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Polizeigewalt in Griechenland

Griechenland diskutiert über seine Polizei - Anlass sind gewalttätige Übergriffe der Polizisten bei den Demonstrationen der vergangenen Tage. Die griechische Polizei ist bekannt für ihr oft rohes Vorgehen.

Von Alkyone Karamanolis | 01.07.2011
    In der Erste-Hilfe-Station am Syntagmaplatz ist man damit beschäftigt, wieder Ordnung ins Chaos zu bringen. Eine Plane ist zerrissen, in eine andere hat eine Tränengasbombe ein Loch gebrannt. Die Erste-Hilfe-Station wird von den Empörten Bürgern betrieben. Seit über einem Monat sind hier Ärzte und Sanitäter zur Stelle – auf freiwilliger Basis und vorsorglich. Bislang wurden ihre Dienste kaum gebraucht. Doch diese Woche war das anders. Während der Ausschreitungen kamen die Verletzten zu Dutzenden. Augenzeugen berichten von Polizeigewalt, die sich vielfach gegen friedliche Demonstranten richtete. Die Ärztin Valia Douka bestätigt das:

    "Das Ausland soll erfahren, dass die Polizei bewusst gegen uns vorgegangen ist. Irgendwann haben sie in beide Eingänge Tränengasbomben geworfen, sodass Ärzte, Helfer und rund 50 Verletzte eingekesselt waren. Wir haben die Polizei dann per Megafon aufgerufen, uns zu beschützen und vor allem mit dem Tränengas aufzuhören. Aber leider ohne Erfolg."

    Am Syntagmaplatz fiel das Atmen auch gestern noch schwer. Der massive Einsatz von Chemikalien ist von vielen Seiten kritisiert worden. Unter anderem vom Athener Pharmazeuten- und vom Athener Ärzteverband. Der hat Reste des verwendeten Tränengases zur chemischen Analyse eingereicht und außerdem den Staatsanwalt angerufen. Denn, so der Vorsitzende des Ärzteverbands, Giorgos Patoulis, diese Chemikalien seien eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit:

    "Wir fordern, dass Schluss damit ist. Wir sind doch nicht im Krieg! Die Polizei muss andere Wege finden, um einerseits die Randale einzudämmen und gleichzeitig die Bürger zu beschützen. Es ist dem Zufall zu verdanken, dass es keine Opfer gab."

    Inzwischen ist auch eine politische Debatte rund um die Polizeigewalt entbrannt. Nicht zum ersten Mal. Die griechische Polizei ist bekannt für ihr oft rohes Vorgehen. Im Internet sind Videos abzurufen, die zeigen, wie Sicherheitskräfte friedliche Bürger angreifen oder wie sie etwa Steine, die ihnen Autonome entgegenschleudern, aufheben und zurückwerfen. Ein unentschuldbares Verhalten, sagt der bekannte Kolumnist Panayiotis Panayiotou:

    "Die griechische Polizei arbeitet nicht professionell, auch auf Führungsebene. Außerdem gibt es obwohl die Polizei demokratisch strukturiert ist, daran besteht kein Zweifel, Enklaven von Rechtsradikalen oder von Unzufriedenen, die ihren eigenen Gesetzen folgen."

    Mit dieser Meinung ist Panayiotis Panayiotou nicht allein. Der erste Bürgerschutzminister der Regierung Papandreou hat gestern öffentlich zugegeben, dass er bei seinem Amtsantritt Mitglieder Ultrarechter Organisationen in den Reihen der Polizei vorgefunden hat. Dass es Kontakte gibt zwischen Ultrarechten und den Krawallmachern, möglicherweise auch zwischen den Krawallmachern und der Polizei, ist ein Verdacht, den vor allem Vertreter der Linken in Griechenland häufig äußern. Andererseits, betont der Kolumnist Panayiotis Panayiotou, sei die Polizeigewalt nur die eine Seite der Medaille. So gebe es in Griechenland eine linksradikale Bewegung, die sich ihrerseits mit roher Gewalt gegen Politik und Staat richte. Ein Phänomen, mit dem sich die Politik werde auseinander setzen müssen.

    Die Ärztin Valia Douka ihrerseits kann das, was sie diese Tage am Syntagma-Platz erlebt hat, mit nichts entschuldigen. Sie vermutet, dass die Randale die Bürger abschrecken und vom Demonstrieren abhalten sollten.

    "Einmal angenommen, Autonome hätten rund um die Erste-Hilfe-Station Krawalle verursacht. Wenn der Auftrag der Polizei lautete, die friedlichen Demonstranten zu beschützen, hätte sie die Krawallmacher doch entfernen und die Erste-Hilfe-Station bewachen müssen. Nur: es waren nicht Autonome, die rund um die Erste-Hilfe-Station Unruhen verursacht haben sondern die Gewalt ging von der Polizei aus. Wir haben das gesehen, und niemand kann uns sagen, dass es nicht so war."