Frage: Da müssen sie sich bewähren, und die Lernkurve, die vor ihnen liegt, die wird sehr, sehr steil sein.
    Heinrich: Flapsig formuliert: Für Gedöns-Ressort reicht es?
    Faas: Ich würde nicht von Gedöns sprechen, aber es gibt natürlich Ministerien, die von Anfang an im Fokus der Öffentlichkeit stehen, der Außenminister, der Innenminister. Da geht es einfach auch ganz viel um Tagespolitik. Hier sprechen wir, glaube ich, von Ministerien, die doch eher ganz stark auch durch Fachlogiken, durch Umsetzung des Koalitionsvertrages geprägt sind und dadurch vielleicht nicht ganz unter diesem tagtäglichen Fokus und den Argusaugen der Öffentlichkeit stehen.
    Heinrich: Lassen Sie uns doch mal den Blick weiten auf die sechs Minister: keine Lautsprecher, keine Querschläger, habe ich da gelesen, seien dabei. Positiv: ein Team, negativ: fehlen da die Typen?
    Faas: Ja, das ist ja eine Debatte, die wir auch in den vergangenen Tagen schon hatten, als es rund um Sigmar Gabriel und seine Zukunft ging. Da haben wir die Debatte genau aus der anderen Perspektive geführt: Kann es eigentlich klug sein, aus strategischer Sicht, da auch bestimmte Reibungen, offene Konflikte sozusagen in ein solches Team reinzuholen, und hat sich ja doch sehr deutlich abgezeichnet, dass man davon Abstand nehmen will. Ich denke, man muss die letzten Wochen und Monate der SPD an der Stelle mitdenken. Dieses Bild der Zerstrittenheit, das hat ja doch das öffentliche Bild der SPD wirklich sehr, sehr stark geprägt, dominiert, und das hat der Partei geschadet nach innen wie nach außen, und insofern scheint es mir schon nachvollziehbar, dass man jetzt hier gesagt hat, wir müssen insbesondere auch dieses Bild, das wir in der Öffentlichkeit abgeben, daran müssen wir arbeiten, das müssen wir letztlich korrigieren, und insofern hat man sich von Sigmar Gabriel verabschiedet und stattdessen eben immer wieder diesen Teamgedanken in den Vordergrund gerückt, und noch mal im Lichte dessen, was wir in den vergangenen Wochen und Monaten erlebt haben, kann ich das durchaus nachvollziehen.
    Heinrich: Also Sie finden es positiv.
    Faas: Letztlich ja. Eine zerstrittene Partei – wir haben es auch bei der Union oder bei den Unionsparteien CDU, CSU erlebt –, zerstrittene Parteien, die haben es nach innen schwer, die haben es aber auch in der öffentlichen Darstellung schwer. Für die SPD ist es wirklich eine schwierige Situation, in der sie da gerade ist. Wir haben Umfragewerte von 16 Prozent gesehen. Wir haben in Italien noch mal gesehen, was aus sozialdemokratischen Parteien werden kann oder auch in anderen Ländern geworden ist. Da kann ich wirklich nachvollziehen, dass man hier erst mal sagt, nee, jetzt ist Konsolidierung angesagt und eigentlich erst mal eine Präsentation, so zumindest das Ziel natürlich in der Öffentlichkeit, die die Partei erst mal als geschlossen darstellt.
    Debatte um Beliebtheit etwas verkürzt
    Heinrich: Sie haben Sigmar Gabriel schon angesprochen. Bei Twitter schreiben Sie, Herr Faas: "Wenn Außenminister qua Amt immer beliebt sind, kann die Beliebtheit eines Außenministers im Einzelfall ja kein Argument sein." Übersetzt für die Hörer: Außenminister sind eh immer beliebt. Soll das heißen, Sigmar Gabriel soll sich nicht so haben?
    Faas: Ja, also es war auch so ein Hauch von Kritik an der öffentlichen Debatte, weil diese beiden Argumente so völlig unverbunden nebeneinanderstanden, dass man einerseits immer sagt, Sigmar Gabriel ist so unglaublich beliebt, und den kann man doch jetzt nicht loswerden. Auf der anderen Seite wird über den Außenminister als Posten immer in einer Art und Weise geredet, als sei es ganz selbstverständlich, dass der eben beliebt ist, und das beides unverbunden nebeneinanderzustellen, das ergibt einfach nicht wirklich viel Sinn, muss man sagen.
