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Polizeigewerkschaft
Horror-Clowns sind "Signal für Werteverfall in der Gesellschaft"

"Baseballschläger, Kettensägen, Äxte, Messer, Schusswaffen - das überdreht völlig", sagte der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft NRW, Arnold Plickert, im DLF. Man habe Spaß daran gefunden, andere zu erschrecken und anzugreifen. 231 Fälle allein in NRW seien dokumentiert.

Arnold Plickert im Gespräch mit Christoph Heinemann | 28.10.2016
    Zeichnung eines angsteinflößenden Clowns von Marion Auburtin
    Horror-Clowns: Die Polizeigewerkschaft NRW rät zu Distanz statt Konfrontation. (Clown Maléfique - Serie La Nuit des Masques/ Marion Auburtin)
    Insbesondere mit Blick auf Halloween müsse man mit weiteren "Auftritten" rechnen, sagte Plickert im Deutschlandfunk. Danach könnte das Phänomen wieder abnehmen. Ein "neues Konzept für Halloween" gebe es nicht, so Polizeigewerkschafter, die Einsatzstärken würden allerdings erhöht. Es sei für die Polizei eine schwierige Situation, da es durch die Masken keine Personenbeschreibungen gebe. Außerdem handele es sich meistens um nächtliche Zeiten. 231 Fälle allein in Nordrhein-Westfalen habe es in den letzten zwei oder drei Wochen gegeben.
    Arnold Plickert, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei.
    Arnold Plickert, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. (picture alliance/dpa/Caroline Seidel)
    Distanz vor Konfrontation empfiehlt Plickert: Eltern sollten Kinder begleiten; Frauen sollten nachts dunkle Wege meiden. Im Zweifelsfall solle man sich nicht scheuen und die 110 anrufen. Auch ein Foto oder ein Video könne hilfreich sein.
    Über die Täter wisse man wenig. Es seien vermutlich Menschen, die Spaß daran gefunden hätten, die Macht zu haben, andere zu verängstigen. Das sei ein psychisch-abnormes Verhalten. Die Berichte der Medien halte er nicht für problematisch: Sie würden "den Anlass nicht verändern", da die Horror-Clowns im Internet sowieso Thema seien.

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Christoph Heinemann: Witzig ist es nicht, ungefährlich schon gar nicht, und zwar weder für Opfer, noch für Täter. Auch in Deutschland sind neuerdings sogenannte Grusel-Clowns unterwegs. Verkleidet als Spaßmacher lauern sie Passantinnen und Passanten auf und greifen diese teilweise mit Waffen an. Das kann Menschen zutiefst erschrecken und verstören, es kann aber auch für die Clowns schiefgehen. Zuletzt drehte ein Jugendlicher in Berlin-Lichterfelde den Spieß um und verletzte den Clown mit einem Messer. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat jetzt gesagt, die Behörden müssten solche Entwicklungen möglichst früh bekämpfen und den Tätern hart und mit null Toleranz entgegentreten. Andernfalls fühlten sich Nachahmer möglicherweise ermutigt, gab er außerdem zu bedenken.
    - Wir haben vor einer Stunde Arnold Plickert erreicht. Er ist Polizeihauptkommissar und Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen der Gewerkschaft der Polizei. Ich habe ihn gefragt: Was reizt Menschen daran, andere in Angst und Schrecken zu versetzen?
    Arnold Plickert: Es ist wieder mal ein Signal, dass wir wie in anderen Bereichen auch einen gewissen Werteverfall in der Gesellschaft vorfinden. Man hat Spaß daran gefunden, andere zu erschrecken, zu verängstigen und in Teilen ja auch anzugreifen. Wir haben in Nordrhein-Westfalen, Stand gestern Morgen, 231 Fälle von dieser Vorgehensweise. Und da ist es nicht nur beim Erschrecken geblieben. Es ist auch gespuckt worden, es ist beleidigt worden und es ist auch geschlagen worden.
    Heinemann: Wieso wirken Clown-Gesichter eigentlich besonders erschreckend?
