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Politologe Hacke
"Trump hat die republikanische Partei voll in der Hand"

Donald Trump habe die republikanische Partei "atomisiert" - sie sei fast nicht mehr da, sagte der Politologe Christian Hacke im DLF. Die Tea-Party habe nichts mehr zu sagen, das Establishment wende sich ab. Trump reduziere die Partei brutal auf eine Wahlkampfmaschine. Für Hillary Clinton sieht Hacke nur eine einzige Chance zu gewinnen.

Christian Hacke im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 21.07.2016
    Donald Trump, der Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner
    Donald Trump, der Präsidentschaftskandidat der US-Republikaner (Andrew Gombert, dpa picture-alliance / EPA)
    Dirk-Oliver Heckmann: Der Nominierungsparteitag der Republikaner in Cleveland verläuft mehr als holprig. Zunächst hatten die Gegner von Trump ja versucht, seine Nominierung zu verhindern - erfolglos am Ende. Nun sorgte Ted Cruz für einen Eklat. Er erwähnte Trump demonstrativ mit keinem Wort bei seiner Rede.
    Hat es so etwas in der Geschichte der Republikaner schon einmal gegeben? Das habe ich vor der Sendung Christian Hacke gefragt, den Politikwissenschaftler aus Bonn.
    Christian Hacke: Ich kann mich jetzt nur undeutlich erinnern. Ich weiß es nicht, es ist nicht auszuschließen. Aber ich würde trotzdem hier einmal Trump zustimmen und sagen, "No big Deal", denn der Parteitag hat sich ja ganz schnell von ihm abgewandt. Ich habe eher das Gefühl, dass die Medien in Deutschland und Europa das hochgehoben haben, aber auf dem Parteitag selbst spielte das kaum eine Rolle mehr. Ich glaube, das ist ein Rückzugsgefecht gewesen, das letzte des republikanischen Establishments, und nicht zuletzt hier natürlich auch eine Portion Opportunismus dabei, denn Ted Cruz möchte sich natürlich auch für die Zeit danach schon mal als Nachfolger positionieren. Ob er das wird, ist eine ganz andere Frage.
    "Trump hat die republikanische Partei voll in der Hand"
    Heckmann: Und das ist die Frage, ob ein solcher Auftritt dabei hilft. - Wiederum eine andere Frage, aber dennoch: das ist ein sehr ungewöhnlicher Vorgang. Was treibt einen Mann wie Cruz denn an, so was zu tun? Denn er weiß ja, dass er Trump und seiner Partei schadet.
    Hacke: Ich habe es ja eben schon mal angedeutet. Das sind personalpolitische Entscheidungen, dass er sich selbst jetzt positionieren will als derjenige, der damals, wenn man im Rückblick sagen wird, als einziger auf dem Parteitag Trump Paroli geboten hat, um sich damit natürlich zu positionieren für die weitere Entwicklung der republikanischen Partei. Denn eins dürfen Sie nicht vergessen, neben dem, was Trump sonst noch bisher geleistet oder, sagen wir, was er verändert hat: Er hat die republikanische Partei ja atomisiert. Die ist ja fast gar nicht mehr da. Die Tea-Party hat nichts mehr zu sagen. Das ist ja auch Ted Cruz, der dazugehört. Das Establishment wendet sich ab, kommt zum Teil gar nicht erst mehr zum Parteitag. Das muss man auch sagen. Da ist kein McCain, da ist keiner von der Bush-Familie und andere mehr. Er hat die republikanische Partei voll in der Hand und er reduziert sie brutal auf eine Wahlkampfmaschine, und so ist auch die Entscheidung für seinen Vize Pence. Der ist nämlich ein enger Freund von den beiden Koch-Brüdern, schwer reiche Milliardäre. Da will er ans Geld, Trump will nicht sein eigenes Geld für den Wahlkampf ausgeben.
    Heckmann: Sie sagen, Trump hat seine Partei atomisiert. Wenn man sich jetzt den Parteitag anguckt, wie steht Trump jetzt nach diesen Tagen in Cleveland da? Ist er beschädigt, oder dominiert er, so wie Sie es angedeutet haben, die Partei vollständig und ist unangefochten?
    Hacke: Die Partei hat natürlich zum Teil - und das wird bei Cruz ja auch deutlich - zähneknirschend jetzt zugestimmt, dass er der Mann der Stunde ist. Aber er ist der Zauberlehrling der Partei. Das darf man nicht vergessen. Er hat alles auf den Kopf gestellt und er hat natürlich jetzt auch einen genialen Wahlkampf geführt. Das darf man nicht vergessen. So was hat es in der modernen Geschichte noch nicht gegeben. Und sein größter Coup war natürlich, dass er 2012 sich eintragen ließ, dass ihm das keiner kopieren konnte, "make America great again". Da kann Hillary Clinton jetzt klein-klein sagen, hier für Gesundheitsreformen, da ein bisschen mehr Energie sparen. Trump hat die Vision. Ob das alles stimmt, ist eine völlig andere Frage, aber jetzt variiert er, "America great again" oder "Make America safe or work again". Das ist das. Er hat kein Programm. Es ist populistisch, aber für ein Land in der Krise, in den Selbstzweifeln, in der Angst vor allem, im Niedergang sind das natürlich populistische Parolen, auf die viele mehr hören als wir glauben, und da sind die Vernunftorientierten leider wohl in der Minderheit, fürchte ich.
