Freitag, 19. April 2024

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Polizeigewalt in den USA
"Das ist ein Problem der Bundesstaaten und nicht der Zentralregierung"

Ralph Freund, Vizepräsident und Sprecher der Republicans Overseas Germany, sieht die Verantwortung für den tragischen Tod des schwarzen Amerikaners George Floyd infolge eines Polizeieinsatzes bei den Bundesstaaten. US-Präsident Donald Trump habe da nur begrenzten Einfluss, sagte er im Dlf.

Ralph Freund im Gespräch mit Stephanie Rohde | 30.05.2020
Demonstranten in Kansas protestieren gegen Polizeigewalt gegen Afroamerikaner.
Die Wahrscheinlichkeit, als Schwarzer in die USA in einen Mord verwickelt zu werden, sei um den Faktor 20 höher ist als bei Weißen, sagte Ralph Freund im Dlf. (dpa-Bildfunk / The Kansas City Star / Tammy Ljungblad)
In den USA halten die Proteste gegen Polizeigewalt an. Hintergrund ist die Tötung des schwarzen Amerikaners George Floyd infolge eines Polizeieinsatzes in Minneapolis. Sowohl weiße als auch schwarze Demonstranten zogen durch die Stadt. In Minneapolis sogar trotz einer Ausgangssperre, die nach Ausschreitungen verhängt worden war. Die ingesamt vier in den Vorfall involvierten Polizisten wurden entlassen, und einer ist inzwischen angeklagt.
Donald Trump hatte die Ausschreitungen kritisiert, er bezeichnete in einem Tweet Demonstrierende als Schläger. Außerdem twitterte er, wenn die Plünderungen beginnen, beginnt das Schießen. Ralph Freund, Vizepräsident und Sprecher der Republicans Overseas Germany, kritisierte das Verhalten der Strafverfolgungsbehörden im Bundesstaat Minnesota. Es könne nicht sein, dass der Polizist erst als Reaktion auf die Ausschreitungen festgenommen worden sei, sagte Freund im Deutschlandfunk.
Stephanie Rohde: Ist die Wut der Menschen auf staatliche Gewalt gerechtfertigt?
Freund: Die Wut ist definitiv gerechtfertigt. Wir haben in Amerika ein hochsensibles Thema, das ist die Gewalt gegenüber der schwarzen Bevölkerung, die wahrscheinlich mit einer ähnlichen Emotionalität diskutiert wird wie beispielsweise die Abtreibung. In Amerika ist es Fakt seit vielen, vielen Jahren, auch Jahrzehnten leider, auch schon seit den Reagan-Jahren der 80er-Jahre, dass eben 80 bis 90 Prozent der Todesfälle durch Gewalt – das muss nicht gleich Mord sein, das können auch Totschlag sein oder schwere Körperverletzung mit Todesfolge – von Schwarzen an Schwarzen verübt wird, das heißt, die Opfer sind überwiegend Schwarze.
Da beginnt das ganze Dilemma, dass natürlich diese Gruppe sagt, da sind sie dabei, dass Leute sich gegenseitig umbringen, aber eben auch durch die Strafverfolgungsbehörden und durch die Exekutive, eben hier die Polizisten behandelt werden. Das ganze Problem besteht darin, dass natürlich nicht nur das vorkommt, sondern dass die Verfolgung dieser Taten, wie beispielsweise in Minneapolis, nicht unmittelbar mit der gleichen, sag ich mal, Rechtshärte geübt wird, wie es möglicherweise bei Schwarzen gemacht werden würde. Diese Personen sind erst mal nur entlassen worden, sie sind aber nicht in Gewahrsam genommen worden. Daran natürlich erzürnt sich der Zorn.
"Auch Obama hat in acht Jahren Amtszeit hier nicht viel erreichen können"
Rohde: Ja, genau darüber reden wir gleich auch noch, aber bleiben wir dabei: Sie sagen, die Wut ist gerechtfertigt. Warum nimmt Donald Trump das nicht ernst, sondern bezeichnet die Demonstrierenden als Schläger und droht damit, auf Menschen schießen zu lassen.
