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Politologe: Kriegsrhetorik aus Pjöngjang richtet sich vor allem an China und die USA

Nicht zum ersten Mal höre man solche drohenden Töne, trotzdem könnte es zur ungewollten Eskalation kommen, meint Politologe Hanns Maull zur Kriegsrhetorik Nordkoreas. Damit wolle Pjöngjang von China weiter Unterstützung einfordern und die Beziehungen zu den USA verbessern.

Hanns Maull im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 30.03.2013
    Jürgen Zurheide: Und wir wollen nahtlos weitermachen und fragen, welche Hintergründe sind denn da noch zu beachten, über was haben wir noch nicht gesprochen. Dazu begrüße ich den Politologen der Universität Trier, Hanns Maull, der sich in der Region ganz besonders gut auskennt. Schönen guten Morgen, Herr Maull!

    Hanns Maull: Guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Die Sprache, für uns ist das ungewöhnlich. Jetzt haben wir gerade vom Kollegen Kujat gehört, na ja, möglicherweise in Anführungsstrichen ist es nur Rhetorik. Wie ist denn Ihre Bewertung?

    Maull: Ich denke auch, es ist nur Rhetorik, aber das heißt ja nicht, wie Ihr Kollege Kujat auch gesagt hat, das heißt nicht, dass diese Rhetorik einem nicht auch aus der Hand gleiten kann und dass es zu einer ungewollten Eskalation kommt. Aber es ist natürlich nicht das erste Mal, dass wir solche drohenden Töne hören. Und ich finde das auch sehr bemerkenswert, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Nord- und Südkorea dadurch bislang in keiner Weise betroffen scheinen. Das gab es in der Vergangenheit schon anders.

    Zurheide: Der BND-Präsident der Bundesrepublik, Gerhard Schindler, der hat auch davon gesprochen, das sei eine besondere Aggressionsrhetorik, das heißt, auch die Nachrichtendienste, frage ich Sie zunächst einmal, über welche Informationen verfügen die möglicherweise, die wir nicht so haben? Wie gut ist die Informationsbasis?

    Maull: Ich kann das natürlich auch nicht völlig beurteilen, aber mein Eindruck ist, dass mit Ausnahme zweier Nationen, die möglicherweise wirklich auch von innen intensiv Informationen bekommen, da im Wesentlichen von außen gelesen und interpretiert wird, das, was öffentlich zugänglich ist. Die zwei Ausnahmen sind China und Südkorea, aber auch da weiß ich nicht genau, wie gut die bescheid wissen über das, was im innersten Führungszirkel passiert.

    Zurheide: Jetzt kommen wir noch mal auf das, was der Kollege Kujat auch gerade angesprochen hat: Gerade im Norden war ja seine Analyse oder seine Hinweise, dass das viel damit zu tun hat, dass der neue Führer versucht, die Armee um sich zu scharen. Ist das ein Argument, also zunächst innenpolitische Ziele durch außenpolitische Kraftmeierei zu erreichen?

    Maull: Im Grundsatz ja, wobei ich mir nicht ganz sicher bin, ob die Formulierung ganz zutreffend ist, dass der junge Führer versucht, die Armee um sich zu scharen, die militärische Führung um sich zu scharen. Es könnte ja genauso gut andersrum sein, es könnte ja genauso gut sein, dass diese Führung inzwischen weitgehend dominiert ist vom Militär, und der junge Führer bei seinen Aktionen eben sich auch Rat holt und informiert wird von denjenigen, die um ihn herum sind, und das sind einige Familienmitglieder, aber vor allem Militärs. Wir wissen ja, dass der Einfluss der Militärs in den wichtigsten Führungsgremien des Regimes in den letzten Jahren sich systematisch erhöht hat.

    Zurheide: Wie ist die wirtschaftliche Lage? Wenn wir davon hören, dass auch die Versorgung beim Militär nicht mehr so gut ist, dann muss es ja wirklich eher ganz schlecht bestellt sein. Die wenigen Informationen, die wir haben, deuten auch darauf hin. Wie sehen Sie das?

    Maull: Ja, ich glaube, das Stichwort verarmtes Land ist ein ganz wichtiges Stichwort, die Versorgungslage ist schlecht, es gibt bereits seit einigen Jahren Hinweise darauf, dass die eine Millionen Mann unter Waffen davon auch nicht ganz unbetroffen bleiben, aber vor allem gibt es auch Hinweise darauf, dass die Situation im Land sich immer deutlicher unterscheidet von Ort zu Ort.