    "Es zeigt sich auch, dass Trump hier keine Frau will"
    Heckmann: Dennoch muss man festhalten, dass Trump seine Partei atomisiert hat, wie Sie gerade schon gesagt haben. Welche Auswirkungen könnte das auf den Wahlkampf haben?
    Hacke: Das hat die Auswirkungen auf den Wahlkampf, was Parteien eigentlich sowieso nur sind: sie sind Wahlkampfmaschinen im Wahlkampf und müssen mobilisieren, die Leute mobilisieren. Das wird ganz wichtig sein, dass er vor allem seine weißen Anhänger mobilisiert, denn sonst kann er nicht gewinnen. Und das andere: Geld, Geld, nochmals Geld. Und da wird wie gesagt der Vize auch einiges zu tun haben und Trump kalkuliert ja als Geschäftsmann. Er will sein eigenes Geld da nicht reinstecken. Das sollen dann die Koch-Brüder und andere ranbringen.
    Heckmann: Donald Trump hat den konservativen Mike Pence als Vizekandidaten nominiert, und das ist ja jetzt auch vollzogen worden auf dem Parteitag in Cleveland. Ist das aus Ihrer Sicht eine kluge Entscheidung? Denn man hätte ja auch sagen können, Trump steht eh schon sehr weit rechts und da wäre es schlauer, jemanden zu nehmen, der ein bisschen weiter in die Mitte hineinwirkt.
    Hacke: Ja nun, erst mal hat er ja nicht so viel Auswahl gehabt. Das muss man sagen. Zum Zweiten kommt er ihm aber entgegen: er stiehlt ihm nicht die Show. Das ist auch was. Dann steht er auf dem rechten Flügel der Partei. Er hat auch Verbindungen zur Tea-Party. Er hat eine gewisse Kongresserfahrung. Es zeigt sich auch, dass Trump hier keine Frau will. Da kommt der alte Macho durch. Das hätte man vielleicht auch erwarten können, oder dass das vielleicht ein kluger Zug gewesen wäre. Aber so, denke ich, ist das eine Wahl. Pence hat sich ja auch freundlich positioniert, nicht ohne Humor und Selbstironie. Das kam auch gut an. Ein einfacher Mann aus einfachen Verhältnissen, das ist auch das, was ja Trump versucht zu zeigen. Aber selbst als Milliardär ist es natürlich ganz schön, wenn er als Vize dann jemand hat, der wirklich aus dem Nichts kommt, aus den einfachen Verhältnissen. Ich glaube, dass das schon eine ganz geschickte Wahl ist, und es wird sich darauf konzentrieren, neben "make America great again", verhindert Hillary Clinton. Das werden die beiden Hauptslogans sein und damit wird er alle vereinen.
    "Clinton hat nur eine Chance, wenn sie versucht, authentisch zu wirken"
    Heckmann: "Make America great again” - ein genialer Slogan, wie Sie meinen. Hillary Clinton kann da nur klein-klein hinterherklappern, sagten Sie gerade. Was würden Sie ihr denn raten?
    Hacke: Sie hat nur eine einzige Chance. Sie sind ja beide nicht geliebt von der Bevölkerung. Sie werden nicht gehasst, das ist zu viel, aber werden auf jeden Fall nicht besonders gemocht von den breiten Teilen der Bevölkerung. Sie hat nur eine Chance, wenn sie versucht, authentisch zu wirken. Das ist er ja, wie man ihn nimmt. Er wirkt authentisch, er ist gegen political correctness, er hat Humor, er strahlt Wärme aus für seine Anhänger, und es gibt Leute in Amerika, die sagen, letztlich ist der Wahlkampf entschieden worden, wer hat mehr Wärme, wer strahlt mehr Wärme aus.
    Aber das andere, was Sie eben angesprochen haben: Sie hat nur eine Chance, wenn sie jetzt authentisch, emotional und mit Schmackes, sage ich mal, Trump angreift mit seinen Lügen und ihm zeigt, dass das illiberal ist, dass er Amerika in eine Richtung führt, die es nicht bringen wird, und den american dream nicht verwirklichen wird. Sie muss ihn jetzt mit voller Pulle auf Deutsch gesagt angreifen, aber sachlich und gleichzeitig ihn charakterlich nicht zertrümmern, aber doch bloßlegen, und das kann sie nur durch Angriff machen und wirklich mit allem, was sie von persönlichem Ehrgeiz hier auch emotional dann mit reinbringen kann.
    Heckmann: Der Politikwissenschaftler Christian Hacke hier im Deutschlandfunk. Herr Hacke, ich danke Ihnen für das Gespräch!
    Hacke: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.