Freund: Ich glaube, das hat er ganz anders gesagt, das muss man hier ganz deutlich sehen. Er sagt, die Leute, die jetzt plündern, die Leute, die jetzt für Gewalt sorgen, dort werden wir für Recht und Ordnung sorgen. Er hat sogar selbst in einem Tweet gesagt, er möchte für Recht und Ordnung sorgen, er möchte, dass die Gewalt von der Straße geht. Er möchte die staatliche Gewalt wiederherstellen und nicht die private, nicht autorisierte Gewalt. Ich glaube, das ist ein ganz großer Unterschied, insoweit, da stehe ich hinter dem Präsidenten.
Es ist auch ein Problem der Verantwortlichkeit, da muss man sich ganz im Klaren sein. Wenn beispielsweise bei uns in Deutschland ein Gewaltverbrechen passiert, ist auch nicht Frau Merkel verantwortlich, sondern die Strafverfolgungsbehörden und die Exekutive, die Polizei der jeweiligen Bundesländer, und das ist auch hier in den USA so, dass die Bundesstaaten verantwortlich sind. Einem Präsidenten sind dort die Hände sehr weit gebunden. Auch ein Barack Obama, der ja nun wirklich nachweislich für die Schwarzenrechte eingetreten ist, hat an dieser Stelle in acht Jahren Amtszeit auch nicht viel erreichen können.
Ralph Freund, Vizepräsident der Republicans Overseas Germany, zu Gast in der Talkshow von Anne Will im Ersten.
Ralph Freund, Vizepräsident der Republicans Overseas Germany (imago / Jürgen Heinrich)
Rohde: Na ja, aber wobei man da sagen muss, 2017 hat die US-Regierung sich entschieden, problematische Polizeistationen vom Bund weniger untersuchen zu lassen, und das war anders als bei Obama, wo das Justizministerium zum Beispiel in Ferguson oder in Baltimore ganz gezielt den Blick drauf geworfen hat, wenn es Gewaltausschreitungen gab. Also Trump hat das Problem verschlimmert.
Freund: Ach, verschlimmert – wir haben seit 40 Jahren das Phänomen, dass diese Straftaten zunehmen. Das ist jetzt keine singuläre Geschichte unter der Ägide Trump, wir hatten einen Anstieg dieser Gewalttaten auch unter der Regierung, Administration Obama.
Rohde: Nee, tatsächlich stimmt das nicht. Forscher haben schon 2018 festgestellt, dass es eine Zunahme von Hasskriminalität gab, die zusammenhängt mit der Rhetorik des Präsidenten.
Freund: Also ob diese Rhetorik und die Kausalität vorhanden ist, das wage ich wirklich zu bezweifeln.
"Das ist ein Problem der Bundesstaaten und nicht der Zentralregierung"
Rohde: Aber eine Zunahme der Hasskriminalität kann man feststellen, unter Trump.
Freund: Definitiv, aber wir hatten eine Zunahme der Hasskriminalität unter Präsident Barack Obama, also das ist jetzt erst mal kein Phänomen bei einer wachsenden Bevölkerung und bei wachsenden sozialen Spannungen. Die Frage ist, wie man dem begegnet und kann man dem begegnen, und ist eben die Lösung zu dem Problem bundesweit der Präsident, oder sind nicht die Gesetze sehr gut, die Möglichkeiten, die man hat, sehr gut, aber man sie nicht konsequent umsetzt.
Es kann doch nicht sein, dass jemand offenkundig eine Straftat begeht, wie dieser Polizist, und dass der danach erst unter Druck der Öffentlichkeit in Gewahrsam genommen wird. Ich glaube, es geht hier nicht so sehr um die Gesetze – ich glaube, die sind ausreichend –, es geht doch mehr darum, die Gesetze auch anzuwenden, und das ist ein Problem der Bundesstaaten und nicht der Zentralregierung.
Rohde: Na ja, es sind ja beide Dinge, also einerseits Taten und Worte unter Trump. Bei den Taten hab ich eben schon erwähnt, 2017 hat die US-Regierung sich entschieden, dass das Justizministerium sich da eher raushält. Und es gibt ja auch die Worte von Trump, auch von 2017, zum Beispiel, da hat er der Polizei gesagt, seid nicht zu nett und schützt nicht die Menschen und die Köpfe mit eurer Hand, wenn ihr Menschen in den Polizeiwagen bringt. Das sind doch ganz klare Aufforderungen, "seid härter", oder?
