Mittwoch, 24. April 2024

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Politologe zu den US-Vorwahlen
"Die ganze Welt schaut auf New York"

New York habe einen besonderen Stellenwert, sagte der Politikberater und Publizist Andrew B. Denison im DLF. Der Sieg von Hillary Clinton dort sei deshalb als wichtige Vorentscheidung für eine mögliche Kandidatur bei den Demokraten zu werten. Auch Donald Trump sei einer Nominierung bei den Republikanern näher gekommen.

Andrew B. Denison im Gespräch mit Dirk Müller | 20.04.2016
    Der US-Politikberater und -wissenschaftler Andrew Denison.
    Der US-Politikberater und -wissenschaftler Andrew Denison. (picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler)
    Die Vorwahl in New York habe es sehr viel wahrscheinlicher gemacht, dass Clinton die notwendige Zahl der Delegierten erhalten werde. Dennoch habe Clinton entscheidende Imageprobleme: Es fehle ihr an Charisma, ihr hänge ein Geruch von Korruption an und sie gelte als Marionette der großen Banken. Auch deshalb schneide der linke Senator Bernie Sanders in den nationalen Umfragen immer noch sehr gut ab.
    Mit Blick auf Donald Trump stellte Denison Veränderungen fest. Trump merke, dass er Probleme bekomme, wenn er sich nicht "präsidential" verhalte. Nur etwa bei einem Fünftel komme der Duktus als "Enfant Terrible" gut an. Die Republikaner hätten ein Problem, wenn ihr Kandidat Frauen, Minderheiten und die jungen Kreativen vertreibe.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Wer ist der King von New York, Hillary oder Bernie, Trump, Cruz oder Kasich? Das fragte in diesen Tagen eine große New Yorker Zeitung. Republikanische und demokratische Präsidentschaftskandidaten buhlen schon seit Wochen um die New Yorker Wähler, die bis in die frühen Morgenstunden europäischer Zeit an die Urnen getreten sind. Die achteinhalb Millionen Wähler des Staates haben entschieden: Donald Trump und Hillary Clinton haben gewonnen. New York, Clinton und Trump - das ist unser Thema nun mit dem amerikanischen Politikwissenschaftler Andrew Denison. Guten Morgen!
    Andrew Denison: Ja! Da sind wir wieder.
    Müller: Da sind wir wieder. - Herr Denison, ist New York immer mehr als nur New York?
    Denison: Ja klar. Amerika und die ganze Welt schaut immer auf New York, um zu sehen, wie diese kämpferische, kosmopolitische Stadt und ihr Bundesstaat abstimmen werden. Umso wichtiger war es, dass sowohl Donald Trump wie Hillary Clinton und Bernie Sanders alle sagen können, New York ist ihr Zuhause, und das gibt dieser New York-Vorwahl besondere Bedeutung.
    "Clinton ist Bernie Sanders noch nicht los"
    Müller: Herr Denison, Sie sagen, New York ist immer mehr. Klares Ja auf diese Frage. War ja auch rhetorisch gemeint. Aber kann man denn sagen, es gibt keine andere Stadt, die so wenig repräsentativ ist für das übrige Amerika als New York?
    Denison: Ja gut. Das ist im gewissen Sinn auch ein altes Liebe-Hass-Verhältnis. Die Amerikaner haben immer New York etwas skeptisch gegenüber gesehen, weil es doch mehr global ist als das Land selbst. Aber mindestens seit 9.11, wenn nicht davor wissen wir, dass die Amerikaner dieses New York doch sehr schätzen, und viele Politiker auch vor Hillary Clinton, Donald Trump und Bernie Sanders sind aus New York gekommen. Vielleicht soll man auch sagen: Die Frau Hillary Clinton hat im Jahr 2000 New York zu ihrer Heimat gemacht und ist dort als First Lady in eine Kampagne für den US-Senat reingegangen, und das hat sie gewonnen, und seitdem sagt sie, dass New York auch ihr Zuhause ist.
    Müller: Jetzt haben wir, Herr Denison, die klaren Ergebnisse: mehr als 60 Prozent für Donald Trump. Ähnlich "gut" hat Hillary Clinton abgeschnitten, immerhin 43, 44 Prozent für Bernie Sanders, vielleicht auch ein Achtungserfolg für den Herausforderer. Aber gehen wir auf Hillary Clinton ein und auf Donald Trump. Ist das jetzt heute mehr als eine Vorentscheidung?
    Denison: Es hat es auf jeden Fall viel wahrscheinlicher gemacht, dass Hillary Clinton die notwendige Zahl der Delegierten bekommen wird. Auch wenn sie verloren hätte in New York, sieht die Mathematik so aus, als ob sie von Bernie Sanders keine Herausforderung bei den Delegierten sieht. Allerdings seine Botschaft ist immer noch stark. Er kommt gut an und er sieht national in den Meinungsumfragen immer noch gut aus. Das heißt, sie hat gewonnen, aber sie ist Bernie Sanders noch nicht los.
    "Weiße Männer haben ein großes Problem mit Hillary Clinton"
    Müller: Bernie Sanders - erstaunlich schneidet er ab für viele, gerade auch für die europäischen Beobachter. Einen linken Kandidat hat es in diesem Profil ja in der Form in den Vereinigten Staaten seit Jahrzehnten offenbar nicht mehr gegeben, der so viel Zuspruch dann auch bekommen hat. Ist Bernie Sanders so stark, weil Hillary Clinton so schwach ist?
