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Politologe sieht Obama gegen Romney als klaren Sieger

Während der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney sowohl die Mitte der Wähler und insbesondere die Frauen noch für sich gewinnen muss, hat US-Präsident Obama Erfolge wie die Gesundheitsreform und beendete Kriegskonflikte vorzuweisen, meint Winand Gellner von der Universität Passau - für ihn steht der Sieger fest.

Das Gespräch führte Dirk Müller | 29.08.2012
    Dirk Müller: Der Anfang ist also vollbracht: Die Republikaner haben ihre Arbeit aufgenommen in Tampa, Florida, trotz des Tropensturms Isaac. Und der Mann an der Spitze, der durch ein langes zähes Ringen die Kandidatenkür für sich entschieden hat, ist offiziell nominiert worden: Mitt Romney, der 65-jährige Millionär, der Mormone, der Moderate, der sich anschickt, zu einem konservativen Republikaner zu werden.
    Ann Romney, wir haben es eben mehrfach gehört, schwärmt von ihrem Mann. Er ist der Beste für das Land, sagt sie. Darüber sprechen wollen wir nun mit Professor Winand Gellner, Politikwissenschaftler und USA-Kenner von der Universität in Passau. Guten Tag.

    Winand Gellner: Hallo!

    Müller: Herr Gellner, wussten Sie, dass Mitt Romney so toll ist?

    Gellner: Ja, es überrascht einen wenig. Aber wenn man natürlich sich die Funktion von diesen Conventions anschaut, dann besteht die ja genau darin, einen Star gewissermaßen nur noch zu inthronisieren, und da sind die Republikaner auf dem besten Weg.

    Müller: War das denn absolut notwendig, auch die andere Seite, die man bisher noch nicht kannte von Mitt Romney, jetzt so in den Vordergrund zu stellen? Wir haben ja nichts über Inhalte gehört.

    Gellner: Ja, das ist natürlich das Problem. Zum einen ist besonders wichtig zu wissen, dass Romney im Besonderen bei Frauen – das ist altbekannt, Frauen wählen ohnehin stärker demokratisch -, bei Frauen hat Romney ein großes Defizit und von daher musste hier also dieser Aspekt der Liebe von Ann Romney in den Vordergrund gerückt werden, um diesen doch sehr hölzernen, zum Teil sehr einstudiert wirkenden Kandidaten auch etwas weichzuspülen.

    Müller: Das heißt, wenn ich Sie indirekt dann richtig verstanden habe, ist es so, dass die Frauen nach wie vor auf die weichen Themen sehr viel Wert legen?

    Gellner: Ja. Es ist eben ein harter Fakt, dass bis auf die Zeit nach den Anschlägen vom 11. September, wo Frauen auf Sicherheit rekurrierten und sich stärker den Republikanern zugewandt haben – das war eine kurze Phase von vier, sechs Jahren; man spricht von den "Security-Moms" in der Zeit -, dass sie bis auf diese Phase eigentlich seit den späten 80er-, 90er-Jahren tendenziell immer stärker zu den Demokraten tendieren, und man spricht von dem "Gender-Gap" (im übertragenen Sinn: Unterschied zwischen den Geschlechtern, d. Onl.-Red.) in diesem Zusammenhang.

    Müller: Herr Gellner, bleiben wir einmal noch beim Thema Frauen mit Blick auf die Politik in den USA. Macht Barack Obama denn da in dem Punkt immer noch alles richtig?

    Gellner: Ich denke schon. Das ist vor allen Dingen im Zusammenhang zu sehen mit dieser doch verheerenden Debatte, die sich die Republikaner leisten mit Blick auf die Abtreibungsfrage, und hier hat Obama doch relativ klar sich positioniert, während die Republikaner insgesamt und vor allen Dingen natürlich die radikaleren wie Paul Ryan, der Vizepräsidentschaftskandidat, sich doch hier gegen halbwegs moderne Positionen stellen, von denen man geglaubt hätte, dass es gewissermaßen selbstverständlich ist, dass man das Recht der Frau auf Abtreibung beispielsweise bei Vergewaltigung akzeptiert. Hier hat die Romney-Kampagne natürlich ganz starken ideologischen Ballast, der bei den Frauen nicht wirklich hilfreich ist.

    Müller: Muss denn Derjenige, der ins Weiße Haus einziehen möchte, nach den Wahlen im November auf jeden Fall die politische Mitte besetzen?

    Gellner: Ja! Das ist sicherlich die einzige Chance und das wird natürlich Romney auch versuchen, wobei, wie gesagt, die Auswahl des Vizepräsidentschaftskandidaten hier meines Erachtens sich eher negativ auswirken wird, weil viele Independents sich dann doch wieder zu Obama bewegen werden. Ja, die Mitte ist insofern wichtig, weil vermutlich neben dem Repräsentantenhaus, das ohnehin sehr stark politisch-ideologisch polarisiert ist, möglicherweise sogar auch der Senat entsprechend sich entwickeln dürfte, und da müsste es oder wird es für einen Präsidenten ganz entscheidend sein, die Mehrheit der Bevölkerung gegen diese beiden Parlamentskammern zu nutzen.