Freund: Es ist zumindest mal eine Sache, für Law and Order einzutreten. Ich möchte noch mal Folgendes betonen: Auch wenn die Opfer überwiegend Schwarze sind, die Täter sind nicht nur weiße, es sind ebenfalls auch schwarze Polizisten. Es geht hier nicht nur um die Seite der Strafverfolgung, dass man weißen Polizisten das vorwirft, auch schwarze Polizisten, auch Zimmermann – vielleicht erinnern Sie sich –, das war ein Fall, das war ein Latino, auch ein Polizist gewesen, auch der hat dort für Todesfolge gesorgt. Das ist kein Phänomen. Die Opfer sind Schwarze, diejenigen, die es begehen, sind nicht ausnahmslos Weiße.
Rohde: Aber die meisten von ihnen sind es, und das Risiko, als Opfer schwarz zu sein, ist 2,5-fach höher als weiß.
Freund: Weil eben die Straftat, dass Sie als Schwarzer in einen Mord verwickelt werden, eben, glaube ich, um den Faktor 20 höher ist als beim Weißen. Auch das ist eine Statistik, die ist richtig, aber die müssen Sie im Kontext sehen. Nach wie vor, die Verantwortlichkeit liegt nicht auf Bundesebene, sondern in diesem Fall in Minneapolis definitiv auf Bundesstaatenebene.
Es ist ein Teil der Exekutive, dass sie diesen Straftaten nachgeht, und der Zorn entrüstet sich möglicherweise nicht nur an dem Schwarzen, der gestorben ist, sondern auch an der laschen Strafverfolgung – von dem wir übrigens nicht wissen, ist der gestorben überhaupt durch diesen Polizeieingriff. Er ist nämlich offensichtlich anscheinend nicht erstickt, wie ich jetzt erfahren habe, und er hatte auch Rauschmittel potenzieller Weise in sich. Also der Fall scheint komplexer zu werden, aber auch drüber hinaus, auch wenn wir hier drüber reden.
"Die Polizisten vor Ort sind auch zeitlich überfordert"
Rohde: Aber trotzdem bleibt ja die Frage, was tut die politische Führung, was tut Trump. Ich würde gerne noch mal dieses Zitat aufgreifen von eben, das stammt nämlich von einem Polizeichef aus Miami, der für die Rassentrennung war und der eben gesagt hat, wenn die Plünderungen beginnen, dann beginnt das Schießen. Was bringt es, wenn Donald Trump sich auf so eine Person bezieht?
Freund: Erst mal, dass jemand die Rassentrennung unterstützt hat, ist nicht ganz so schwierig, weil die Rassentrennung erst 1968 in Amerika aufgehoben worden ist. Das heißt, es gibt noch viele Personen oder einige zumindest noch in Verwaltung und Politik, die das alles noch persönlich erlebt haben. Zweitens: Dass jemand für Law and Order eintritt, nachdem so ein tragischer Unfall passiert ist, auch das kann ich nicht verkennen. Nach wie vor ist die Frage der Verhältnismäßigkeit gegeben, wie stark kann man so einem Gewaltverbrechen nachgehen, und ich glaube, da ist Fingerspitzengefühl gefragt.
Man muss bei absoluter Überschreitung sofort hart handhaben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es keine Proteste gegeben hätte, hätten die Strafverfolgungsbehörden sofort reagiert und hätten diese Person aus dem Verkehr gezogen und in Gewahrsam genommen. Also noch mal: Ich glaube nicht, dass Gesetze hier gefragt wären, es bedarf vielleicht eines höheren Budgets. Die Polizisten vor Ort sind auch überfordert zeitlich, der eine Polizist hat irgendwie 48 Stunden lang Überstunden geschoben. Das sind alles so Dinge, die man kritisieren muss, man muss ansetzen an der Verfolgung, man muss die Beamten auch unterstützen, man darf nicht nur sie voreilig kritisieren.
Rohde: Ja, aber ich würde trotzdem noch mal gerne dabei bleiben, wenn Trump sich auf jemanden bezieht, der brutale Gewalt gegen Afroamerikaner gerechtfertigt hat, verschlimmert er dann nicht das Problem?