    Plickert: Wer sich mal die Masken ansieht, die sehen ja anders aus wie der Clown, der im Zirkus auftritt, um da Kinder zu bespaßen. Die Masken haben schon etwas mit Horror zu tun. Und das in der Dunkelheit und mit entsprechendem Auftreten, das verängstigt die Menschen.
    Heinemann: Welche Straftaten begehen Grusel-Clowns?
    Plickert: Wir sind da in so einem Grenzbereich. Das Tragen des Kostüms ist nicht strafbar. Wir sind in dem Bereich einer Nötigung, wenn ich dann sogar angegriffen werde, Körperverletzung, gefährliche Körperverletzung, wenn mit Waffen oder anderen Geräten geschlagen wird. Auch hier, wir haben Baseball-Schläger, Kettensägen, Äxte, Messer und auch Schusswaffen. Das überdreht völlig, muss man sagen.
    Heinemann: Das heißt, wer so erwischt wird, den nehmen Ihre Kolleginnen und Kollegen gleich mit?
    Plickert: Ja. Wir haben das im Moment ganz intensiv im Fokus. Es ist natürlich für uns schwierig. Zum einen haben wir keine Personenbezeichnungen, weil diese Masken getragen werden. Von den Zeiten ist es auch eher in den Nachtzeiten, frühe Morgenzeiten. Aber wir haben dieses Phänomen im Moment ganz klar auf unserer Agenda.
    Heinemann: Muss der Gesetzgeber nacharbeiten?
    Plickert: Nein, ich glaube nicht. Ich hoffe, dass diese Szenarien nach Montag abnehmen werden. Wir haben Montag Halloween. Ich glaube, das hängt auch alles mit diesem Tag Halloween zusammen. Es kommt ja aus Amerika und in Amerika haben wir die Kenntnisse, dass es dann im Jahr auch wieder abflaut. Da setze ich auch drauf. Aber ich schließe auch nicht aus, dass wir vielleicht jetzt ein Szenario haben werden, was rund um den Halloween immer wieder auftaucht.
    Heinemann: Das heißt, Sie rechnen jetzt in den kommenden Tagen mit besonders vielen Übergriffen?
    Plickert: Ja. Am Wochenende sind viele größere Feiern, in deren Mittelpunkt Halloween steht, und da ist zu befürchten, dass wir wieder Trittbrettfahrer bekommen werden, die diese Situation nutzen. Das macht es ja auch schwierig. Ich habe ja gerade gesagt, in Nordrhein-Westfalen haben wir 231 Fälle in den letzten zwei bis drei Wochen. Es ist ja nicht jeder Clown, der jetzt vielleicht am Wochenende mit so einem Kostüm umherläuft, in diese Kategorie einzuordnen. Deswegen warne ich auch davor, in den sozialen Medien gibt es ja so Aufrufe, wir gehen jetzt selber los und suchen diese Leute. Vorsicht! Man begibt sich da sehr, sehr schnell selbst in einen Grenzbereich und begeht Straftaten, da wir hier in Deutschland keine Selbstjustiz haben und für die öffentliche Sicherheit und Ordnung die Polizei verantwortlich ist.
    Heinemann: Herr Plickert, wie sollten sich Bürgerinnen und Bürger verhalten, wenn sie einem solchen Fall des Grusel-Clowns begegnen?
    Plickert: Distanz vor Konfrontation bei der Begegnung mit Grusel-Clowns
    Plickert: Distanz vor Konfrontation. Das ist, glaube ich, die generelle Richtung. Wenn ich erkenne, dass vielleicht Gruppen auf mich zukommen, die schon so verkleidet sind, dann vielleicht die Straßenseite wechseln. Ich glaube, jetzt am Wochenende wird es noch mal ein Hoch geben, was die Feierlichkeiten betrifft. Da sollten Eltern ihre Kinder begleiten auch in der Dunkelheit, wenn sie zu irgendwelchen Veranstaltungen gehen. Ich glaube, Frauen sollten auch in den Nachtstunden dunkle Plätze, Wege meiden, oder zumindest nicht alleine auf diesen Plätzen sich bewegen. Und im Zweifelsfalle, wenn nur der kleinste Anhaltspunkt vorliegt, sich nicht scheuen, einfach ein Handy in die Hand zu nehmen und 110 anzurufen. Wir sind in der Regel innerhalb von zwei bis drei Minuten in diesen Bereichen. Dann haben wir Ansätze, wo sich Personen aufgehalten haben, merken, in welche Richtung sie sich bewegen, dass wir auch Fahndungsmöglichkeiten haben. Und wenn es geht, auch mal ein Handy in die Hand nehmen, um vielleicht ein Bild oder auch einen Film zu machen.