    Müller: Wenn Sie sagen, Herr Gellner, die Mitte muss her, dann haben ja viele das doch gerade in Europa, auch in Deutschland falsch verstanden, wenn wir die normalen Medien, die Hintergrundanalysen, Berichte und Reportagen verfolgen. Dann hat man ja immer den Eindruck, Amerika ist vollkommen nach rechts gerückt. In Wahrheit, wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist es eher so, dass die Polarisierung eben zugenommen hat? Das heißt, die Wahrheit liegt nach wie vor in der Mitte?

    Gellner: Ja. Die Polarisierung hat zugenommen, im Besonderen auch, weil natürlich die Tea Party, also dieser doch sehr fundamentalistische Teil innerhalb der Republikanischen Partei, die Partei zwar auch natürlich in den Medien (die Tea Party ist ein Medienereignis), Fox News und andere, natürlich so darstellt, als sei hier mittlerweile eine neue ideologisch-rechtspopulistische Strömung entstanden. Es ist tatsächlich so: Die Wahlen werden nach wie vor in der Mitte gewonnen, und diese spektakulären Auftritte, auch diese Kostüme der Tea Party, scheinen mir doch eher ein Effekt zu sein, der sich vielleicht auf regionaler, auf lokaler Ebene bei entsprechenden Kandidaten auswirken wird. Aber auf nationaler Ebene werden die Independents, die die Gemäßigten doch vermutlich eher abgeschreckt.

    Müller: Blicken wir auf die vermeintlichen Stärken von Mitt Romney. Wie wichtig wird das Thema Wirtschaft und Arbeit sein?

    Gellner: Es ist klar, dass er dieses Argument natürlich in den Mittelpunkt seiner Kampagne stellt und bereits gestellt hat. Auf der anderen Seite und vor allen Dingen mit Blick eben auf seine Erfahrungen bei den Olympischen Spielen, wobei das nicht so ganz klar ist, ob das wirklich so dramatisch war, dass er sie gerettet hat damals in Utah, aber auch dann eben bei diesem Hedgefonds beziehungsweise bei diesen Firmenaufkäufen – er wird sagen, ich bin der Mann der Praxis, "I know how to fix it". Auf der anderen Seite ist mittlerweile, glaube ich, vielen Mainstream-Amerikanern, Joe Sixpack, klar geworden, dass diese Economy natürlich nicht wegen Obama so schlecht ist, sondern das hat unter Bush begonnen, das hat sehr, sehr viele vielfältige Gründe, sodass, glaube ich, hier auch man doch zweifeln muss, ob das allein Romney zum Sieg ausreichen wird.

    Müller: Was kann er denn richtig gut?

    Gellner: Romney versucht, sich gegenüber Obama als ein Pragmatiker darzustellen. Man muss dazu natürlich im Auge haben: Obwohl Romney als Mormone natürlich hier durchaus einen gewissen Ballast hat, dass aber viele, viele Amerikaner – und darüber machen wir uns in Deutschland, glaube ich, nicht immer eine klare Vorstellung – einfach nach wie vor Obama ablehnen, einfach weil er als Dunkelhäutiger, als Afroamerican, doch sehr, sehr viele Ressentiments bedient. Und hier kann Romney natürlich mit dem Argument punkten, ich bin ein erfolgreicher Business Man aus Utah, der in Massachusetts, aber auch dann sehr erfolgreich als Gouverneur agiert hat. Er versucht, gegenüber dem Ideologen Obama den Praktiker entsprechend zu markieren.

    Müller: Auch die deutschen Medien, der "Spiegel" ja voran hat vor wenigen Wochen, zwei, drei Monaten, wir wissen es nicht mehr ganz genau, getitelt "Schade, Barack Obama, das ist alles nichts gewesen, das hat nicht geklappt". Wie schlecht ist Barack Obama?

    Gellner: Das ist eine doch vergleichsweise - Ich fand im Übrigen, dieses Heft, das war eines der schlechtesten, was der "Spiegel" je gemacht hat, in meinen Augen, was das Thema anlangt. Das sind Klischees, die jetzt bedient werden. Natürlich hat Obama die großen, die gigantischen Hoffnungen nicht erfüllen können. Das war völlig unmöglich, gegeben der Voraussetzungen. Wenn man sich das Ganze nüchtern anschaut, denke ich, er hat sehr wohl – ich meine, allein die Gesundheitsreform ist eine unglaubliche Leistung, das so durchzubekommen -, er hat immerhin bei den Kriegen oder bei der Beendigung der Kriege große Fortschritte gemacht. Insoweit glaube ich, zum Teil hat man versucht, ein Thema ein bisschen aufzubauen, bevor es allzu langweilig wird, denn das wäre meine Prognose nach wie vor, dass wenn der Wahlkämpfer Obama richtig loslegt, spätestens nächste Woche, wenn die Demokraten in Charlotte ihre Messe halten, dass dann Romney doch sehr, sehr schnell ins Hintertreffen geraten wird, aller-, allerspätestens bei den Debatten. Hier sehe ich Romney ganz klar im Nachteil.

    Müller: Herr Gellner, wir müssen ein bisschen auf die Zeit achten. Wir haben nicht mehr viel, zehn, 15 Sekunden. Aber das muss ich Sie am Ende des Gesprächs doch fragen: Bleibt Barack Obama Präsident?

    Gellner: Ja, er bleibt Präsident, und hoffentlich bleibt zumindest der Senat bei den Demokraten.

    Müller: Bei uns heute Mittag im Deutschlandfunk der Politikwissenschaftler und USA-Experte Professor Winand Gellner von der Uni Passau. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.


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