    Denison: Das hat einen großen Anteil. Das ist ein großer Teil der Erklärung. Auf jeden Fall! Und das, was einmalig in diesem Wahlkampf ist, ist, dass alle Kandidaten sehr negativ abschneiden. Hillary Clinton hat nach einer Wall Street Journal und NBC News Meinungsumfrage sehr stark an Unterstützung verloren. Oder anders gesagt: Ihre Negativwerte, dass man ein schlechtes Bild von ihr hat, diese Zahlen sind sehr gestiegen, und das macht es für einen wie Bernie Sanders, der doch radikaler ist als die meisten Demokraten, es macht es für ihn einfacher. Dazu letztendlich muss man erkennen, dass weiße Männer ein besonders großes Problem mit Hillary Clinton haben, und in den konservativeren Bundesstaaten hat Sanders besonders gut abgeschnitten, weil er davon profitiert hat.
    Müller: Gehen wir, Herr Denison, ans Eingemachte. Sie haben eben ja gleich zur Begrüßung gesagt, da sind wir wieder. Wir haben schon häufiger an dieser Stelle über die Ergebnisse der Vorwahlen gesprochen. Wir wollen auch das den Hörern heute Morgen hier im Deutschlandfunk nicht vorenthalten. Sie sind ja bekennender demokratischer Wähler. Sie sind auch ein weißer Mann, sagen Sie gerade. Die haben Probleme damit. Haben Sie auch Probleme mit Hillary Clinton?
    Denison: Ja, eindeutig. Ich meine, natürlich hofft man, vernünftig zu sein und in den sauren Apfel beißen zu können, aber Hillary Clinton hat große Probleme. Sie hat Probleme, indem ihr ein Charisma fehlt. Sie hat Probleme, indem sie diesen Geruch der Korruption nie loswerden kann. Und sie hat Probleme, dass sie angesehen wird als ein Freund, wenn nicht eine Marionette der großen Banken der Wall Street, und Bernie Sanders, der kämpft gegen die Wall Street in einer Zeit, wo viele Demokraten der Meinung sind, ihre schlechte Lebenslage ist der Wall Street anzukreiden.
    "Trump ändert seinen Duktus"
    Müller: Da hat es vielleicht Donald Trump etwas einfacher, weil er vielleicht, ohne polemisch sein zu wollen, seine eigene Marionette ist?
    Denison: Ja. Donald Trump ist auch schwer zu erklären. Er hat hier in New York einen großen Sieg nach schwierigen Wochen gezeigt. Er ist auch sehr unbeliebt. 70 Prozent der Amerikaner haben ihn überhaupt nicht gern. Das ist so. Aber er hat diese schwierigen Wochen überlebt und viele haben notiert, gestern Abend bei seiner Siegesrede einen anderen Duktus benutzt. Er hat nicht mehr von "Lying Ted", dem Senator, der ihm an den Fersen ist, gesprochen, sondern von "Senator Cruz". Trump merkt, dass er Probleme macht, wenn er sich unpräsidential verhält, und wir sehen, da ist ein Kandidat, der seinen Duktus doch ändern könnte.
    Müller: Das haben wir vielleicht hier in Deutschland, in Europa noch gar nicht so richtig mitbekommen. Das heißt, ab jetzt wird Donald Trump viel moderater, verbindlicher auftreten?
    Denison: So würden wir denken nach gestern Abend. Man hatte vorher gehofft, seine Frau zitiert, er sollte mehr präsidential wirken. Aber dann kam er immer wieder in den letzten Wochen und sagte, das ganze System ist gegen mich eingestellt und da sind die Bösen da draußen. Das war klassisch der Trump. Aber gestern Abend nach diesem großen Sieg hat er sich ein bisschen diszipliniert.
    Müller: Aber dieses Enfant terrible zu spielen, gegen das Establishment zu wettern und zu polemisieren, das war ja auch seine Stärke, für die er auch gewählt wurde.
    Denison: Herr Müller, da haben Sie absolut recht, und er muss aufpassen, dass in dem Versuch, seine Schwächen loszuwerden, er seine Stärken auch loswird. Denn für ein Fünftel oder ein Sechstel der Amerikaner ist dieser Duktus, wie in einer Sportkneipe oder so was, sehr beliebt. Die komplizierten Redensarten von einem wie Obama, Harvard-Rechtsanwalt, das kommt bei denen einfach nicht an. Und der Trump, Reality-Show-TV-Star, der spricht die Leute an, und wenn er zu moderat wird in der Tat, dann geht er auch in die Gefahr auf der Suche nach einer Mehrheit der Delegierten bis Cleveland. Das hat er noch nicht, aber er ist nähergekommen in New York auf jeden Fall.
    "Amerika braucht eine starke republikanische Partei"
    Müller: Um in unserem Bild zu bleiben. Dann ist das was für weiße Männer?
    Denison: Der weiße Mann, ja. Ich meine, ich würde hoffen, dass eine republikanische Partei mehr als nur unausgebildete weiße Männer ansprechen könnte. Ich als Demokrat denke, Amerika braucht eine starke republikanische Partei, um die Demokraten ehrlich zu halten. Aber wenn die Republikaner die Frauen vertreiben, wenn sie die Minderheiten vertreiben, wenn sie die jungen Innovativen, Kreativen wie die Steve Jobs oder Bill Gates vertreiben, dann haben sie nur noch die Leute, die einen wie Trump gern haben, und das sind so ein Fünftel der Amerikaner. Damit kommen sie nicht viel weiter.
    Müller: Der amerikanische Politikwissenschaftler Andrew Denison bei uns im Gespräch hier im Deutschlandfunk. Danke erneut, dass Sie für uns Zeit gefunden haben. Wir werden uns Wiederhören. Einen schönen Tag noch.
    Denison: Gleichfalls.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.