    Also Pjöngjang ist ein relativ – für nordkoreanische Verhältnisse – noch eine privilegierte Stadt, ein privilegierter Bereich, in anderen Teilen des Landes sieht es wesentlich schlimmer aus, und wir haben nach wie vor erhebliche Probleme mit Unterernährung und Hunger, und ich glaube, dass diese wachsenden Probleme, die wachsenden Schwierigkeiten des Landes auch ein wichtiger Hintergrundfaktor sind bei dieser zunehmend schrillen Rhetorik.

    Zurheide: Kommen wir noch mal auf die möglichen Verbündeten: Da werden immer Russland genannt, China – die Russen haben in diesen Tagen, der Außenminister, haben eher die Amerikaner zur Zurückhaltung gemahnt – Stichwort Tarnkappenbomber –, welchen Einfluss hat China und welchen Russland?

    Maull: Also Russland scheint mir inzwischen im Grunde weitgehend irrelevant zu sein, ich sehe nicht, dass Russland noch irgendwelche Einflussmöglichkeiten in Nordkorea hätte. Bei China ist das völlig anders: China ist ein ganz wichtiger Akteur, ein ganz wichtiger Faktor in dieser jetzigen Situation, und da, in dem Zusammenhang ist es wichtig, sich auch klar zu machen, dass sie in China jetzt eine neue Führung haben, die die Koreapolitik sozusagen entweder fortführen oder auch ändern könnte.

    Und ich denke, dass diese schrillen Töne aus Pjöngjang, diese Kriegsrhetorik, sich vor allem an China und an die USA richtet. Und was China anbelangt, heißt die Aussage ganz klar, setzt eure alte Politik fort, unterstützt uns, liefert uns die Lebensmittel, liefert uns die Energie, die wir brauchen, um einigermaßen überleben zu können.

    Zurheide: Jetzt könnte man allerdings gerade fragen, die Chinesen haben, glaube ich, andere Probleme, als sich mit Pjöngjang rumzuschlagen. Der neue Führer hat eine Menge innenpolitische, auch wirtschaftliche Probleme zu regeln. Wagen Sie da eine Prognose, in welche Richtung er das drehen wird, oder andersrum gefragt, ist diese Rhetorik möglicherweise ein Kind, was laut schreit, weil es weiß, ja, die werden das nicht tun, weil die haben andere Probleme?

    Maull: Ich glaube, das wird so laut getönt aus Pjöngjang, weil man sich nicht ganz sicher ist, wie sich die neue Führung orientieren wird und wie sich China in Zukunft verhalten wird. Und wir sehen seit einiger Zeit Hinweise, deutliche Hinweise darauf, dass es in China selbst eine Diskussion um diese Frage gibt, wie sollten wir mit diesem ziemlich schwierigen Verbündeten umgehen, den wir da immer noch am Hals haben.

    Dennoch, Sie haben völlig recht, die neue chinesische Führung hat die Hände voll, hat eine ganz vollgepackte Agenda von Problemen primär innenpolitischer Art. Korea ist da eher ein irritierender Faktor, kommt weit unten auf der Liste. Das alles wird dafür sprechen, dass die chinesische Führung zunächst einmal fortführen wird das, was die alte Führung betrieben hat, nämlich die Unterstützung des Überlebens des Regimes in Nordkorea.

    Zurheide: Auf der anderen Seite die Amerikaner haben auch kein Interesse, Obama da einen weiteren Konfliktpunkt aufzumachen. Also unterm Strich sagen sie, was wird passieren?

    Maull: Also ich denke, dass auch ein Teil dieser Agenda Pjöngjangs darin besteht, mit den USA ins Gespräch zu kommen. So seltsam das klingen mag, ich glaube, dass Nordkoreas Führung nichts lieber sähe als eine Verbesserung mit der Beziehung zu den USA, weil in Nordkorea die Abhängigkeit von China als zunehmend problematisch empfunden wird. Also im Grunde ist das auch eine Kraftmeierei, die darauf zielt, Verhandlungen mit den USA einleiten zu können aus einer Position der Stärke.

    Zurheide: Das sind die Einschätzungen des Politologen Hanns Maull, bei dem ich mich herzlich für das Gespräch bedanke. Schönen Dank, auf Wiederhören!

    Maull: Wiederhören!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.