Freund: Damit würde er es verschlimmern, aber soweit ich gehört habe, war Trump dieser Zusammenhang, diese Aussage nicht bewusst gewesen. Er ist drauf angesprochen worden von einem CNN-Reporter, und er hätte gesagt, der Zusammenhang, dass das ein historisches Zitat gewesen sein soll, war ihm zum Zeitpunkt der Aussage dieses Satzes nicht bekannt gewesen. Auch mir war es nicht bekannt gewesen.
Rohde: Was tut Trump denn gegen rassistische Polizeigewalt, ganz konkret?
Freund: Hat Trump überhaupt eine Chance, noch mal, es ist Ländersache, es ist Sache der jeweiligen Innenministerien der einzelnen Bundesstaaten. Er kann bestenfalls dafür sorgen, dass sie personell besser ausgelastet werden, damit solche Übergriffe nicht mehr passieren.
Sie haben als Präsident – auch Obama hat das gezeigt, da bin ich ganz apodiktisch in dieser Aussage –, auch dort hat es zu keinen Verbesserungen geführt, außer vielleicht Body-Cams, damit man besser diese Dinge nachverfolgen kann und eine bessere Beweisführung machen kann. Ansonsten ist das Thema hochemotional und wird erst wieder besser werden, wenn die Ausstattung der Polizei und der Strafverfolgungsbehörden mehr Zeit zum Arbeiten haben und weniger überlastet sind und auch dort weniger Emotionen im Spiel sind.
"Das Problem ist nicht nur ein streng republikanisches Problem"
Rohde: Wenn Trump Ihrer Meinung nach nichts zu tun hat damit und da auch nichts ändern dran kann, warum mischt er sich dann ein und gießt Öl ins Feuer?
Freund: Die Frage ist, ob er Öl ins Feuer gießt. Er sagt, die Reaktion, danach, ich will wieder Recht und Ordnung herstellen. Noch mal: Auch das ist wieder Verantwortlichkeit der jeweiligen Bundesstaaten. Der Präsident hat dort – wir haben es auch bei Obama erlebt, bei Mass Shooting, – hat dort nur begrenzten Einfluss.
Er kann jetzt – die Gesetze sind ausreichend, mir ist derzeit auch von der Opposition kein Gesetz bekannt, das gegenwärtig kritisiert wird, um die Situation zu verbessern. Es geht hier um eine Mittelausstattung, es geht um eine gewisse psychologische Vorgehensweise, die hochsensibel ist, das sagte ich eingangs, aber alles andere meiner Ansicht nach ist nicht Bundes-, sondern Landessache.
Rohde: Na ja, aber man könnte zum Beispiel darüber nachdenken, weniger Waffen generell in den USA zu haben, sodass Polizisten auch faktisch weniger gefährdet sind, wenn sie auf Streife gehen. Warum also nicht Waffengesetze verschärfen, um die generelle Gefahr auch für die Polizei zu vermindern, das wäre doch im Interesse der Republikaner, oder?
Freund: Das wäre absolut im Interesse der Republikaner, das wäre auch mein Interesse – da habe ich dann doch mehr den deutschen oder den europäischen Hut auf als den US-amerikanischen an dieser Stelle – und bin natürlich für eine Verschärfung der Waffengesetze.
Nur noch mal: Auch jetzt Biden, der sich natürlich jetzt in eine gewisse Wahlkampfposition begibt, hat natürlich auch damals mit Obama durchs Land gegangen nach Mass Shooting, und dann schlug ihm eine Weile des Protests entgegen von demokratischen Anhänger, die gesagt haben, wir lassen sich ihre Waffen nicht wegnehmen.
Das Problem ist nicht nur ein streng republikanisches, es ist ein übergreifendes Problem, das mehr die Stadt-Land-Verhältnisse widerspiegelt. Auf dem Land will man sich die Waffen nicht nehmen lassen, in der Stadt ist man da konzessionsbereiter. Auch das ist, wie ich sage, ein Riss, aber das ist auch eine Entwicklung, die kritisch durch die amerikanische Bevölkerung geht.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.