    Heinemann: Was wissen Sie über die Täter?
    Plickert: Recht wenig, weil wir so gut wie keine haben. Das ist ja eines der Probleme. Dadurch, dass die alle verkleidet sind, haben wir keine Personenkenntnisse. Ich kann nur vermuten, dass es Leute sind, die Spaß daran gefunden haben, jetzt auf so eine Welle aufzusteigen. Ich denke mir, der eine oder andere macht auch nur eine Eselei. Der wird auch nach Montag aufhören. Aber der eine oder andere hat auch, glaube ich, so ein Gefühl, ich habe hier eine gewisse Macht, ich kann Leute verängstigen. Wer geht sonst mit einer Kettensäge auf die Straße, springt hinter einer Hecke hervor und verschreckt damit Frauen und kleine Kinder. Das ist so ein bisschen ein psychisch abnormes Verhalten.
    Heinemann: Sollten Medien über diese mutmaßlichen Straftäter berichten, oder beflügelt das Nachahmer?
    Plickert: Das ist ja immer, wenn solche neuen Modus Operandi aufkommen. Dann berichten die Medien darüber. Aber klar könnte man sagen, wenn weniger berichtet wird, springen vielleicht auch weniger rüber. Ich glaube aber, unser Gespräch hat hier auch zum Inhalt, dass wir Tipps geben, wie verhalte ich mich. Wir haben eine Medienlandschaft übers Internet, die können wir sowieso nicht mehr zurückdrehen. Ob wir jetzt ein-, zweimal mehr berichten, glaube ich, wird den Anlass nicht verändern. Im Internet ist es sowieso Thema und von daher, glaube ich, muss man auch darüber berichten.
    Heinemann: Herr Plickert, wie werden Polizeibeamtinnen und Beamte auf solche neuen Phänomene vorbereitet?
    Plickert: Gar nicht! Ich habe heute Morgen gehört, dass der Bundesinnenminister de Maizière ja gesagt hat, jetzt mit aller Härte. Ich weiß jetzt nicht, was er damit genau meint, mit aller Härte.
    Plickert: Er hat die Behörden gemeint. Da gehört ja die Polizei dazu.
    Plickert: Ja. Wir haben das Personal, was wir haben. Wir machen schon seit Jahren es so, zumindest ich spreche für Nordrhein-Westfalen. Wir werden am Wochenende und am Halloween selber unsere Einsatzstärken natürlich erhöhen. Aber es gibt jetzt kein neues Konzept, was wir aus der Schublade ziehen, Halloween. Das ist ein normaler Ablauf und bei uns wird sich nichts verändern.
    Heinemann: Muss die Ausbildung grundsätzlich bei der Polizei flexibler werden, auch vielleicht die Fortbildung, angesichts einer schnelleren Abfolge neuer Bedrohungen, die Clowns, über die sprechen wir gerade, oder die massenhaften sexuellen Belästigungen wie in der Silvesternacht?
    Plickert: Wir haben, glaube ich, eine sehr gute Ausbildung in der Polizei, wo wir unsere Kolleginnen und Kollegen auf das sehr gut vorbereiten, was sie im Dienst erwartet, sowohl eine theoretische Ausbildung an der Fachhochschule. Dann gehen sie in unsere Polizeischulen, bekommen da auch noch mal eine weitere Fortbildung und gehen in die Praxis. Daneben machen wir eine ständige Ausbildung, dass unsere Kollegen auch beschult werden in neuen Szenarien. Ich glaube, da haben wir Kapazitäten genug, um auf neue Phänomene zu reagieren.
    Heinemann: Arnold Plickert, der Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen der Gewerkschaft der Polizei. Das Gespräch haben wir um sieben Uhr heute Früh aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.