    Bei Gabriel kommt hinzu – und das mag dann auch in diesen Tweet von mir mit eingeflossen sein –, dass wir ja auch Zeiten hatten, wo er eben überhaupt nicht der beliebteste Politiker in Deutschland war. Ich meine, es hatte ja auch Gründe, dass er die SPD nicht in den SPD-Wahlkampf geführt hat, sondern zweimal letztlich sogar anderen Personen da den Vortritt gelassen hat, eben weil er nicht so beliebt nach innen wie aber auch nach außen war. Insofern ist das überhaupt keine Kritik an seine Arbeit. Ich denke, auch die Arbeit, die er als Außenminister geleistet hat, war über Parteigrenzen hinweg durchaus hoch angesehen, aber diese Debatte um seine Beliebtheit, die scheint mir doch insgesamt etwas verkürzt zu sein, und es hat einfach auch viel damit zu tun, dass er dieses Amt des Außenministers hatte, und insofern, ja, war die Debatte da aus meiner Sicht doch etwas verkürzt.
    Heinrich: Also ist Heiko Maas bald beliebt.
    Faas: Ja, davon kann man grundsätzlich ausgehen. Er ist ja auch jetzt grundsätzlich kein unbeliebter Politiker. Wobei er, glaube ich, es bisher noch nicht geschafft hat, in diese berühmte Liste der zehn wichtigsten Politiker zu kommen. Das steht ihm vielleicht dann auch bevor. Ein Automatismus ist es übrigens auch nicht. Deswegen war die Debatte mitunter auch verkürzt. Wenn man an Westerwelle denkt, der war auch als Außenminister nicht unbedingt beliebt. Wenn man an Frank-Walter Steinmeier denkt, der war zwar als Außenminister beliebt, aber war dann trotzdem kein erfolgreicher Kanzlerkandidat der SPD. Also diese Automatismen, wie sie manchmal so in der jüngeren Vergangenheit, in den letzten Tagen, im Raum standen, so automatisch sind die dann eben genau doch nicht.
    SPD wieder etwas in ruhigerem Fahrwasser
    Heinrich: Herr Faas, Sigmar Gabriel, der war jetzt nicht der einzige, der gegrollt hat. Am 22. April steht der Parteitag an. Unter anderem Simone Lange, die Bürgermeisterin von Flensburg, will gegen Andrea Nahles antreten. Droht da das nächste Gewitter?
    Faas: Ich glaube eigentlich nicht. Ich habe das Gefühl, dass nach dem Mitgliederentscheid, auch nach den Entscheidungen, die man jetzt getroffen hat, die SPD – davor ist es auch der Union schon gelungen – in so etwas ruhigeres Fahrwasser gekommen ist. Wenn man das politische System auch noch mal insgesamt in den Blick nimmt, dann war das auch durchaus nötig. Diese letzten sechs Monate, die wir erlebt haben, die waren ja wirklich außergewöhnlich turbulent. Das waren Dinge, die wir so in der bundesrepublikanischen Geschichte noch nie erlebt hatten. Insofern ist es gut und auch wichtig, dass das Ganze wieder etwas beruhigt, und ich glaube, das wird auch in der SPD jetzt passieren. Es sind ja auch noch über vier Wochen, über einen Monat, bis hin zu diesem Parteitag, und ich glaube, bis dahin wird sich vieles konsolidiert haben. Andrea Nahles wird die Fraktion bis dahin führen. Wir werden jetzt die Kanzlerwahl sehen. Ich bin gespannt, ob es bei dieser Gegenkandidatur letzten Endes tatsächlich bleibt, aber selbst wenn es dabei bleibt, dann scheint mir Andrea Nahles doch zu gesettlet inzwischen in der SPD zu sein, auch wirklich gut vernetzt in der SPD zu sein. Ich glaube, da droht weder ihr noch der Partei großes Unbehagen.
    Heinrich: Thorsten Faas von der FU Berlin, danke für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.